IT-Infrastruktur "out of the box"

Paradigmenwechsel Hyperconvergence

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von Rodolphe Koller, Übersetzung: Janine Aegerter

Mit ihren hyperkonvergenten Lösungen versprechen die beiden Start-ups Nutanix und Simplivity, ­IT-Infrastrukturen radikal zu vereinfachen. Sie wollen damit auch den Schweizer Markt aufmischen.

Sie wollen die Infrastruktur von Unternehmen immer weiter vereinfachen: Das ist das Credo von Nutanix und Simplivity, zwei jungen US-amerikanischen Unternehmen, die sich mit ihren hyperkonvergenten Lösungen mit den Schwergewichten der Branche – unter anderem auch mit denjenigen in der Schweiz – anlegen wollen.

Der Begriff "Hyperconvergence" hat seinen Sinn, denn die neuen Lösungen werden stärker integriert sein als die "lediglich" konvergenten Lösungen, die vor ein paar Jahren auf den Markt kamen. Wie die Flexpods von Netapp und Cisco oder die Vblocks, die aus der Allianz von VCE (VMware, Cisco und EMC) entstanden.

Konvergenter als die konvergente Konkurrenz

Wie bei den integrierten Systemen ihrer Konkurrenz bieten auch Nutanix und Simplivity sowohl Server- als auch Netzwerk- und Storage-Ressourcen an. Was sie jedoch unterscheidet, ist eine viel engere Integration dieser Elemente als Einzelteile eines Herstellers statt eine heterogene Zusammenstellung von Hardware verschiedener Hersteller. "Im Grunde genommen bringen die klassischen konvergenten Lösungen gegenüber dem Best-of-Breed-Ansatz keine grosse Veränderung mit sich, ausser dass sie schon verkabelt und vorkonfiguriert sind", sagt Olivier Hartmann, Regional Manager Switzerland der Simplivity Corporation in der Schweiz.

Die Lieferanten von hyperkonvergenten Lösungen stellen als Vorteil auch ihre Managementkonsolen in den Vordergrund, mit denen sich die Ressourcen wie virtuelle Maschinen und die Speicherkapazitäten auf der gleichen Oberfläche verwalten lassen. Zudem bieten sie eine einfache Bereitstellung neuer Server nach dem Scale-out-Prinzip, inspiriert von den Praktiken grosser Webunternehmen. "Es handelt sich dabei um einen Paradigmenwechsel, der von Facebook & Co. stammt. Alles basiert auf der Software, alles wird distribuiert, alles läuft auf Standardmaterial. Wir wissen, dass die Hardware fehlbar ist, daher wird die Kontinuität durch die Software gewährleistet", erklärt Florian Koeppli, Country Manager Schweiz von Nutanix.

Diese Unterschiede brachten VMware letzten Sommer dazu, mit Evo-Rail eine eigene hyperkonvergente Lösung zu lancieren. Mit diesem Vorgehen stiess VMware die eigenen Partner vor den Kopf, ist das Unternehmen doch selbst im Markt mit konvergenten Lösungen aktiv. So gesehen gibt zwar der Einzug von VMware in diesen neuen Markt Nutanix und Simplivity in gewisser Weise Recht, stellt aber auch eine gefährliche Konkurrenz für die beiden Start-ups dar.

Jeder hat seine Stärken

Natürlich unterscheiden sich die hyperkonvergenten Lösungen aber auch untereinander und weisen verschiedene Stärken in Bezug auf Verwaltung, Speicher oder Hardware auf. Nutanix etwa hebt seine Neutralität hervor: Das Unternehmen unterstützt als einziges nicht nur vSphere, sondern auch die beiden Hypervisoren KVN und Hyper-V. Zudem weist Nutanix auch auf seine hoch erweiterbare und distribuierte Architektur hin, vor allem im Speicherbereich. "Statt eine Lokomotive zu haben, welche die Wagen zieht, funktionieren unsere Hardwarekomponenten wie Kraftfahrzeuge", erklärt Koeppli.

Seiner Meinung nach unterscheidet sich die Omnicube-Lösung von Simplivity unter anderem durch sein Datenkompressionssystem und seine Fähigkeit, sich auch ganz kleinen Umgebungen anpassen zu können. VMware indes verfügt über ein einheitliches Interface und die Integration von etablierter Software wie vSphere, vCenter und vSAN. Zudem kann das Unternehmen auf eine grosse Menge Hardwarepartner zählen. Damit kann VMware den Kunden eine hyperkonvergente Lösung mit der von ihnen gewohnten Hardware bieten.

Abgesehen von diesen Unterschieden steht hinter allen hyperkonvergenten Lösungen das Ziel, den Bedürfnissen der Unternehmen nach mehr Einfachheit und Flexibilität zu entsprechen. "Unsere existierende Infrastruktur hatte zwar ihre Aufgabe erfüllt, aber in einer hochvirtualisierten Umgebung wurde es immer schwieriger, sie im Griff zu behalten", erklärt Paul Weijland, IT-Leiter der niederländischen Niederlassung der Schweizer Hero Group, die sich kürzlich für die Lösung von Nutanix entschied. Weiter soll die Kombination von Server und Speicher und das verbundene Management die operationellen Kosten senken, während die Scale-out-Skalierbarkeit die "Überversorgung" mit neuer Hardware verhindern soll. Für KMUs sind dies Argumente genug, da sie normalerweise nur über limitierte Ressourcen verfügen, um sich um ihre IT-Infrastruktur zu kümmern. "KMUs werden zweifelsohne die Early Adopters unserer Technologien sein, da sich für sie vieles vereinfacht, wenn sie nur einen Typ von Hardware und einen einzigen Lieferanten haben", sagt Hartmann von Simplivity. "Für grössere Unternehmen hingegen, die verschiedene Teams haben, die sich um die verschiedenen Teilbereiche wie Netzwerk, Speicher oder Server kümmern, wird die Transition mehr Zeit beanspruchen und auch einen Sinneswandel erfordern."

Aktivitäten in der Schweiz

Während VMware in der Schweiz stark verankert ist und über ein wichtiges Netzwerk an lokalen Partnern verfügt, bleibt für die beiden Start-ups Nutanix und Simplivity noch viel zu tun. Der Wert von Nutanix wird seit der letzten Kapitalbeschaffung auf 2 Milliarden US-Dollar geschätzt. Seine ersten Produkte brachte das Unternehmen 2011 auf den Markt und zählt nach eigenen Angaben über 1200 Kunden weltweit. Koeppli baut seit einigen Monaten zusammen mit einem Presales Engineer die Schweizer Aktivitäten des Unternehmens auf. Nutanix plant, in den nächsten sechs Monaten drei bis vier zusätzliche Mitarbeiter zu rekrutieren. Zudem will Nutanix in der Schweiz ein Netzwerk von Vertriebspartnern aufbauen. "Wir werden bald ein paar Deals in der Schweiz ankündigen und dies wird den Channel ankurbeln", sagt Koeppli. Der Country Manager sieht vor allem bei denjenigen Unternehmen Chancen, die ihre komplette Infrastruktur erneuern wollen oder spezifische Projekte planen, zum Beispiel in Zusammenhang mit VDI oder Big Data.

Nutanix’ Konkurrent Simplivity existiert seit 2013 und wird derzeit wie Simplivity durch Risikokapital finanziert. Unter der Führung von Olivier Hartmann und eines Solution Architekten entwickelt das Start-up aus Massachusetts sein eigenes Partnernetzwerk in der Schweiz und beansprucht hierzulande auch die ersten Kunden. "Unsere ersten Projekte betreffen den kompletten Austausch von In­frastrukturen", sagt Hartmann, der sein Team im ersten Quartal dieses Jahres ebenfalls vergrössern will. Simplivity kündigte ausserdem letzten Herbst die Eröffnung eines Service- und Support-Centers in Irland für die europäische Kundschaft an und plant, in den nächsten drei Jahren 70 Mitarbeiter einzustellen.

Es wird interessant sein, die Entwicklung dieser Unternehmen auf dem Schweizer Markt zu beobachten, der von VMware dominiert wird. Zudem dürften Hardwarelieferanten wie HP an einer Übernahme dieser Start-ups interessiert sein, die mit ihren hyperkonvergenten Lösungen den Markt aufmischen.

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