Besuch im Handel

Mystery-Shopping: "Wo sind die Kameras?"

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Was müssen Kunden beachten, wenn sie eine Überwachungslösung suchen? Wie berät der Handel zum Thema Sicherheit? CEtoday hat mit Mystery-Shopperin Astrid T. den Praxistest gemacht.

Astrid T. lebt in Angst. Seit sie sich von ihrem Ehemann getrennt hat, fühlt sie sich nicht mehr sicher im eigenen Haus. Ihre Angst ist nicht unbegründet, in der Nachbarschaft treiben seit neuestem Einbrecher ihr Unwesen. Das Haus einer Freundin "besuchten" die Unbekannten bereits, die nächste auf der Liste könnte Astrid sein. Dagegen will sie vorgehen, wenn nötig mit einem kompletten Überwachungssystem.

Damit kennt sich die versierte Mystery-Shopperin aber noch gar nicht aus. Bisher beschäftigte sich ihr Ehemann mit Sicherheitsthemen. Preise für solche Systeme waren ihr jedenfalls unbekannt. Sie brauchte also Unterstützung vom Handel. Dieser sollte ihr die Vorteile von Überwachungssystemen aufzeigen. Und so besuchte sie in Begleitung von CEtoday EP- und Euronics-Händler, Melectronics, Interdiscount, Media Markt sowie zwei Sicherheitstechniker.

EP- und Euronics-Fachhandel

Als Erstes führte die Tour an diesem Montagmorgen zum EP-Fachhändler. Doch dort war Astrid fehl am Platz. Der junge Verkäufer, der sie beim Eintreten des Ladenlokals begrüsste, meinte: "Überwachungssysteme führen wir nicht." Sie hätten nur Videokameras, sagte der Verkäufer und zeigte diese auf dem sogenannten virtuellen Regal namens ­Virtual Shelf. Astrid solle es doch im Baumarkt oder Fust versuchen, riet der Verkäufer, dort finde sie vielleicht, wonach sie suche. Astrid bedankte sich, befolgte den Rat aber nicht. Stattdessen zog sie weiter zum nächsten Fachhändler. Doch der Euronics-­Fachhändler die Strasse runter hat an Montagen jeweils zu.

Melectronics

Nach einer Stunde war sie so weit wie zu Beginn ihrer Mystery-Shopping-Tour und immer noch völlig ahnungslos. Also ging sie weiter zu den Retailern und Discountern. Beim gut besuchten Melectronics waren keine Verkäufer verfügbar. Deshalb ergriff As­trid sofort die Gelegenheit, als eine Verkäuferin um die Ecke eilte, und sprach diese an. Die Verkäuferin war zwar mitten in einem anderen Verkaufsgespräch, versprach Astrid aber, danach für sie zur Verfügung zu stehen. Knapp zwei Minuten später kam sie denn auch auf Astrid zu und fragte sie nach ihren Wünschen. "Ich suche ein Überwachungssystem zum Schutz meines Hauses", erklärte Astrid, ohne genau zu wissen, was sie dafür alles braucht. Die Antwort fiel erneut knapp und unbefriedigend aus: "Melectronics führt so was nicht, versuchen Sie es doch im Interdiscount weiter vorne."

Interdiscount

Enttäuscht zog Astrid von dannen und zum nahegelegenen Interdiscount. Dort wurde sie gleich von zwei Mitarbeitern begrüsst, wobei einer von beiden nach ihren Wünschen fragte, die offenbar besonders ausgefallen sind. Der Verkäufer wirkte verunsichert und erklärte: "Wir haben keine Überwachungssysteme. Aber ich weiss von Überwachungskameras, die ich erst kürzlich ins Regal gestellt habe. Jetzt muss ich nur noch wissen, wo …" Darauf zog er durch die Gänge des kleinen Interdiscounts, bis er schliesslich vor drei Indoor- und Outdoor-Überwachungskameras von D-Link stand. Er beschäftigte sich eingehend mit den Produktdetails am Preisschild und erwähnte die integrierte WLAN-­Funktion der Kameras wie auch die App für Smartphone oder Tablet. Alle drei Kameras waren zum Aktionspreis erhältlich, die Preise variierten deutlich von 60 bis über 200 Franken. Die Unterschiede erklärte der Verkäufer, nachdem er eine Zeit lang die Verpackungsangaben studiert hatte, mit der besseren Auflösung mancher Kameras. Astrid quälte den Verkäufer mit einer letzten Frage. Sie wollte wissen, ob sich die Kameras miteinander verbinden lassen, um ein Überwachungssystem aufbauen zu können. "Wahrscheinlich schon", meinte der Verkäufer unschlüssig. Astrid solle doch die D-Link-App auf dem Smartphone ausprobieren, dann könne sie sich mit den Kamerafunktionen vertraut machen. Damit rettete sich der überforderte Verkäufer aus dem Verkaufsgespräch und verabschiedete sich von Astrid. Zwar hatte sie nun erstmals Überwachungskameras in der Hand, über deren Funktionen wusste sie aber weiterhin nicht Bescheid.

Media Markt

Ohne grosse Hoffnung auf Besserung zog ­Astrid weiter zu Media Markt. Dort waren nur wenige Kunden anwesend, weshalb sie schnell eine freie Verkäuferin fand, die sie zu den Überwachungskameras führte. Ausgestellt waren drei Kameras von Logitech für den Innen- und Aussenbereich, die zu vergleichbaren Preisen wie die D-Link-Geräte angeboten wurden. Astrid wollte nun wieder wissen, ob sich die Kameras miteinander zu einem System verbinden lassen, worauf die Verkäuferin Hilfe bei einem Kollegen suchte.

Der kannte sich offenbar mit dem Thema aus und erklärte: "Die kann man natürlich miteinander verbinden, auch Outdoor- und Indoorkameras. Dafür braucht es aber die etwas teurere Masterkamera." Die hätten sie aber erst nächste Woche wieder an Lager. Er erwähnte die integrierten Sensoren, dank derer sich etwa einstellen lässt, dass bei Bewegungen sofort Bilder ans Smartphone gesendet werden. Dann hätte Astrid auch von unterwegs den vollkommenen Überblick über das Zuhause. Als Speicher für die Bilder könne sie zwar ein NAS-Gerät kaufen (das Astrid bereits von früheren Mystery-Shopping-Touren her kannte), der Speicher des Heim-PCs sollte aber in den meisten Fällen ausreichen, meinte der Verkäufer. Wäre dieser nicht mitten in einem anderen Verkaufsgespräch gewesen, hätte Astrid ihm zahlreiche weitere Fragen gestellt. Er war bis zu diesem Zeitpunkt der Mystery-Shopping-­Tour der Überwachungsspezialist schlechthin. Zudem erwähnte er, was es sonst noch braucht für ein Überwachungssystem, wollte ihr aber nicht das teure NAS-Gerät andrehen. "Soo! muss Beratung!", bilanzierte As­trid vergnügt.

Sicherheitstechniker

Jetzt wollte sie es aber noch genauer wissen und suchte im Internet nach Sicherheitsspezialisten. Zwei wählte sie aus. Der Erste von beiden war allerdins eine Niete. Astrid fand unter der angegebenen Adresse ein ­leeres Ladenlokal vor, das zur Filiale einer ­Modekette umgebaut wurde. Der Sicherheitstechniker war wohl umgezogen oder pleite gegangen, dachte sich Astrid.

So zog sie weiter zum nächsten Techniker, den ihr Google als Experten in der Nähe vorschlug. Als sie bei der angegebenen Adresse ankam und vor einem Wohnblock stand, schien sie wieder kein Glück zu haben. Doch nachdem sie die Türklingel gedrückt hatte, öffnete ihr ein Mann mittleren Alters, liess sie in die Wohnung eintreten und versicherte ihr, dass sie sich nicht in der Adresse geirrt habe. Normalerweise berate er seine Kunden per E-Mail und telefonisch oder komme zu ihnen nach Hause, um eine genaue Bedarfsabklärung zu erstellen, erklärte er. Aber er könne Astrid auch gerne bei sich zuhause seine Sicherheitssysteme vorstellen, einziges Problem sei die momentan schlechte Internetverbindung, weshalb er nicht alle seine Unterlagen präsentieren könne.

Astrid war positiv überrascht. Der Mann nahm sich viel Zeit trotz unangekündigten Besuchs. Während einer halben Stunde, in der Astrid es sich am Esstisch des Sicherheitstechnikers bequem machte, erklärte er ihr zwei bidirektionale Funksysteme anhand von Katalogen.

Ein solches System besteht aus Zent­rale, Bewegungsmelder mit integrierter Kamera, Bewegungsmelder ohne Kamera, magnetischem Bewegungsmelder für Fenster­rahmen, Sirene, Gas- und Rauchmelder sowie verschiedenen Notrufsystemen etwa fürs Handgelenk. Für die Aussenüberwachung gebe es weitere Bewegungsmelder, Lichtschranken und mehr. Das war deutlich mehr als der Handel anbieten konnte. Ein Grundset bestehend aus wenigen Komponenten könne jederzeit ausgebaut werden, erklärte er weiter. Mit dabei sei auch ein Bedienteil, die Anlage könne aber auch per App gesteuert werden.

Die Bedienung des Systems falle denkbar simpel aus, erklärte der Techniker und belegte seine Aussage, indem er die Produkte aus einem Musterkoffer holte und einzeln erklärte. Auf Wunsch seien auch spezielle ­Anfertigungen möglich, für einen Kunden habe er etwa auch schon eine zusätzliche Touch-Bedienung kreiert. Möglich sei auch der Einbezug weiterer Haussteuerungselemente wie etwa die Lichtsteuerung. Er wies zudem darauf hin, dass die Kameras nur Standbilder senden. Für Videos brauche es zu viel Speicher und eine grössere Bandbreite.

Die meisten seiner Kunden könnten sich nicht vorstellen, was es alles für ein Überwachungssystem braucht. Am sinnvollsten wäre es deshalb, das Projekt vor Ort anzusehen. Er biete kostenlose, aber keine detaillierten Kostenvoranschläge. Bei detaillierten Informationen würden sich die Kunden von ihm beraten lassen und dann die Produkte bei billigeren Anbietern suchen. Er biete zudem einen Rundum-Service aus der Ferne oder vor Ort. Letztlich müsse Astrid für einen Komplettschutz ihres Hauses wohl mit 4000 bis 7000 Franken rechnen. Ein Bewegungsmelder mit integrierter Kamera koste allein schon 650 Franken. Deutlich mehr als die Kameras bei Interdiscount und Media Markt. Aber das war auch eine andere Liga.

Fazit

Astrid beendete die Tour mit gemischten Gefühlen. Bei Media Markt traf sie auf einen versierten Verkäufer, bei Interdiscount auf Ahnungslosigkeit. Und der Fachhandel konnte gar nichts bieten. Nach dem Besuch des Sicherheitstechnikers wusste sie aber Bescheid über die Thematik. Wahrscheinlich würde sie sich auch für ihn entscheiden, trotz des hohen Preises. Ihre Angst würde sie nicht mit einer ungenügenden Lösung los, die ihr ein ahnungsloser Verkäufer andreht, dachte sie. Zudem würde sie dem Rundum-Service des Spezialisten vertrauen.

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