Webprotokoll-Update

"HTTP/2 verbessert die Performance von Web-Applikationen"

Uhr | Updated

Das Webprotokoll HTTP soll nach über einer Dekade runderneuert werden. Simon Leinen, Teamleader Peta Solutions im Bereich Researchers & Lecturers von Switch, erklärt, welche Vorteile HTTP/2 bringen könnte.

Simon Leinen ist Teamleader Peta Solutions im Bereich Researchers & Lecturers von Switch. (Quelle: Switch)
Simon Leinen ist Teamleader Peta Solutions im Bereich Researchers & Lecturers von Switch. (Quelle: Switch)

Das Hypertext Transfer Protocol (HTTP) in der aktuell gültigen Variante 1.1 ist fast 16 Jahre alt. Ein biblisches Alter für IT-Verhältnisse. Nun soll mit HTTP/2 eine neue Generation des Webprotokolls lanciert werden. Beide Protokolle sollen parallel bestehen bleiben. Weshalb braucht es dann HTTP/2 überhaupt? Simon Leinen, Teamleader Peta Solutions, im Bereich Researchers & Lecturers von Switch erklärt, was HTTP/2 leisten könnte.

Inwiefern unterscheidet sich der HTTP/2 zum aktuellen Webprotokoll-Standard HTTP/1.1?

Simon Leinen: Bei HTTP/2 können sich beispielsweise mehrere Anfragen eine TCP-Verbindung zwischen Browser und Webserver teilen, ohne sich dabei gegenseitig zu blockieren. Die Kodierung der Anfragen ist etwas kompakter, dafür aber nur noch für Maschinen lesbar - aber für Menschen war das Protokoll ohnin nie gedacht.

Das Protokoll wird derzeit noch final geprüft. Wie lange wird der endgültige Freigabe-Prozess voraussichtlich dauern?

Nach meiner Schätzung kann der Prozess noch ein paar Wochen dauern, bevor das Dokument schliesslich als RFC erscheint. Die weitere Entwicklung kann man auf den Webseiten der IETF und des RFC-Editors verfolgen, wo das Dokument momentan in der Warteschlange liegt. Das Dokument befindet sich dort im Status "EDIT*A*R", was soviel heisst wie, dass (a) das RFC-Lektorat den Text noch editieren muss oder gerade dabei ist, (b) dass die IANA (Internet Assigned Numbers Authority) noch Parameter registrieren muss und (c) dass eine normative Referenz noch nicht veröffentlicht ist. Diese normative Referenz ist ebenfalls in der Queue. In der Warteschlange der IANA ist das Dokument allerdings noch gar nicht aufgetaucht. Was die IANA machen muss, ist in Abschnitt 11 des Drafts dokumentiert.

(Die Zustandsübergänge können hier verfolgt werden. Anmerkung der Redaktion.)

Wie wird sich die Art, wie wir das Internet nutzen, durch HTTP/2 verändern?

Mit HTTP/2 verbessert sich die Performance von Web-Applikationen. Insbesondere über schlechte Verbindungen können neue interaktive Web-Anwendungen praktikabel werden. Das wird sich speziell im Mobile-Bereich bezahlt machen.

Im Zusammenhang mit HTTP/2 ist immer wieder von Multiplexing die Rede. Wie funktioniert das genau und was bringt die Technik konkret?

Multiplexing dient vor allem der Effizienz bei der Signalübertragung. Konkret benutzen beim Multiplexing verschiedene Signalströme eine gemeinsame Ressource. In diesem Fall geht es um verschiedene Anfragen, die sich ein- und dieselbe TCP-Verbindung zwischen Client (Browser) und (Web-) Server teilen. Das kann gleichzeitig, beziehungsweise zeitlich überlappend, geschehen. Da heutige Websites oft aus sehr vielen einzelnen Objekten bestehen, ist dieser Fall sehr häufig. Deshalb macht diese Verbesserung sehr viel Sinn.

Sicherheit ist ein grosses Thema im Web. Wird das Web mit HTTP/2 endlich sicherer?

HTTP/2 selbst verbessert die Sicherheit a priori nicht. Allerdings haben Browserhersteller angekündigt, dass sie HTTP/2 nur über verschlüsselte Verbindungen wie HTTP über TLS alias “HTTPS“ aktivieren wollen. Das wird Betreibern von Webservern einen Anreiz geben, Verschlüsselung zu unterstützen und diese auch standardmässig zu aktivieren. Dadurch sollte das Web tatsächlich sicherer werden, zumindest gegenüber Mithörern. Manche werden jedoch einwenden, dass das Web dadurch schwerer zu kontrollieren und deshalb unsicherer wird.

Anderen könnte es hingegen helfen, Firmen etwa. Welche Vorteile ergeben sich für Unternehmensanwender durch HTTP/2?

Für die meisten Firmen werden sich vorderhand keine greifbaren Vorteile ergeben. Einige werden die neuen Möglichkeiten aber geschickt zu nutzen wissen, etwa für neue mobile Unternehmensanwendungen. Wenn sich HTTP/2 erst einmal auf breiter Front durchgesetzt hat, werden trotz intensiver Webnutzung deutlich weniger TCP-Verbindungen benötigt als heute, wodurch möglicherweise der ein- oder andere Firewall-Upgrade um ein paar Monate hinaus geschoben werden kann.

Unternehmen könnten also Kosten sparen. Und wie sieht es mit den privaten Anwendern aus?

Die Performance wird sich insbesondere bei der mobilen Nutzung verbessern, vorausgesetzt, man nutzt Browser und Websites, die HTTP/2 unterstützen. Populäre Websites und Content Distribution Networks (CDNs) werden HTTP/2 vermutlich bald einführen, wenn sie nicht ohnehin schon an einer Einführung des Standards arbeiten.

Wenn es Vorteile gibt, wird es wohl auch Nachteile geben. Welche Nachteile ergeben sich für kommerzielle, beziehungsweise für private Anwender Ihrer Meinung nach?

Wollen Unternehmen die neuen Möglichkeiten nutzen, so werden Software-Updates durchführen müssen. Sogenannte Middleboxes wie Load-Balancer oder bestimmte Firewalls, die den HTTP-Verkehr anschauen oder manipulieren wollen, sollten ebenfalls angepasst werden. Private Nutzer werden nicht viel Aufwand haben, denn Browser updaten sich heute normalerweise praktisch von selbst Für die meisten privaten Websites dürfte es keinen Unterschied machen, ob sie HTTP/1.1 oder HTTP/2 verwenden werden. Villeicht wird sich auch ihr Hoster um ein Update für sie kümmern.

Was müssen Webagenturen und Entwickler mit HTTP/2 beim Umgang beachten?

Wenn die Web-Server einmal HTTP/2-fähig sind, kann und sollte man gewisse Optimierungen aus der HTTP/1.1-Ära rückgängig machen: Seitenbestandteile wie Icons, Stylesheets und Skripte sollten nun wieder einzeln und von einem einzigen Hostnamen serviert werden. In HTTP/1.1 war es für die Performance besser, Icons zu sogenannten Sprites zusammenzufassen und Objekte auf verschiedene Hostnamen zu verteilen.

Was Ihre persönliche Einschätzung zu HTTP/2?

Der neue Standard ist eine gute Sache. HTTP wird heute für weit mehr als das Anschauen von Web-Seiten genutzt, und HTTP/2 wird die neuen Möglichkeiten einem breiteren Publikum zugänglich machen.

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