Strategie des Bundes

"Wirtschaftsverbände müssten mehr für die Digitalisierung tun"

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Der Bundesrat hat kürzlich die Strategie "Digitale Schweiz" vorgestellt. Mit der gleichnamigen Initiative wollen auch die Schweizer Experten- und Marktplattformen (SEMP) die digitale Wirtschaftsentwicklung fördern. Weshalb erklärt Roger Gisi, Gründer der SEMP.

Der Bund hat eine Strategie für die Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft und Gesellschaft angekündigt. Die Strategie löst die 2012 verabschiedete "Strategie für eine Informationsgesellschaft in der Schweiz" ab. Zusätzlich zu der staatlichen Initiative gibt es auch privatwirtschaftliche Betrebungen, die Digitalisierung der Schweizer Wirtschaft voranzubringen. Wie etwa die gleichnahmige Initiative "Digitale Schweiz" der Schweizer Experten- und Marktplattformen (SEMP). Roger Gisi, Gründer der SEMP und Initiant von "Digitale Schweiz" erklärt im Interview, welche Chancen er in der Digitalisierung sieht und wie Wirtschaft und Staat die Digitalisierung vorantreiben können.

Die Strategie des Bundes will Wirtschaft, Wissenschaft, Forschung und Zivilgesellschaft mit einbeziehen. Wie stellen Sie sich die Umsetzung vor, und wo sehen Sie Verbesserungspotenzial?

Roger Gisi: Der Bund hat einen klaren Aktionsplan vorgelegt. Dieser ist sicherlich ambitiös, aber notwendig, wie bei jedem Projekt. Es wird auch auf das Engagement der Beteiligten ankommen. Alle relevanten Themen und Bundesstellen müssen dafür miteinbezogen werden. Ein Knackpunkt ist sicherlich noch die Finanzierung. Heute braucht jede Strategie Ressourcen für ihre Umsetzung. Da vermisse ich von vielen Seiten eindeutig Weitsicht und Priorisierung: vom Bundesrat, Parlament, von den Ämtern und auch den Kantonen und Gemeinden. Die Digitalisierung ist ein wichtiger Baustein unserer Zukunftsfähigkeit und unseres Wohlstandes. Die Budgetierung des Bundes muss deshalb klarer und konkreter formuliert werden.

Wie stehen Sie der Strategie "Digitale Schweiz" des Bundes gegenüber?

Wir sollten gemeinsam mit dem Bund für die Digitalisierung von Regierung, Wirtschaft und Gesellschaft einstehen. Wir müssen die Digitalisierung in einem 360-Grad-Winkel angehen. Also von der Regierung über die Wirtschaft bis ins Private. Es gilt, alle Stufen und Akteure in diesen Prozess miteinzubinden. Die digitale Transformation ist volkswirtschaftlich sehr bedeutend. Wir müssen uns gegenseitig, wo immer möglich, unterstützen. Die Informationsgesellschaft umfasst alle Sektoren und Akteure der Volkswirtschaft. Das heisst auch, dass sich alle einbringen und die neuen Technologien antizipieren und nutzen sollten. Die Dachstrategie des Bundesrates zeigt die Fülle von Schnittstellen mit anderen Strategien, Programmen, Initiativen und Projekten eindrücklich auf. Wir müssen zusehen, dass wir den Anschluss an die internationale Spitze nicht verlieren, respektive ihn wieder herstellen.

Wo sehen Sie Verbesserungspotenzial in der Digitalisierung in der Schweiz?

Einiges entwickelt sich mit grosser Dynamik. Betrachten wir aber die Fortschritte bei den technologischen Möglichkeiten, wie etwa künstliche Intelligenz, Nutzung von Big Data oder die Integration von Watson, stehen wir mit der Einbindung in die Wirtschaft erst am Anfang. Konkrete Verbesserungsvorschläge sind deshalb schwierig, da der Prozess noch nicht einmal begonnen hat. Das Vertrauen in die Digitalisierung ist die Grundlage für die Umsetzung unserer Initiative. Ausserdem müssen die für die Digitalisierung nötigen Veränderungen einfach zu realisieren sein. Die sogenannte Change-Kompetenz, also die Fähigkeit, Veränderungen umzusetzen, ist aber nicht unbedingt eine Schweizer Paradedisziplin. Wir sollten mehr Elan an den Tag legen, um schneller und einfacher auf das Niveau von "As-a-Service" und "Smart" zu kommen. Die Schweizer Wirtschaft steht im Wettkampf um die internationale Spitzenposition. Das betrifft uns alle.

Welche Rolle sollte die Wirtschaft bei der Digitalisierung der Schweiz einnehmen?

Zunächst müsste die Wirtschaft eine Standortbestimmung vornehmen und für sich folgende Fragen beantworten: Was braucht es für eine erfolgreiche Digitalisierung? An welchem Punkt steht die Digitalisierung der Schweizer Unternehmen? Und kann die Schweiz als gesamte Volkswirtschaft in der Digitalisierung international mithalten? Dies sind zentrale Themen und Herausforderungen. Was alles notwendig ist, haben wir in unserem "Digital Trust – Realisation Model" zusammengefasst.

Wie lauten Ihre wichtigsten Erkenntnisse daraus?

Zuerst braucht es sicher ein grosses Vertrauen in die Digitalisierung und den Kundenfokus. Beide Punkte müssen Teil des Geschäftsmodells von Unternehmen sein. Dann braucht es auch IT-Wissen sowie eine sichere IT-Infrastruktur mit hervorragenden Services und Technologie- und Change-Management. Dies alles in ein Unternehmen zu integrieren, ist eine enorme Herausforderung. Sie zu bewältigen, setzt voraus, dass die digitale Transformation in den Kern des Geschäftsmodells integriert wird. Ausserdem muss man sich auf allen Organisationsstufen intensiv damit beschäftigen.

Was können die Wirtschaftsverbände leisten?

Die Verbände und Organisationen machen leider viel zu wenig. Hier ergibt sich eine Nische. Als SEMP können wir die Marktteilnehmer aufklären, wie wir dies bereits in den Bereichen Cloud und Security tun. Die Wirtschaft wird aber so oder so gezwungen sein, den Weg der Digitalisierung zu beschreiten. Es gibt verschiedene Unternehmen, die mit ihrer Digitalisierungsstrategie sehr weit sind. Um die Digitalisierung der Schweiz voranzutreiben, brauchen wir aber noch den Staat und die Zivilgesellschaft. Denn die Digitalisierung reicht weit über die Technologien hinaus.

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