Schwerpunkt Wearable Apps

"Wir werden um Wearables nicht herum kommen"

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Fritz Reust ist Geschäftsführer des Branchenverbands Swiss Mobile Association (Smama). Im Interview erklärt er, welche Chancen sich für Entwickler im Bereich Business-Apps für Wearables eröffnen und was der Verband für die Szene tun kann.

Fritz Reust ist Geschäftsführer des Branchenverbands Swiss Mobile Association (Smama).
Fritz Reust ist Geschäftsführer des Branchenverbands Swiss Mobile Association (Smama).

Inwieweit werden Wearables in den nächsten Jahren unseren Alltag beeinflussen?

Fritz Reust: Schwierig zu beantworten, ob unser Alltag durch Wearables massgeblich beeinflusst werden wird. Aber hätten Sie mich vor wenigen Jahren gefragt, ob Tablets eine Notwendigkeit seien, hätte ich geantwortet "wohl kaum". Für Fitness- und Gesundheitsdaten, etwa die Messung des Herzschlags, besteht ein grosses Potenzial. Generell erscheint die Gesundheit der Bereich zu sein, in dem sich Wearables und dazu passende Apps am raschesten durchsetzen werden. Apple wird - im positiven Sinn - wieder der Brandbeschleuniger sein und mit der Apple Watch wahrscheinlich wieder einen Trend setzen und Wearables auf breiterer Basis populär machen.

Welche Umsatzmöglichkeiten sehen Sie am Wearablesmarkt für Schweizer Entwickler?

Das lässt sich noch nicht beurteilen, da hierzu noch keine genauen Zahlen vorliegen. Der Markt ist auch sehr jung. Gemäss unserer Studie "App Economy Schweiz", die wir gemeinsam mit der Uni St. Gallen erarbeitet haben, ist der Schweizer App-Markt für Smartphones und Tablets besonders lukrativ.

Weshalb?

Wahrscheinlich weil Schweizer Kunden grundsätzlich bereit sind, mehr Geld für mobile Anwendungen auszugeben, als Kunden in anderen Ländern. Wir akzeptieren zum Beispiel Mobilfunktarife, die signifikant teurer sind, als die in unseren Nachbarländern.

Das klingt lukrativ für die Schweizer Entwicklerszene. Wie gross schätzen Sie denn die Entwickler-Community in der Schweiz im Bereich Wearable-Apps?

Von den über 100 Schweizer App-Entwickler-Firmen werden sich womöglich alle zusätzlich mit Wearables befassen. Wieviele Apps dafür aber umgesetzt werden, ist eine andere Frage.

Das klingt jetzt eher verhalten. Wäre das nicht ein Fall für den Branchenverband Smama? Dieser hat es sich auf die Fahnen geschrieben, das Mobile Business voranzubringen.

Unter unseren über 120 Mitgliedern haben wir Entwickler und Auftraggeber. Diese wollen wir zusammenbringen. Es ist aber nicht unsere Aufgabe, Geschäftsmodelle zu entwickeln. Dafür decken wir Trends frühzeitig auf und nennen deren Potenzial. Wir machen das in diesem Jahr mit fünf Fachevents. Der letzte behandelte die neuesten Tendenzen in der App-Programmierung und wurde von über 50 Interessierten besucht. Überdies begleiten und teilfinanzieren wir dieses Jahr drei Studien zum Thema Mobile Business. Auf unserer Website Smama.ch steht unseren Mitgliedern im Memberbereich zusätzlich eine Vielzahl von Informationen aus der ganzen Welt zur Verfügung.

Ein Trend sind Apps im Unternehmensumfeld. Welche Möglichkeiten sehen Sie für Wearables Apps hier?

Wearables und Apps können in der Prävention, etwa von Unfällen und bei der Risikovermeidung bei gefährlichen Arbeiten, eine Rolle spielen. Ein weiteres Beispiel wären Anwendungen für Augmented Reality (AR). Die AR-Brille Oculus kann und wird bereits für Simulationen in den Bereichen Design und Architektur eingesetzt. "Killeranwendungen" werden in den Bereichen Gesundheitswesen entstehen, insbesondere bei der Übermittlung von Daten, weitergeleitet vom Smartphone. So kann auch der Gesundheitszustand von Patienten aus der Ferne überwacht werden. Wearables bieten aber auch mehr Komfort für den Nutzer, da sie meist direkt am Handgelenk getragen werden. Eine Smartwatch muss nicht erst aus der Tasche gekramt werden, nur um eine SMS zu lesen.

Inwieweit lohnt sich das Programmieren von Unternehmensapps für Schweizer IT-Entwickler?

Die Entwicklung von B2B-Apps rechnet sich, da es sich um definierte Auftragsarbeiten handelt. B2C-Apps wie Games stellen eher ein Risiko für die Entwickler dar. Ausserdem ist der Konkurrenzdruck durch ähnliche Anwendungen oft sehr stark. So hat beispielsweise ein Schweizer Entwickler vor Jahren eine vergleichbare App wie das höchst erfolgreiche Evernote programmiert. Seine Variante konnte sich allerdings nicht am Markt durchsetzen. Es fehlt hier meist an Marketing und der Heimmarkt ist schlicht zu klein. Der Markt im B2C-Umfeld bewegt sich oft auch auf einer viralen Ebene.

Welche Anforderungen müssen speziell bei der Entwicklung von Wearables Apps im Unternehmensumfeld beachtet werden?

Bei Wearables Apps stehen der Nutzen und der Fun-Faktor im Vordergrund. Das gilt auch für Businessanwendungen. Ein Beispiel wären Bonifikationssysteme für Aussendienstler. Ausserdem ist die Usability massgebend für den Erfolg von Anwendungen. Ansonsten wird die App nicht oder nur durch Druck von aussen, etwa auf Befehl von Vorgesetzten, benutzt. Oder die App wird am Ende gar falsch angewendet. Alle Varianten sind nicht zielführend.

Was bedeutet das konkret?

Die Entwicklung von Business-Apps ist anspruchsvoll. Oft wollen Kunden und Entwickler zu viele Funktionen in eine Anwendung hineinpacken. Es macht meist mehr Sinn, verschiedene Applikation für jeweils eine Funktion zu realisieren. Agenturen sollten bei einem Projekt also zuerst genau die Bedürfnisse ihrer Kunden abklären. Die echten Bedürfnisse müssen in Beratungsgesprächen herausgeschält werden. Interessant ist, dass sich auch grosse traditionelle IT-Anbieter wie SAP und IBM intensiv mit Apps für Wearables auseinandersetzen.

Woran liegt das?

Weil ein interessantes Geschäft ansteht. Die Grossen fühlen sich von disruptiven Start-ups bedrängt. Die grossen Anbieter sind spät dran, werden aber den Markt voranbringen durch ihre Grösse und ihr breites Angebot. Sie können sich dadurch auch als innovativ präsentieren. Firmen wie SAP kommt auch die Marktentwicklung entgegen. SAP S/4 ist ein spannendes Beispiel dafür, dass mobile Anwendungen im E-Commerce und anderen Bereichen in denen Business Software gefragt ist immer bedeutender werden.

Bei Apps für Wearables geht es auch immer um den Schutz der Daten, die durch ihre Träger erzeugt werden. Wie sieht es mit dem Datenschutz aus?

Bei den Wearables Apps gelten die gleichen Datenschutz-Ansätze wie bei allen anderen Apps. Da stellt sich einfach die Frage, wohin die Daten gehen. Ich habe keine Probleme damit, dass mir die Smartwatch meine Herzfrequenz anzeigt. Wenn aber meine Gesundheitsdaten ohne Erlaubnis weitergereicht werden, dann schon.

Was müssen Entwickler also beachten, die beispielsweise eine App für eine Krankenversicherung schreiben? Inwieweit sind Softwareentwickler für den Datenschutz verantwortlich zu machen?

Es ist sicher wichtig, dass sich ein Entwickler mit der Datenschutz-Problematik befasst und seinen Auftraggeber darauf aufmerksam macht, etwa bezüglich des Erteilens der Erlaubnis der Datennutzung und der entsprechenden technischen Lösung. Aber grundsätzlich ist es ein Problem des App-Auftraggebers, etwa der Krankenversicherung, was sie mit den Kundendaten anstellt. Entwickler sind als nur für die technische Umsetzung der Datenschutzanforderungen verantwortlich.

Welche Herausforderungen sehen Sie noch im Bereich Wearables?

Das Hauptproblem sind die verschiedenen Betriebssysteme wie iOS, Android oder Windows und deren Software-Developer-Kits. Der Aufwand für Entwickler wird zwar nicht verdreifacht, aber doch massiv erhöht.

Mal Hand aufs Herz: Sind Wearables am Ende vielleicht doch nur ein Hype? Ein neues Spielzeug für gelangweilte iPad-Besitzer?

Spielzeug, warum nicht? Es gibt aber auch eine ganze Reihe von sinnvollen Anwendungen mit Wearables. Sie werden uns beschäftigen, ob wir wollen oder nicht. Sie können uns überwachen, oft zu unserem Vorteil oder sie können uns unterhalten und informieren. Eines ist klar: Wir werden um Wearables nicht herum kommen.

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