Vis-à-vis

"Jeder unserer Partner kann globale Geschäfte abwickeln"

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Polycom steht vor einer grossen Veränderung. Mitel will die Firma übernehmen. Gleichzeitig steht ein Angebot eines Privatinvestors im Raum. Polycoms Country Manager Mischa Sturzenegger gibt eine persönliche Einschätzung und spricht über sein erstes halbes Jahr im Unternehmen.

Mischa Sturzenegger, Polycoms Country Manager für die Schweiz und Österreich. (Quelle: Netzmedien)
Mischa Sturzenegger, Polycoms Country Manager für die Schweiz und Österreich. (Quelle: Netzmedien)

Seit Januar sind Sie bei Polycom Country Manager für die Schweiz und Österreich. Ihre Position gab es vorher nicht. Warum?

Mischa Sturzenegger: Das ist so nicht ganz richtig. Die Stelle war lediglich nicht offiziell besetzt. Polycom hatte einen Major Account Manager, der die Stelle interimistisch innehatte. Der verliess Polycom aber letztes Jahr.

Wer war das?

Kemal Peker. Er wechselte im Oktober 2015 zu Palo Alto.

Warum hat Polycom die Stelle erst im Januar mit Ihnen neu besetzt?

Polycom wollte von Deutschland aus erst einmal den Verkauf stärken und die Stelle unbesetzt lassen. Polycom kam dann auf mich zu und bot mir die Position an.

Wieso ist Polycom auf Sie gekommen?

Ich wusste von der nichtbesetzten Stelle, Polycom wusste, dass ich eine Stelle suche. So kamen wir ins Gespräch.

Das liegt nun rund ein halbes Jahr zurück. Wie lief es bisher für Sie?

Sehr positiv. Ich durfte ein sehr motiviertes, frisches Team übernehmen. Es sind neue Leute, die hier in den letzten zwei Jahren sehr gute Aufbauarbeit geleistet haben.

Wie viele Mitarbeiter haben Sie denn?

Wir sind insgesamt zu viert. Mit Potenzial für mehr.

Das heisst, Sie wollen wachsen?

Selbstverständlich. Das ist eine meiner Hauptaufgaben. Gerade am Anfang sollte ich analysieren, wie der Markt in der Schweiz aussieht, wo wir uns verbessern können. Was machen wir gut? In welchen Bereichen können wir fokussierter vorgehen? Daraus entstand ein Wachstumsplan, wie wir in der Schweiz den Markt besser und intensiver bearbeiten wollen.

Und wie sieht der Plan aus?

Wir haben drei Pfeiler identifiziert, denen wir bisher zu wenig Beachtung geschenkt haben. Wir haben zwar ein sehr gutes Fundament im Grosskundengeschäft, aber den Midmarket haben wir ein wenig schleifen lassen. Mittlerweile besitzen wir ein Portfolio, das die Bedürfnisse dieses Segments abdeckt. Dementsprechend wollen wir uns nun darauf fokussieren.

Wie gehen Sie dabei vor?

Wir arbeiten mit neuen Partnern, binden bestehende ein, gehen mit Initiativen in den Markt. Wir kreieren Bundles aus eigenen Produkten und solchen unserer Technologiepartner. Etwa in Zusammenarbeit mit Microsoft.

Was sind die anderen zwei Pfeiler?

Das Voice-Geschäft etwa. Da hinkte Polycom in der Schweiz verglichen mit Deutschland in den vergangenen Jahren etwas hinterher. Polycom hat zwar ein sehr grosses Voice-Portfolio, das sich sehr gut in die Skype-for-Business- und die Open-SIP-Welt integrieren lässt. Aber die Voice-Serviceprovider – wir nennen sie ITSPs – gingen wir hierzulande in der Vergangenheit nicht wirklich an. Gleiches gilt für die Skype-for-Business- und Office-365-Integratoren. Die hatten wir schlichtweg nicht auf dem Radar.

Und das ändert sich nun?

Ja. Wir haben gemeinsam mit Microsoft die Weichen gestellt, damit wir in dem Bereich stärker werden.

Wie hat sich die Integration von Lync in Skype auf Polycoms Geschäft ausgewirkt?

Da hat sich eigentlich nichts verändert. Das war in erster Linie eine Namensänderung. Von Lync 2013 zu Skype for Business gab es natürlich auch softwaretechnische Upgrades. Aber für unsere Produkte entstanden keine grossen Hürden. Office 365 ist hingegen noch nicht in all unsere Produkte integriert. Bis Ende Juli wird das aber abgeschlossen sein. Inklusive Look & Feel von Skype for Business. Unsere Produkte bekommen das gleiche User-Interface.

Bevor Sie zu Polycom kamen, hatten Sie ja schon längere Zeit in der Collaboration- und Communications-Branche gearbeitet – Lifesize, Cisco. Wie unterscheidet sich Ihre neue Position bei Polycom von Ihren bisherigen Stellen?

Meine Aufgabe ist ähnlich. Ich sollte bei allen Herstellern den Markt entwickeln. Bei Polycom ist für mich das Voice-Geschäft eher neu. Ich komme aus der Video-Collaboration. Schön ist für mich bei Polycom, dass wir so ein kleines, agiles Team sind. Wir sind flexibel, können schnell auf die Bedürfnisse unserer Kunden eingehen. Polycom als Unternehmen interessiert sich sehr dafür, in welche Richtung der Kunde geht, was er will. Unsere Kunden haben ein gewisses Mitspracherecht bei der Produktentwicklung. Bei meinen früheren Arbeitgebern habe ich das nicht so erlebt.

Polycom ist derzeit in einer heiklen Phase. Mitel will Polycom kaufen, der Vertrag galt im Mai als mehr oder weniger gesichert. Ende Mai kam ein zweites, deutlich höheres Kaufangebot von der Private-Equity-Firma Siris Capital Group. Mitel wäre technologisch für Polycom die bessere Wahl. Bei Siris gäbe es mehr Geld.

Mitel und Polycom haben dieselbe Vision und würden sich auch hinsichtlich ihres Produktportfolios gut ergänzen. Aktuell sind beide Unternehmen noch völlig unabhängig voneinander. Zum Stand der Verkaufsverhandlungen sowie zu weiteren Angeboten kann ich zum jetzigen Zeitpunkt leider keine Aussage treffen.

Aber Mitel plant ja offenbar, Polycom als eigenständige Marke weiterzuführen. Trotzdem würde wohl nicht alles beim Alten bleiben. Wie würde sich Ihre Funktion verändern?

Ich gehe davon aus, dass sich meine Aufgabe nicht verändern wird. Mitel ist stark im Voice-Geschäft, in der Cloud, im Call Control. Die Synergien, die wir da knüpfen können, werden nicht zur Folge haben, dass sich unsere Rolle als Polycom in der Schweiz grundlegend verändert.

Was bedeutet das für die Schweizer Partner?

Mitel arbeitet wie wir indirekt. Ich kenne zwar Mitels Geschäftsmodell nicht im Detail, aber sie haben auch ein 2-Tier-Modell mit Distributoren und Partnern. Für unsere Partner bedeutet der Zusammenschluss eine Produkterweiterung. Wenn sie das wollen. Denn ich gehe davon aus, dass das optional sein wird. Wenn der Polycom-Partner sagt, er hätte gerne auch noch Mitel, dann werden wir das mit ihm anschauen können.

Also wird es voraussichtlich auch weiterhin ein eigenständiges Partnerprogramm geben?

Auch darüber kann ich momentan keine offizielle Aussage machen. Ich sehe das Ganze aber als grosse Chance für unsere Partner. Und das deckt sich auch mit dem Feedback, das ich bisher von unseren Partnern erhielt.

Wie viele Partner hat Polycom in der Schweiz?

Wir arbeiten in der Schweiz mit drei Distributoren zusammen. Das sind Ingram, Also und Axavis. Mit diesen Distributoren haben wir etwa 40 aktive Partner in der Schweiz.

Polycom generiert seinen Umsatz allein über diese Partner? Sie sagten ja, dass Polycom stark im Grosskundengeschäft sei. Gibt es da keine Direktkunden?

Polycom arbeitet zu 100 Prozent indirekt.

Wie sieht es bei der Partnerbetreuung aus? Läuft das alles über die Distributoren oder arbeiten Sie mit Partnern direkt zusammen?

Beides. Nicht alles läuft über die Distribution. Grosse, global tätige Partner wie Orange Business Services, BT oder Dimension Data betreuen wir direkt.

Gibt es in der Schweiz auch einen grossen Partner, mit dem Sie direkt zusammenarbeiten?

Grundsätzlich kann jeder unserer Partner globale Geschäfte abwickeln. Wir helfen auch einem kleinen Zwei-Mann-Betrieb dabei, grosse Projekte umzusetzen. Unser interner Service «Global Fulfillment» übernimmt solche Projekte im Namen der Partner. Kurz gesagt: Ja, wir haben in der Schweiz den einen oder anderen Partner, der sehr gross ist und gemeinsam mit uns grosse Projekte abwickelt.

Wie sieht ein guter Polycom-Partner aus?

Ein guter Polycom-Partner kennt unser Portfolio. Aber wir helfen ihm hier natürlich auch gern, sein Wissen zu erweitern. Uns fehlt derzeit ein Partner, der sich in all unseren Gebieten auskennt. Einer, der Skype for Business kennt, aber auch im klassischen Videobereich zuhause ist. Das wäre mein Wunschpartner.

Was bietet Polycom, was andere Hersteller im Collaboration-Umfeld nicht bieten?

Unser Portfolio unterscheidet sich nicht gross von dem unserer Mitbewerber wie etwa Cisco. Wir unterscheiden uns eher im Fokus. Wir konzentrieren uns auf visuelle Kommunikation und Audio-Conferencing. Das ist unser Fundament. Wir statten unsere Produkte mit Funktionen aus, die unsere Kunden benötigen, nicht mit solchen, die wir selbst "cool" finden. Wir hören auf unsere Kunden.

Warum sollte ein Schweizer Reseller mit Polycom zusammenarbeiten?

Ich glaube, unsere Lösungen bieten ein breites Spektrum an Möglichkeiten, um Kundenbedürfnisse zu befriedigen. Ein Reseller, der mit uns auf die Reise geht, ist mit einem innovativen Unternehmen unterwegs.

Was macht Polycom denn so innovativ?

Real Presence Centro. Das ist ein Videosystem mit vier Touch-Bildschirmen, die quadratisch angeordnet sind. In der Mitte sitzt eine 360-Grad-Kamera mit Speaker Tracking. Das System bietet eine neue Art von Meeting-Erlebnis. Es ist ein Teil des Arbeitsplatzes der Zukunft.

Wofür braucht man das? 

Die Anwendungszwecke sind unterschiedlich. In einem Trainingsbereich etwa sitzt man in einem U. In dem U könnte Centro stehen. Die physisch nicht Anwesenden sind so trotzdem im Zentrum und jeder Teilnehmer sieht sie. Man sieht so die Gestik der Videoteilnehmer eher.

Wie dringend brauchen Schweizer Firmen denn überhaupt Collaboration-Lösungen?

Collaboration beschränkt sich ja nicht nur auf visuelle Kommunikation oder eine Telefonkonferenz. Collaboration ist viel mehr. Die Unternehmen, die den Collaboration-Weg gehen – das sind mittlerweile die meisten –, machen das aus zwei Gründen. Sie wollen intern effizienter kommunizieren und sie wollen einen einfachen Weg, ein einfaches Tool haben, um mit anderen Unternehmen kommunizieren zu können. Letztlich muss es für den Anwender, der das Tool nutzt, einfach zu bedienen sein. Ich glaube, dass jedes Unternehmen Lösungen braucht, die das leisten. Es führt kein Weg an Collaboration vorbei.

Welchen Einfluss könnten hier Technologien wie Microsofts Hololens haben?

Genau solche Entwicklungen stimulieren unser Geschäft. Wenn wir die Hololens mit Video-Collaboration zusammenbringen können, wäre das sensationell. Visuelle Kommunikation ist ein Grundbedürfnis. Wir wollen uns gegenseitig sehen können. Wenn wir das auch noch holografisch darstellen und jemanden tatsächlich in den Raum holen können – genial!

Hat Polycom eine Entwicklerversion der Hololens bestellt? Das wäre ja eine gute Möglichkeit, zu experimentieren.

Das weiss ich leider nicht, aber ich gehe mal davon aus. Wir haben sehr viele Geeks in unserem Entwicklerteam. Die schauen sich alles an, was auf dem Markt ist.

Wie lautet Ihre Botschaft an den Schweizer Channel?

Bleibt am Ball! Das Arbeitsumfeld unserer gemeinsamen Kunden verändert sich gerade sehr schnell. Das ist für uns wie unsere Partner eine grosse Herausforderung. Wenn wir Hand in Hand auf die neuen Bedürfnisse unserer Kunden eingehen, werden wir auch in Zukunft gemeinsam erfolgreich sein.

Zur Person:
Mischa Sturzenegger ist seit 2016 bei Polycom als Country Manager für die Schweiz und Österreich tätig. In dieser Position verantwortet er die Strategieentwicklung in beiden Ländern und stimmt das lokale Geschäft mit den Gesamtunternehmenszielen ab.
Sturzenegger ist seit mehr als 15 Jahren in der Technologiebranche tätig und verfügt über umfassende Führungserfahrung. Vor Polycom arbeitete er bei Lifesize, Cisco, Tandberg und Equinix.
Der Schweizer studierte International Management an der Graduate School of Business Administration Zurich. Er lebt im Grossraum Zürich und arbeitet auch von dort aus.  Quelle: Polycom

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