Dossier

IT-Markt Nr. 04/2015

Editorial von David Klier:

Die Grenzen verwischen

Dieses Jahr war ich zum ersten Mal am Mobile World Congress. Fünf Tage lang hielten mich Produktvorstellungen, Interviews, Keynotes und nicht zu vergessen die Schweizer Start-ups auf Trab. Gesehen habe ich trotzdem oder gerade deswegen nur einen Bruchteil. Die Messe ist riesig. Fast 2000 Aussteller präsentierten sich an der Fira Gran Via in Barcelona. Zwischen den knapp 100 000 Besuchern wuselten gut 4000 Journalisten durch die Hallen.

Was ist mir also geblieben von dem Spektakel? Das Smartphone. Natürlich, darum geht es bei der Veranstaltung. Aber jetzt, nach der Messe, schwingt etwas anderes mit. Ich werde das Gefühl nicht los, dass die IT und das Smartphone zusammenrücken, verschmelzen, eins werden. Das Smartphone hat sich in weniger als zehn Jahren in unsere Mitte gedrängt und ist kaum mehr wegzudenken. Hierzulande hat fast jeder eines. Die Zahlen kennen Sie. Doch damit endet es nicht.

"Das Smartphone ist die Fernsteuerung für Ihr Leben in der Zukunft", sagte Ralph de la Vega, CEO von AT&T Mobility & Business Solutions, in Barcelona. Das Smartphone als Schlüssel zur vernetzten Welt also. Doch damit endet es nicht.

Des Smartphones Helferschar wächst: Wearables. Am Mobile World Congress zeigte sich kaum einer der grossen Hersteller ohne die tragbare Technik. Überall gab es Fitnesstracker und vermeintlich intelligente Uhren zu sehen. Auf die Spitze trieb es Ariel Garten. Sie ist CEO von Interaxon und pries in Barcelona «Muse» an. Ein Stirnband, das Gehirnwellen misst und die Daten an ein Smartphone sendet. Ein EEG für unterwegs sozusagen. Garten und ihre Firma versprechen Käufern mentale Stärke, verbesserte kognitive Fähigkeiten, mehr Selbstverständnis. Doch damit endet es nicht.

Grosse IT-Unternehmen wie SAP wollen Wearables auf eine neue Stufe heben. Sie sollen Einzug halten in die Geschäftswelt. Sie sollen dem Smartphone nacheifern und uns Arbeit abnehmen, Arbeit erleichtern und Prozesse verbessern. Mehr Effizienz durch Selbstvermessung und «Intelligenz» am Handgelenk oder auf den Augen?
Ich könnte jetzt sagen, dass wir bisher ganz gut ohne solche ­Geräte klargekommen sind. Ich persönlich noch immer. Ich trage kein Wearable. Im Prä-Smartphone-Zeitalter kamen wir aber auch gut ohne das Smartphone zurecht. Ein Smartphone habe ich natürlich.

Vielleicht ist den Wearables ein ähnlicher Erfolg wie dem Smartphone beschieden. In dem Gewühl aus Internet of Things, Internet of Everything, Industrie 4.0 und Mobile First haben sie auf jeden Fall einen Platz in den vorderen Rängen. Die Grenzen zwischen den Geräten verwischen ohnehin. Und vielleicht brauchen wir die Geräte irgendwann gar nicht mehr. Die digitale Welt wird Teil unserer Kleidung, unserer Kaffeemaschine, Autos, Lebensmittel, Böden, Wände, Fenster, Wasser, Luft und unserer Körper. Die digitale Welt wird zur realen Welt.

Ich wünsche Ihnen viel Lesevergnügen mit unserer April-Ausgabe!
 

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