Partnerschaft

Wie Apple mit IBM ins Geschäft kommt

Uhr | Updated
von Andreas Heer

Apple sichert sich mit der IBM-Partnerschaft den Zugang zu Unternehmen. Die Folgen sind unklar, aber iPhones und iPads haben sich längst in Firmen etabliert, wie Beispiele aus der Schweiz zeigen. Dies hat vor allem einen Grund.

Der Geschäftsmann, der mit dem iPhone seinen Lieferanten anruft. Oder die Unternehmerin, die eine Produktpräsentation auf dem iPad hält: Apple-Geräte auf dem Büroschreibtisch sind ein gewohnter Anblick geworden. Über Bring your own Device (BYOD) haben private Geräte mit dem Apfellogo quasi durch die Hintertür Einzug in Unternehmen gehalten, die vorher kaum Berührungspunkte mit dem Hersteller aus Cupertino besassen. Türöffner waren dabei eindeutig die mobilen Geräte.

Am 15. Juli erhielten Apple-Nutzer in Unternehmen Support aus einer unerwarteten Ecke. IBM-CEO Ginni Rometty und Apple-Chef Tim Cook kündigten gemeinsam eine Partnerschaft zwischen den beiden Unternehmen an mit dem Ziel, die mobile Nutzung von Unternehmensanwendungen im Allgemeinen und iPhones und iPads im Speziellen zu fördern.

Konkret besteht die Partnerschaft aus vier Pfeilern: Von Grund auf neu entwickelte mobile Unternehmens-Apps für iPhone und iPad sollen die mobile Nutzung ausweiten, während ein Mobile Device Management (MDM) von IBM für den sicheren Einsatz im Unternehmen sorgt. Zudem wird IBM Unternehmenssupport für die mobilen Geräte von Apple bieten und diese über die eigenen Kanäle auch vertreiben. Und zu guter Letzt steht IBMs Platform-as- a- Service-Angebot Bluemix generell für die Entwicklung mobiler iOS-Apps offen.

Dieser Schachzug dürfte nicht nur Unternehmen unterstützen, die heute BYOD erlauben. Denn gemäss dem Marktforschungsinstitut IDC stagniert der Anteil derart ausgerichteter Unternehmen in Europa. Treiber sei der Wunsch der Anwender gewesen, iPhones und iPads bei der Arbeit zu nutzen. Mit der Partnerschaft könnten nun Firmen dank des Supports von IBM verstärkt auf Apple-Produkte setzen und diese den Mitarbeitern zur Verfügung stellen, so die Analysten weiter. Das würde die Position von Apple im Unternehmensumfeld stärken.

Beliebte Apple-Geräte

In Schweizer Unternehmen, die BYOD erlauben, sind Apple-Produkte beliebt. Beim Wirtschaftsprüfungs- und BeratungsunternehmenKPMG stammt gemäss CIO Jan Halvorsrød rund die Hälfte der Mobilgeräte von Apple. Und bei Axa Winterthur liegt der Anteil noch höher: "Von den rund 3600 mobilen Geräten sind rund 80 Prozent iPhones oder iPads", erklärt Andreas Maier, Leiter IT beim Schweizer Versicherer.

Einen hohen Marktanteil bescheinigt Apple auch das Weissbuch 2014 von Robert Weiss. Die Hälfte aller letztes Jahr verkaufter Tablets gehört zur iPad-Familie, und bei 42 Prozent der Smartphones handelt es sich um iPhones. Bei der installierten Basis dürften die Anteile noch höher liegen. Gemäss weltweiten Zahlen des Mobile-Device-Management-Anbieters Good Technology liefen im zweiten Quartal 2014 zwei Drittel aller Mobilgeräte unter iOS. Allerdings verliert Apple gegenüber Android an Boden. Die Partnerschaft mit IBM könnte nun die Position wieder stärken.

Mobiler Einsatz ausgeweitet

Mit der Entwicklung mobiler Unternehmens- Apps bearbeiten IBM und Apple ein Thema, das Unternehmen derzeit beschäftigt. Denn die mobilen Geräte werden heute nur für ausgewählte Anwendungen genutzt und nicht für sämtliche Aufgaben, die ein Mitarbeiter im Unternehmen erledigen muss. Dies hat in erster Linie technische Gründe, etwa aufgrund fehlender Apps oder wegen Sicherheitsbedenken. Bei beiden Aspekten setzt die Partnerschaft von Apple und IBM an.

Wie Smartphones und Tablets heute bei Axa Winterthur genutzt werden, erläutert Maier: "Unsere Mitarbeiter synchronisieren auf den mobilen Geräten Outlook-Funktionen, also Adressen, E-Mails, Termine und dergleichen." Ähnlich präsentiert sich die Situation bei KPMG, das allerdings einen Schritt weiter ist. "Derzeit unterstützen wir den Zugriff auf Exchange sowie aufs Intranet", führt Halvorsrød aus.

Die mobile Intranet-Nutzung ist laut Maier aber auch bei Axa Winterthur geplant. Ebenso machen sich beide Unternehmen Gedanken darüber, wie sich Businessapplikationen auf Mobilgeräten nutzen lassen. Diese Aufgabe präsentiert sich als nicht ganz einfach, weil sowohl Sicherheitsrichtlinien als auch Supportkosten berücksichtigt werden müssen. "Wie wir die mobilen Geräte noch enger einbinden können, sehe ich derzeit als nächste Herausforderung", beschreibt Halvorsrød diese Aufgabe.

Apple-Mobilgeräte dürfte gemäss Maier auch bei der zukünftigen Mobile-Strategie eine wichtige Rolle spielen: "Wir glauben, dass der Anteil an Apple-Devices auch weiterhin hoch bleiben wird. Es scheint, als würden iPhones die Anforderungen unserer Mitarbeiter offenbar sehr genau treffen. Selbstverständlich verfolgen wir auch die Entwicklung bei Windows- und Android-Geräten genau."

Apps für alle Branchen und Grössen

Welche Resultate die Partnerschaft hervorbringt, wird sich noch zeigen müssen. Es sind erst wenige Details bekannt. Bei Apple sind derzeit keine Informationen zu erfahren, die über die Ankündigung hinausgehen. Technische Basis wird iOS 8 sein, das diesen Herbst offiziell vorgestellt wird und verschiedenen Gerüchten zufolge bereits im September erscheint. Von diesem Zeitpunkt an will IBM über die nächsten 18 Monate hinweg rund 100 Unternehmens-Apps für iOS präsentieren. Erste Lösungen will IBM bereits diesen Herbst vorstellen, wie das Unternehmen auf Anfrage mitteilte.

Die Apps richten sich an Unternehmen jeder Grösse und unterschiedliche Branchen und sollen spezifische Herausforderungen adressieren, wie IBM weiter mitteilt. Jede der mobilen Applikationen wird von Grund auf neu entwickelt und integriert sich in die bestehenden Applikationen und Prozesse. Zur Kernfunktionalität gehört zudem die Auswertung von Daten, die Apps dürften also auch eine Art Big-Data-Frontend darstellen.

Die Apps basieren auf IBMs Bluemix-Plattform, einem PaaS-Angebot für die Entwicklung und den Betrieb von Cloud-Applikationen. Die gesamten Dienste – Apps und Geräteverwaltung – fasst IBM unter der Bezeichnung "Mobilefirst Platform for iOS" zusammen.

Ein iPhone von IBM

Im Rahmen der Partnerschaft schliesst IBM eine Lücke im Dienstleistungsangebot von Apple. Denn bislang wurde Support für Unternehmen mit vereinbarten Reaktionszeiten oder Vor-Ort-Austausch von Apple selbst nicht angeboten. Bei iPads und Macs sprangen dabei Händler in die Lücke mit eigenen Dienstleistungen. "Das iPhone lief aber über ganz andere Kanäle", erläutert René Schneider, Geschäftsleitungsmitglied und Mitinhaber des grössten Schweizer Apple-Händlers Data Quest.

Nun übernimmt IBM als zertifizierter Servicepartner den Support für Geschäftskunden, Applecare Enterprise genannt. Er bietet Mitarbeitern und der Unternehmens-IT Zugang zu den Support-Ressourcen und angepasste Supportdienstleistungen. Apple wird die telefonische Hilfestellung übernehmen. Zudem wird IBM auch iPhones und iPads über die eigenen Kanäle vertreiben. Wie weit diese Angebote über IBM direkt abgewickelt werden und wie  weit die Businesspartner einbezogen werden, ist derzeit noch nicht bekannt. Ebenfalls offen ist, welche Auswirkungen die Partnerschaft für bestehende Apple-Händler hat. Das muss sich gemäss Schneider erst zeigen. "Der Absatz von Apple-Produkten dürfte aber steigen", mutmasst er.

Die Verwaltung der iOS-Geräte erledigt IBM über die mit dem Kauf von Fiberlink übernommene MDM-Lösung Maas360. Es handelt sich dabei um ein cloudbasiertes System, das ohne lokale Installation auskommt. Insgesamt deckt IBM mit den Dienstleistungen den gesamten Lebenszyklus der iOS-Geräte ab. So wird IBM gemäss eigenen Angaben mit der Mobilefirst Platform for iOS eine breite Palette von Cloud-Diensten für iOS-Nutzer in Unternehmen anbieten, von Analytics über Speicher bis hin zum Gerätemanagement.

Positives Echo

Derzeit ist es noch viel zu früh, um die Auswirkungen dieser Partnerschaft abzuschätzen. John Delaney von IDC sieht sie jedoch als logischen Schritt für Apple: "Bis jetzt hat sich Apple immer geweigert, günstige und billige iPhones herzustellen, weil dies die erfolgreiche Produktstrategie unterlaufen würde. Will Apple den iPhone-Absatz in Zukunft steigern, ist das Unternehmen deshalb vermehrt auf Firmenkunden angewiesen." Mit IBM habe sich Apple zudem einen der stärksten Partner fürs Unternehmensgeschäft ausgesucht.

Für Paul Mah, Redaktor beim Online-magazin Fierce-CIO, liegt "die wahre Genialität der Partnerschaft darin, wie sie Millionen von BYOD-iOS-Geräten in eine ernsthafte Plattform für die Nutzung von Unternehmensapplikationen transformiert." Es werde interessant sein zu sehen, wie Google mit Android auf diesen Schachzug reagiere, so Mah weiter.

Aufgrund der Vereinbarungen scheint Apple viel stärker von der Partnerschaft zu profitieren als IBM, indem die Tür in die Unternehmen weit geöffnet wird. Delaney vermutet den Nutzen für IBM vor allem in einer stärkeren Wahrnehmung des Unternehmens bei den geschäftlichen Anwendern. Das könne dazu führen, dass sich mehr Benutzer für das Gespann Apple/IBM aussprächen, wenn es um Mobilthemen gehe.

Ob aufgrund dieser Partnerschaft in Zukunft tatsächlich mehr Geschäftsleute und Unternehmerinnen mit iPhones und iPads anzutreffen sein werden, wird sich zeigen. Die Ausgangslage ist jedoch gut. Das Jahr 1984, als Apple im berühmten ersten Macintosh-Werbespot "Big Brother" IBM angriff, ist jedenfalls weit weg.

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