Marktübersicht

Mit Rechenzentren das Business erweitern

Uhr | Updated
von George Sarpong

Daten seien das neue Gold, titelten vergangenes Jahr verschiedene Schweizer Medien. Von der neuen Währung des Wohlstands wollen auch die IT-Reseller und Systemintegratoren profitieren. Bisher sieht es nach einem grossen Geschäft ausschliesslich für die Rechenzentrenbetreiber aus. Doch mit Einfallsreichtum eröffnen sich viele neue Möglichkeiten für die restlichen Player am IT-Markt.

Auszug RZ-Marktübersicht
Auszug RZ-Marktübersicht

Sie sind die Geldspeicher der IT, Daten sind ihre Währung: Rechenzentren (RZ). Überall in der Schweiz werden derzeit neue Datacenter geplant, fertiggestellt oder in Betrieb genommen. Die Schweiz ist besonders interessant für RZ-Betreiber, zumindest solange das Land nicht der EU beitritt und deren Datenschutzrichtlinien übernimmt. Ein weiteres Argument für den Standort Schweiz ist das Stromnetz, das laut Experten eines der stabilsten der Welt ist. Kurz: Die Schweiz hat das Potenzial, das Rechenzentrum der Welt zu werden.

Die aktuelle Marktübersicht will ohne Anspruch auf Vollständigkeit einen Überblick über die RZ-Landschaft in der Schweiz und deren Geschäftsmöglichkeiten bieten. Immerhin wächst dieses Geschäft seit fünf Jahren mit zweistelligen Prozentwerten. Und bis 2015 soll sich der Umsatz im RZGeschäft verdoppeln, wie die Marktforscher von Tariff Consultancy festgestellt haben. Der Boom hat neben dem starken Schweizer Datenschutz auch weitere Ursachen: Unternehmen virtualisieren ihre IT und lagern diese zunehmend aus. Gerade Schweizer Unternehmen scheinen hierbei sehr aktiv vorzugehen. In der DACH-Region werden doppelt so viele Outsourcing-Leistungen in der Schweiz erbracht wie in Österreich, wie eine Studie von PAC belegt. Cloud Computing verändert in den nächsten Jahren die IT-Landschaft bei Wirtschafts- und Privatanwendern. Und seien es Infrastructureas- a-Service, Softwarelösungen on Demand oder auch Endkunden-Dienste wie Googles neue Musik-Cloud, alle brauchen sie Server, und diese müssen irgendwo stehen und reibungslos funktionieren. Dafür braucht es die richtige Umgebung.

Aufallend viele Rechenzentren stehen im Raum Zürich. Rund ein Drittel der Schweizer Rechenzentren sind zwischen Rigi, Zürichsee und Limmat angesiedelt. Diese sind aber schwer zu finden. Unaufälligkeit gehört zum Geschäft. Das führte dazu, dass zum Beispiel HP und Yahoo keine Auskünfte über ihre Rechenzentren erteilen, und andere Anbieter bisweilen recht barsch auf Anfragen reagierten. Die eigentlichen Rechenzentren sind unscheinbare Gebäude, meist niedrig gebaut, und beherbergen die Serverfarmen beispielsweise von Banken, On-Demand-Services oder Industrieunternehmen. «Wir bauen Wohnungen », sagt Frank Schaffner von Interxion, einem RZ-Betreiber mit fast dreissig Standorten weltweit. In der Schweiz ist das Unternehmen mit einem RZ vertreten, wo es Colocation-Services anbietet. Colocation bietet Kunden, zum Beispiel Outsourcern oder Banken, die Möglichkeit, ihre eigenen physischen Server in Datencentern direkt ans Internet anzuschliessen. Das kann ein Rack für einen Blade-Server oder ein eigener Serverschrank sein. Auch eigene Abteile lassen sich mieten und mit Sichtschutz und Kameras abschirmen. Ideal für Technologie- und Finanzunternehmen.

Die Mieter profitieren von einer hochwertigen Infrastruktur für ihre Server und letztlich auch für ihre Daten. Das heisst, hohe Gebäudesicherheit durch eigenes Wachpersonal, unterbrechungsfreie Stromversorgung und optimale Kühlung für Server. Die Server sind wiederum mit Breitbandanschluss ans Internet angeschlossen. Zum Beispiel für Finanzunternehmen in der Z ürcher City, die ihre Daten in die Agglomeration auslagern. Gemäss Finanzabkommen Basel II sind sie dazu verpflichtet, ihre Daten an einem zweiten Ort zu spiegeln. Die Verkehrsanbindung übernehmen die Carrier. Diese verbinden das Rechenzentrum über Glasfaser leitungen, zum Beispiel von Swisscom, Colt oder Lightcom, mit der Aussenwelt. Wer sich bei einem Swisscom-Rechenzentrum einmietet, wird wohl auch weitere Telekommunikationsdienstleistungen über Swisscom beziehen. Die carrierneutralen Rechenzentren kooperieren hingegen mit mehreren Telekommunikationsdienstleistern. Wer also Offerten von verschiedenen Rechenzentrenanbietern einholen möchte, um Kosten zu sparen oder die richtige Bandbreite sucht, ist bei den carrierneutralen Rechenzentren richtig.

Neue Servicemöglichkeiten

Darüber hinaus gibt es Carrier, die ihre Daten über die Leitungen der anderen transportieren. Zu diesen Anbietern zählen Unternehmen wie Level 3 oder auch Business Orange. Sie bedienen sich der sogenannten Dark-Fibre-Leitungen. Das erweitert die Geschäftsmöglichkeiten für die Telko-Anbieter. Die einen vermieten Bandbreite an Endkunden und weitere Telko-Anbieter. Die anderen, die Dark- Fibre-User, können wiederum durch kluge Wahl der primären Anbieter gute Angebote für ihre Partner und Endkunden aushandeln. Die wenigsten Unternehmen werden die Kombination aller Möglichkeiten selbst durchführen wollen. Sie werden auf IT-Consulting zurückgreifen. Aufträge also für IT-Dienstleister. Speziell für Letztere könnte sich dadurch statt einer Kompensation für entfallene Gewinne durch die Verlagerung von IT in die Cloud ein neues Marktsegment auftun. Oder sie bieten die Cloud-Technik als Dienstleistung gleich selbst an. VMnet beispielsweise bietet Infrastructure-as&Service. Das Unternehmen offeriert seinen Kunden virtuelle Maschinen, die per Abo-Modell gemietet werden können. Der Kunde greift dann via Browser auf diese Rechner zu. Die virtuellen Maschinen basieren in diesem Fall auf der Netzwerktechnik von Cisco, VMware und Netapp. Unternehmen, die ihre Ware über den Channel vertreiben. Wer also Netzwerktechnik vertreibt, verdient am Rechenzentrengeschäft, ohne direkt daran beteiligt zu sein. Ein anderes Business ist, sich als Rechenzentrum im Rechenzentrum einzumieten. So betreibt beispielsweise Begasoft als Partner bei Colobern Süd seine Infrastruktur.

Der PUE-Wert

Rechenzentren brauchen viel Energie für Server und für die Kühlung. Rechenzentrenbetreiber sind sich ihres immensen Strombedarfs bewusst und fanden Lösungen, um umweltbewusst arbeiten zu können, zum Beispiel durch den Bezug von Ökostrom. Auf diese Weise verpassen Rechenzentren ihren Unternehmen nicht nur ein grünes Image, sie senken auch ihren CO2-Ausstoss. So emittiert beispielsweise Interxion statt rund 3000 Tonnen CO2 neu nur noch 170 Tonnen Kohlendioxid. «Was fehlt, sind entsprechende Energieeffizienz-Labels in der IT», erklärt Schaffner die aktuelle Situation. Die USUmweltschutzbehörde EPA will zwar bald das Energy-Star-Label auf Rechenzentren adaptieren, wann das sein wird, weiss aber keiner so genau. Was es bereits gibt sind Initiativen wie Myclimate, die Unternehmen helfen, ihren CO2-Ausstoss zu kompensieren.

Eine weitere Initiative ist «The Green Grid». Diese, ursprünglich von AMD, Hewlett Packard, Cisco, IBM und Sun ins Leben gerufene Initiative, setzt sich aus Fachleuten von IT-Unternehmen und IT-Anwendern zusammen, die das Ziel verfolgen, den Energieverbrauch in Rechenzentren zu senken. Das soll über standardisierte Messkriterien geschehen. Dafür hat The- Green-Grid zwei Bewertungskriterien für den Energie verbrauch und die Bewertung der Energieausnutzung vorgeschlagen: Die Power Usage Effectivness (PUE) und die Datacenter Infrastructure Efficiency (DCiE). Über diese Grös sen sollen Rechenzentrenbetreiber eine Energiebilanz erstellen und die Ergebnisse mit dem Energieverbrauch anderer Rechenzentren vergleichen können. Das führt dazu, dass die Rechenzentrenbetreiber nun gerne mit ihrem PUE-Wert werben. Daher ist dieser Wert eher als Richtgrösse zu verstehen. Sinnvoller ist es, das Rechenzentrum seiner Wahl zu fragen, ob es auf erneuerbare Energien setzt.

Rechenzentren kosten mehrere dutzend Millionen Franken. Die Summen werden gebraucht für Stahlbeton, Kältetechnik und Security, Netzwerktechnik und die Stromversorgung. Bauunternehmer müsste man sein.

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