Hands-on

Samsung Galaxy S9+ unter der Lupe

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Mit dem Galaxy S9 und Galaxy S9+ bringt Samsung seine neuesten Flaggschiffe auf den Markt. Der Hersteller bewirbt besonders die neue Kamera, die über eine variable Blende verfügt. Die Redaktion hat das Galaxy S9+ getestet.

Das Samsung Galaxy S9+. (Source: Netzmedien)
Das Samsung Galaxy S9+. (Source: Netzmedien)

Jedes Frühjahr lanciert Samsung seine neuesten Galaxy-Flaggschiffe. Am MWC vorgestellt, erscheinen mit dem S9 und dem S9+ die entsprechenden Modelle für 2018. Die Redaktion hat das grössere Modell, das Galaxy S9+, getestet.

 

Gehäuse

Punkto Design bietet das Galaxy S9+ nur ein minimales Update gegenüber dem letztjährigen Vorgängermodell S8. Beide Handys sehen fast identisch aus, die Knöpfe sind am selben Ort, das zu den Seiten gekrümmte Glas auf der Vorder- und Rückseite liegt genauso gut in der Hand. Ein wichtiger Unterschied findet sich auf der Rückseite des Geräts: Der Fingerabdrucksensor ist neu unter der Kamera positioniert. Beim S8 befand er sich noch auf der rechten Seite. Er ist zwar immer noch etwas klein, nun aber deutlich besser erreichbar.

Eine weitere Änderung bietet nur das S9+: Das Handy hat eine zweite Kamera. Beim S9 bleibt es bei einer Linse. Das Gehäuse ist mit IP68 wasser- und staubgeschützt. Der interne Speicher (64 oder 256 Gigabyte) ist mit Micro-SD-Karte erweiterbar.

 

Display

Das Display des S9+ misst in der Diagonale 6,2 Zoll. Trotz seiner Grösse ist das Handy gut mit einer Hand bedienbar. Einzig die Bedienung der Elemente am oberen Bildschirmrand kann schwierig sein. Androids Benachrichtigungen, die vom oberen Bildschirmrand nach unten gewischt werden, lassen sich jedoch auch per Wischgeste mit dem Fingerabdrucksensor abrufen. Dies erhöht die Bedienbarkeit deutlich.

Das Display verfügt über eine Auflösung von 2960 x 1440 Pixeln, zu Beginn ist aber eine Auflösung von 2220 x 1080 Pixeln voreingestellt. Der Bildschirm ist das Highlight des Handys: Samsungs AMOLED-Screen bietet knackige, satte Farben und einen hervorragenden Schwarzwert. Es ist darüber hinaus auch HDR-fähig und kann entsprechende Videos, etwa über die Youtube-App, in High Dynamic Range darstellen. In den Einstellungen lassen sich verschiedene Bildprofile auswählen, die die Farben weniger kräftig, aber dafür realitätsgetreuer wiedergeben.

 

Fotos

Das Galaxy S9+ verfügt über zwei Rückkameras, die mit je 12 Megapixeln auflösen. Beide sind zudem optisch stabilisiert, was verschwommenen Bildern und verruckelten Videoaufnahmen vorbeugt. Die Zweitkamera ist für Teleaufnahmen gedacht, sie hilft aber auch beim "Live Focus"-Feature, bei dem der Hintergrund eines Subjekts unscharf gestellt werden kann.

Samsung bewirbt aber vor allem die Hauptkamera, die auch im kleineren S9 eingebaut ist. Die Linse verfügt über eine variable Blende, was man sonst nur von klassischen Kameras kennt. Die Öffnung kann zwischen f 2.4 und f 1.5 variieren.

Im Auto-Modus wechselt die Blende automatisch: f 2.4 ist die voreingestellte Blendenöffnung, f 1.5 kommt bei schlechteren Lichtverhältnissen zum Einsatz. Im Pro-Modus lässt sich die Öffnung manuell einstellen. Wie bei einer dedizierten Kamera ist so nun ausser ISO-Wert und Belichtungszeit auch die Blendenöffnung veränderbar.

 

ISO 50 | 1/350 Sek. | f 2.4. Schiesst man ein Bild im Pro-Modus, können ISO, Belichtungszeit und Blende separat eingestellt werden. (Source: Netzmedien)

 

 

ISO 50 | 1/350 Sek. | f 1.5. Lässt man ISO und Belichtungszeit gleich und wechselt nur die Blende auf f 1.5, wird das Bild deutlich heller. (Source: Netzmedien)

 

Die Kamera-App ist intuitiv gestaltet, per Wischgesten nach links und rechts sind die unterschiedlichen Kameramodi auswählbar. Nur im Pro-Modus, bei dem alle Kameraeinstellungen einstellbar sind, fallen die Bedienelemente etwas gar klein aus, sodass der Finger oft ins Leere drückt.

Das S9+ produziert scharfe Bilder mit kräftigen Farben. Beeindruckend ist, wie viel die Kamera auch bei schlechten Lichtverhältnissen aus dem Bild holt. Die Auflösung von 12 Megapixeln ist zwar nur Durchschnitt. Wer Smartphonekameras schätzt, wird mit Samsungs Neuer aber rundum zufrieden sein.

 

Nachtaufnahme mit dem Galaxy S9+ im Auto-Modus. (Source: Netzmedien)

 

Nachtaufnahme mit dem Galaxy S9+ im Auto-Modus. (Source: Netzmedien)

 

AR-Emojis

Samsung wirbt auch mit sogenannten Augmented-Reality-Emojis. Die Frontkamera ist dabei in der Lage, das eigene Gesicht in ein Emoji zu verwandeln und dann in Echtzeit mitzuverfolgen. Das Handy kann dann daraus automatisch Reaktions-GIFs erstellen, die sich in Nachrichten einbetten lassen. Die eigene Emoji-Verwandlung wirkt jedoch eher befremdlich als überzeugend.

 

 

Demonstration eines AR-Emoji, das die Frontkamera in Echtzeit mitverfolgt. (Source: Netzmedien)

 

Videos

Das S9+ schiesst nicht nur 4k-Aufnahmen mit bis zu 60 Bildern pro Sekunde, sondern bietet ausser einer regulären Zeitlupen-Funktion mit 1080p auch eine sogenannte Super-Slowmotion-Aufnahme. Diese Funktion ist vom letztjährigen Sony Xperia XZ Premium bekannt. Hierbei kann die Kamera in einem Video kurze Abschnitte von jeweils etwa 0,2 Sekunden in 960 Bildern pro Sekunde wiedergeben. Am besten gelingt dies im automatischen Modus, bei dem die Kamera erst in Super-Zeitlupe aufnimmt, wenn sie Bewegung im Bild erkennt. Für ein ansprechendes Ergebnis ist man allerdings auf viel Licht angewiesen. Ausserdem filmt das Handy Superzeitlupe nur in 720p.

 

 

Demonstration der Super-Slowmotion-Funktion des Galaxy S9+. (Source: Netzmedien)

 

Performance

Das Galaxy S9+ lief während der Testphase meist flüssig. Das Gerät stotterte aber manchmal beim Wechseln in den App-Drawer. Schwerwiegender war, dass das Handy einmal komplett einfror – erst nach mehreren Sekunden reagierte das Display wieder, nur um nach kurzer Weile erneut einzufrieren. Erst das Schliessen aller aktiven Apps löste das Problem. Es ist zu hoffen, dass Samsung hier mit Softwareupdates nachbessern kann – beides sollte bei einem Gerät dieser Preisklasse nicht vorkommen.

 

Audio

Das S9 und das S9+ bieten endlich Stereolautsprecher – weder das Galaxy S8, noch das Note 8 konnten Ton in Stereo wiedergeben. Der eine Speaker sitzt wie gewohnt auf dem unteren Rand des Handys, während der zweite oben in den Telefonhörer eingelassen ist. Das Smartphone gibt Sound kräftig und mit guter Raumfüllung wieder. Es kann sich im Soundbereich nun mit anderen Flaggschiff-Telefonen messen, die seit Jahren auf Stereolautsprecher setzen.

Die vielleicht grösste Überraschung am Gehäuse des Handys ist der Klinkenanschluss für Kopfhörer. Dies ist im Jahr 2018 keine Selbstverständlichkeit; immer mehr Hersteller verzichten auf die klassische Audio-Buchse. Kopfhörer lassen sich somit ohne Adapter an Samsungs neue Smartphones anschliessen.

 

Bixby

Samsung stellte vergangenes Jahr zusammen mit dem Galaxy S8 auch seinen Sprachassistenten Bixby vor. Dieser ist auch im S9+ integriert und verlangt einen Samsung-Account, damit man mit ihm interagieren kann. Bixby stellt eine Variante zum ebenso vorinstallierten Google Assistant dar – und Samsung muss sich erneut die Frage gefallen lassen, warum Nutzer Bixby den Vorzug geben sollten. So unterstützt Bixby zurzeit nur drei Sprachen: amerikanisches Englisch, Koreanisch und Mandarin. Ausserdem versteht Samsungs Assistent Fragen weniger gut als Googles Sprachdienst, wie sich im Test gezeigt hat.

Bixby-Funktionalität ist auch in die Kamera integriert. So kann Bixby Objekte erkennen, auf die man die Kamera hält. Dies klappte jedoch nur teilweise. Das grösste Problem an Bixby ist jedoch nicht die Soft-, sondern die Hardware: der Bixby-Button. Er befindet sich auf der linken Seite des Gehäuses, direkt unter der Lautstärketaste. In dieser Position kommt es oft zu versehentlichen Bixby-Auslösungen. Die Taste lässt sich in den Bixby-Einstellungen zwar deaktivieren. Einerseits muss man dafür aber einen Samsung-Account anlegen, und andererseits verliert der Button dann jegliche Funktion – ohne Software von Drittanbietern kann man ihm keine anderen Befehle zuweisen.

 

Unlocking

Das Galaxy S9+ lässt sich nicht nur per Fingerabdruck, sondern auch mit Gesichts- und Iriserkennung entsperren. Letztere funktionieren bei gutem Licht passabel, stossen aber bei dämmrigen Verhältnissen schnell an ihre Grenzen. Die schnellste Art, das Handy zu entsperren, bleibt der Fingerabdrucksensor. Und dadurch, dass Samsung den Sensor im Vergleich zum S8 umpositioniert hat, ist es auch die bequemste.

 

Batterie

Die Batterie des S9+ verfügt über eine Kapazität von 3500 Milliamperstunden. Trotz dieser Grösse ist die Akkulaufzeit durchschnittlich. Das voll aufgeladene Testgerät wies 24 Stunden später einen Akkustand von 15 Prozent auf und empfahl zu diesem Zeitpunkt, einen stromsparenden Modus einzustellen. Die Nutzung während des Tags umfasste vor allem Browsing, aber auch das Verschicken von Nachrichten, das Schiessen mehrerer Bilder sowie das Abspielen von einigen HDR-Videos über die YouTube-App.

Da sich der Bildschirm beim Anzeigen von HDR-Inhalten stark erhellt, sind solche Videos bei der Akkulaufzeit nicht zu unterschätzen. Nutzer, die ihrem Smartphone im Tagesverlauf viel abverlangen, haben die Batterie nach einem Tag ausgeschöpft. Immerhin bietet Samsung mit Quickcharge und kabellosem Aufladen schnelle und bequeme Auflademöglichkeiten.

 

Fazit

Das Galaxy S9+ ist zweifelsohne ein sehr gutes Smartphone – und erfüllt damit die Erwartungen. Es vereint das Beste, was Samsung zu bieten hat, und widersetzt sich mit der Beibehaltung der Audiobuchse sogar einem fragwürdigen Trend in der Branche. Die durchschnittliche Akkulaufzeit und besonders die Schwächen der Performance trüben dieses Bild allerdings.

Letztlich hat Samsung aber zu wenig sinnvolle Neuerungen implementiert, als dass eine uneingeschränkte Empfehlung ausgesprochen werden kann. Dies besonders auch, weil Samsung für das S9 100 Franken mehr verlangt als für das Vorgängermodell: Während das S8 mit 64 Gigabyte Speicher rund 800 Franken kostete, sind es beim S9 mit ebenso viel Speicher 900 Franken. Das S9+ beginnt gar zu einem Preis von 1000 Franken. Damit sind Samsungs neue Flaggschiffe nicht die teuersten Handys auf dem Markt - aber gerade in einer Zeit, in der auch deutlich günstigere Smartphones viel bieten, muss Samsungs Flaggschiff nicht erste Wahl sein.

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