Grosse Sicherheitsrisiken

Wenn selbstfahrende Autos über Leben und Tod entscheiden

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von Ursula Uttinger, Präsidentin des Datenschutz-Forums Schweiz

Die datenschutzrechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit selbstfahrenden Fahrzeugen sind vielfältig. Doch eine Debatte darüber gibt es kaum. Ein Gastbeitrag von Ursula Uttinger, Präsidentin des Datenschutz-Forums Schweiz.

Die Technik, die in Autos steckt, wandelt sich rasant. Neue Autos ohne Einparkhilfen kommen kaum noch auf den Markt. Die Idee einer Arbeitsteilung zwischen Mensch und Auto – das Auto fährt selbstständig auf langweiligen Strecken wie Autobahnen, der Mensch übernimmt in der Stadt – wurde bereits verworfen. Der nächste Schritt sind autonome, selbstfahrende Fahrzeuge. Die Mobilität wird sich dadurch grundsätzlich ändern – und auch die Art der Fahrzeuge.

Das „Google-Auto“ hat in den USA bereits über 2 Millionen gefahrene Kilometer zurückgelegt. Dabei gab es nicht mehr Unfälle als mit Fahrzeugen, die Menschen lenken. In Kalifornien unterzeichnete der Gouverneur schon im September 2012 ein Gesetz, das "autonome Gefährte" erlaubt.

Selbstfahrende Autos auf Schweizer Strassen

Auch in der Schweiz gab es letztes Jahr einen ersten Versuch mit selbstfahrenden Fahrzeugen. Swisscom testete damals ein solches Auto, gemeinsam mit dem Eidgenössischen Departement für Umwelt, Verkehr, Energie und  Kommunikation und den Autonomos Labs, einem Spin-off der Freien Universität Berlin.

Interessiert war Swisscom vor allem an den Herausforderungen für die Kommunikationsnetze. Der Telko wollte zudem herausfinden, wie man Autos, Gegenstände, Verkehrsleitsysteme und Menschen vernetzen kann. Aktuell läuft im Wallis ein Versuch mit einem selbstfahrenden Postauto  – Auftraggeber ist dabei die Postauto AG zusammen mit der ETH Lausanne, der Stadt Sitten und dem Kanton Wallis.

Fahrzeugdaten sind überall verstreut

Es dürfte unbestritten sein, dass solche selbstfahrenden Fahrzeuge eine Vielzahl von Daten benötigen und gleichzeitig auch generieren. Wem aber gehören diese Daten? Oder - provokativer formuliert – wem gehört das Auto? Bereits heute generiert ein Fahrzeug permanent Daten. Angefangen beim Kilometerstand über Sevicedaten bis hin zum letzten Ölwechsel oder Assistenz- und Infotainmentdaten, etwa bei der Nutzung von Smartphones.

Daten über Fahrzeuge und indirekt über den Fahrzeughalter finden sich bereits heute beim Strassenverkehrsamt, dem Fahrzeugimporteur, dem Garagisten, allenfalls dem Leasinggeber etc. Nach einem Unfall sind Fahrzeugdaten, abhängig von der Schwere des Unfalls, unter anderem bei der Polizei, den beteiligten Versicherungsgesellschaften, der Staatsanwaltschaft und bei Gutachtern.

Sicherheit wird vernachlässigt

Bereits heute gibt es grosse Sicherheitsrisiken – Angriffe auf Fahrzeuge sind möglich. Hacker können via Bluetooth Bremsen oder Lenkrad manipulieren. In der Tendenz lässt sich feststellen: Je jünger ein Fahrzeug, desto höher die Angreifbarkeit durch Hacker (PDF, in Englisch). Bezüglich der Datensicherheit ist die Sensibilität der Fahrzeughersteller noch nachholbedürftig. Es wird zu wenig darauf geachtet, dass die Systemarchitektur nicht von aussen drahtlos beeinflusst werden kann.

Frühzeitig sollte man sich bei selbstfahrenden Fahrzeugen Gedanken machen, welche Daten benötigt werden und wie lange die Daten aufbewahrt werden dürfen. Raul Rojas, spezialisierter Professor an der Freien Universität Berlin für künstliche neuronale Netze, hat sich intensiv mit selbstfahrenden Fahrzeugen beschäftigt. Auch er ist der Meinung, dass man sich zu diesem Thema noch zu wenig Gedanken macht.

"Schadenminderung" bei Unfällen

Umso wichtiger wird das Thema Datenschutz und die Nutzung der Daten, wenn die Fahrzeuge aufgrund der Vernetzung bei einer Verwicklung in einen Unfall „richtig“ entscheiden sollen. Ein Fahrzeug wird in kürzester Zeit eine Vielzahl von Informationen verarbeiten. Wenn zwei Personen gleichzeitig die Strasse betreten und trotz Vollbremsung mindestens eine Person getötet wird, wie soll dann das Auto ausweichen? Und soll es überhaupt ausweichen?

Es besteht ein allgemeiner Konsens, dass ein selbstfahrendes Fahrzeug bei einem Unfall möglichst eine „Schadenminderung“ vornehmen soll. Ist ein Zusammenprall nicht vermeidbar, sollten statt zwei Personen nur eine Person getötet oder verletzt werden? Doch welche Person? Wer entscheidet bei einem selbstfahrenden Fahrzeug? Und welche Daten und Informationen dürfen für eine "Entscheidungsfindung" des Fahrzeuges überhaupt genutzt werden?

Datenschutzrechtliche Herausforderungen

Ein Auto der Zukunft kann das Alter der Personen "abschätzen". Aufgrund der Vernetzung werden allenfalls auch Daten über die Vermögensverhältnisse und mögliche Folgeschäden für die Versicherer eruierbar sein. Je nach Alter, Einkommen und Versicherungslösung kann die allfällig geschuldete Schadenssumme für Rentenleistungen unterschiedlich gross sein. Schnell handelt es sich um Zahlen im Millionenbereich. Nach welchen Kriterien ist ein Auto zu programmieren?

Auch wenn auf den ersten Blick Versicherer Unternehmen darstellen, darf nicht vergessen werden, dass die Schadenszahlungen letztlich auf Kosten der Versichertengemeinschaft gehen. Die Versicherung geht aus dem Bedürfnis hervor, Schadenereignisse, die für eine Einzelperson ruinös wären, auf ein möglichst grosses Kollektiv zu verteilen. Ursprünglich wurden Risiken durch Schadentragungsgemeinschaften getragen (Selbsthilfe), heute handelt es sich mehrheitlich um gewinnorientierte Aktiengesellschaften. Folglich ist es im allgemeinen Interesse, dass ein Schaden möglichst gering gehalten wird.

Die datenschutzrechtlichen Herausforderungen im Zusammenhang mit selbstfahrenden Fahrzeugen sind vielfältig, Lösungen müssen dringendst erarbeitet werden.    

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