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Protonet: Zentralisierung gefährdet Ideale des Internets

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Protonet will mit Mini-Servern für KMUs durchstarten. Das Start-up hofft auf den Fachhandel. Das Konzept der Server könnte die Zusammenarbeit mit dem Channel aber erschweren. Services gibt es nämlich (noch) keine.

Maya ist kaum grösser als eine Teekanne. Ihr Aussenkleid strahlt in einem kräftigen Orange. In der Mitte einer schwarzen Gitterstruktur auf der Oberseite des sechseckigen Gehäuses ist ein einzelner Knopf angebracht. Ein sanfter Druck auf den Knopf und Maya erwacht zum Leben.

Maya ist das kleinste Mitglied von Protonets Serverfamilie. Das Hamburger Start-up hat es sich auf die Fahnen geschrieben, den weltweit einfachsten Personal-Server zu bauen. Für das Projekt sammelte das 2012 gegründete Unternehmen mit einer Crowdfunding-Kampagne vor rund zwei Jahren 3 Millionen Euro.

Selbstentwickeltes Betriebssystem auf Linux-Basis

Die Server sind im Grunde aufgebohrte NAS. Je nach Ausführung haben sie einen Intel Celeron, Pentium oder Xeon, 8 bis 16 GB Arbeitsspeicher und zwischen 250 GB und 12 Terabyte Speicherplatz. Zielgruppe sind Unternehmen mit 10 bis 50 parallel arbeitenden Nutzern.

Das selbstentwickelte Betriebssystem "Soul" bietet diesen Nutzern verschiedene Collaboration-Tools wie Chat, E-Mail, Kalender und Datenaustausch. Dinge, die man von Produkten von Google, IBM oder Cisco kennt. Nur das alle Daten in den eigenen vier Wänden bleiben. Soul basiert auf Linux Ubuntu. Das System bietet nach Angaben von Protonet "die Vorteile einer Cloud bei 100 Prozent Datenhoheit".

Dezentralisierung nennen das die Gründer. Denn: "Zentralisierung gefährdet die Ideale des Internets", sagte Philipp Baumgaertel, zuständig für Community und PR bei Protonet, während einem Redaktionsbesuch. Protonet glaubt damit den Nerv vieler kleiner und mittlerer Unternehmen getroffen zu haben. Bei Maya, Carlita und Carla bestimmt der Anwender selbst, wer mitliest und ob das Gerät überhaupt am Internet hängt.

Bei der Sicherheit setzt Protonet auf Open-Source. Die Server haben einen integrierten Virenschutz. Der Grund für eine Open-Source-Lösung: Lizenzgebühren. Protonet will, dass auf die Anwender nach dem Kauf eines Servers keine weiteren Kosten zukommen. Lizenzen für Sicherheitssoftware müssten regelmässig erneuert werden. Bei Open-Source falle das weg. Ausserdem seien Open-Source-Lösungen oftmals ohnehin am weitesten entwickelt, sagte Baumgaertel.

Ambitionierte Umsatzziele für 2015

Heute ist Protonet ein gutes Stück weiter. Im vergangenen Jahr lieferte das Unternehmen gut 1500 Server aus. Allesamt in Deutschland hergestellt. Der Blick auf die Umsatz- und Gewinnzahlen zeigt jedoch: Das reicht noch nicht. Aus dem angestrebten Ziel von 1,3 Millionen Euro Umsatz wurde 1 Million Euro. Demgegenüber stand 2014 1 Million Euro Verlust.

"Wir sind mit unserem Finanzierungsplan auf Kurs", sagte Baumgaertel dazu. Ein Start-up sei selten von Beginn an rentabel. Es brauche Mut zum Risiko.

Von diesem Mut scheint Protonet genug zu haben. Dieses Jahr will das Unternehmen 5 Millionen Euro umsetzen. Mit Gewinn rechnet Baumgaertel trotzdem nicht. Er erwartet wieder 1 Million Euro Verlust.

Chancen für den Fachhandel

Baumgeartel und auch sein bereits eingestellter Nachfolger Carsten Otte hoffen auf den Fachhandel, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Ihnen ist bewusst, dass ihr Ansatz unkonventionell ist und sie als Start-up nicht dieselben Sicherheiten bieten können wie etablierte Hersteller. Mit denen will Protonet aber auch gar nicht konkurrenzieren.

Den ersten Schritt in Richtung Channel in der Schweiz ging Protonet Anfang dieses Jahres. Seit Januar 2015 listet der Distributor Also Schweiz die Mini-Server. Alsos Managing Director Harald Wojnowski erklärte auf Anfrage der Redaktion, dass sich die Partnerschaft mit Protonet bisher durchaus gelohnt habe. Der Schritt habe den Erfahrungsschatz erweitert. Wojnowski gibt auch zu bedenken, dass ein Rundumsorglospaket wie es Protonet bietet für den Fachhandel ein gewisses Risiko berge. Schliesslich gebe es praktisch keine Services und somit nach dem Verkauf keinen weiteren Umsatz. Also kannibalisiere sein Geschäft aber lieber selbst, als es von anderen kannibalisieren zu lassen, begründete Wojnowski den Schritt.

Würden Endkunden erst einmal begreifen, dass man IT-Leistungen auch ohne Gedanken an Infrastruktur, Netzwerk und IT-Administratoren beziehen könne, würden Distribution wie auch Fachhandel schnell mit dem Rücken zur Wand stehen. Es mache deshalb Sinn, sich mit dem Produkt auseinanderzusetzen. Schliesslich würde diese neue Art Leistungen zu beziehen auch Alsos Cloud-Strategie und den Cloud-Marketplace unterstützen.

Neben Also bieten auch einzelne Fach- und Online-Händler Maya, Carlita und Carla an. Darunter auch einer der ganz grossen: Digitec. Der Online-Händler hat die Server ebenfalls seit Januar im Sortiment und plant einen weiteren Ausbau. Denn: "Kleine Server erfreuen sich erfahrungsgemäss einer grossen Beliebtheit", sagte Unternehmenssprecherin Stefanie Hynek auf Anfrage.

Als Grund für die Aufnahme ins Sortiment nennt Hynek die einfache Bedienung und die Unabhängigkeit von Drittherstellern. Protonet biete eine Komplettlösung, die ganz ohne Zubehör auskomme. Das eigene sich besonders für Projektarbeiten in kleineren Gruppen. Der Verkauf der Mini-Server laufe trotz allem noch eher verhalten. Hynek führt dies aber darauf zurück, das Protonet in der Schweiz noch zu unbekannt sei und sich erst einmal etablieren müsse.

Kaum Services in Sicht

Der Vorteil der Server, ihre Einfachheit, könnte ihnen gleichzeitig zum Verhängnis werden. Für die Konfiguration und Installation der Server braucht es praktisch kein Fachwissen. Auspacken, anschliessen, einschalten und los geht es. Der Verkauf ist also mit der Produktübergabe abgeschlossen. Support läuft über den Hersteller. Sonstige Services sucht man vergebens.

Klassisches Boxmoving also. Protonet will dieses Konzept künftig etwas aufweichen. Denkbar wäre laut Baumgaertel eine Zertifizierung für Partner, die es diesen erlauben würde, den Support zu übernehmen.

Partnerprogramm in Arbeit

Back-up-Dienstleistungen wären ebenfalls eine Möglichkeit, die Server um Services zu erweitern. Denn um das Back-up müssen sich die Anwender aktuell selbst kümmern. Dazu genügt im Grunde eine externe Festplatte.

Das Problem bei einem Back-up-Service: die Datenhoheit. Anwender würden Ihre Daten doch wieder hergeben und bei einem externen Anbieter sichern. Das will Protonet ja eigentlich verhindern. Baumgaertel und Otte blieben in puncto Partnerprogramm eher vage. Sie würden daran arbeiten, sagten sie.

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