Porträt

"Schweizer Clouds sind unsinnig"

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Vom kleinen Beratungsbüro zum Collaboration-Spezialisten mit Kunden in ganz Europa. Reto Meneghini hat es geschafft. Er und sein Team. Ihren Erfolg verdanken sie der Cloud. Aber keiner hiesigen.

Reto Meneghini, Mitgründer und Geschäftsführer von Mondaycoffee. (Quelle: Netzmedien)
Reto Meneghini, Mitgründer und Geschäftsführer von Mondaycoffee. (Quelle: Netzmedien)

Es ist das Jahr 2000, die Dotcom-Blase ist zum Zerreissen gespannt. Erste Anzeichen im Markt deuten auf den Knall hin, der die Zeit voller Wachstum mit einem Schlag beenden wird. Reto Meneghini sieht die Zeichen nicht. Er gründet eine IT-Firma. Gemeinsam mit zwei Partnern und zwei Mitarbeitern legt er los. Dann platzt die Blase.

Meneghini sitzt in einem kleinen Meetingraum. Gläserne Wand und Tür im Rücken, weich gepolsterte Loungesessel, tiefer Beistelltisch. "Es war kein guter Zeitpunkt, um eine IT-Firma zu gründen", sagt er. Die ersten zwei Jahre, nachdem die Blase geplatzt war, seien sehr hart gewesen. Er und seine beiden Partner verzichteten zeitweise auf einen Lohn, damit sie ihren beiden Mitarbeitern ein Gehalt zahlen konnten.

Auf dem Tisch steht eine angebrochene Wasserflasche. Gläser fehlen. Jenseits der Glaswand stehen vereinzelt dunkle, geräumige Schreibtische. Die meisten sind leer. "Freitag ist Homeoffice-Tag", sagt Meneghini. Wer von den heute 40 Mitarbeitern will, kann sich auch an jedem anderen Tag von zuhause aus einklinken. "Wer arbeiten kann, wo er will, ist effizienter und produktiver."

Meneghini selbst arbeitet zu 50 Prozent im Homeoffice, wie er sagt. Sein Homeoffice liegt 40 Kilometer vor Lissabon, Portugal. Er sei immer eine Woche dort und dann wieder eine Woche in Zürich.

Whatsapp, Dropbox und E-Mail in einem

Im Büro in Zürich – eigentlich Urdorf – sei nur montags wirklich viel los. Passt zum Namen der Firma. Mondaycoffee. Den habe er von einem seiner ehemaligen Arbeitgeber stibitzt. Dort gab es jeden Montag ein Meeting am Morgen, das so hiess.

Mondaycoffee ist heute auf Collaboration spezialisiert, wie Meneghini sagt. Die Firma ist Microsoft-Partner und konzentriert sich auf Office 365. Auf dessen Basis entwickelte das Mondaycoffee-Team zwei Produkte. Coffeenet und Espressonet. "Unsere Produkte vereinen im Grunde die Funktionen von Anwendungen wie Whatsapp, Dropbox, Youtube, Slack und E-Mail", sagt er. Alles aus Microsofts Cloud. Coffeenet ist für grosse Unternehmen ab etwa 100 Mitarbeiter, Espressonet für KMUs konzipiert.

Im Jahr 2000 gab es aber weder Office 365 noch eine Microsoft-Cloud. Meneghini, seine Partner und Mitarbeiter verkauften damals ihre Arbeitszeit, wie er sagt. Sie waren Berater und Integratoren, spezialisiert auf Software. "Hardware haben wir nie wirklich verkauft", sagt Meneghini.

Durch Sharepoint näher an die Kunden

Damals begannen sie praktisch jedes Projekt auf der grünen Wiese. "Wir gingen zum Kunden und fragten ihn, was er wollte." Dann plante das Team, entwarf ein Konzept, stellte die passenden Lösungen zusammen. Nach ein, zwei Jahren etwa bemerkte Meneghini, dass die Projekte immer sehr ähnlich abliefen. "Unsere Kunden hatten praktisch alle die gleichen Bedürfnisse", sagt er.

Dann kam Sharepoint. Mondaycoffee wurde einer der ersten Schweizer Partner für das Tool, wie Meneghini sagt. Die Lösung habe vieles vereinfacht. "Wir begannen, ein Standard-Framework aufzubauen." Das habe neue Türen geöffnet. "Mit dem Framework konnten wir unseren Kunden den Nutzen für den einzelnen Anwender zeigen", sagt Meneghini. Künftig sprach das Mondaycoffee-Team seltener mit den IT-Verantwortlichen und häufiger mit Managern, Abteilungsleitern, Geschäftsführern. Das Team rückte näher an die Kunden heran, verstand sie besser.

Das Standard-Framework ist inzwischen abgelöst. Als Microsoft im Jahr 2011 Office 365 vorstellte, drängte Meneghini seine Entwickler, das Framework in Office und somit in Microsofts Cloud zu integrieren. Die Entwickler wehrten sich. Durch den Wechsel in die Cloud würden viele Funktionen verloren gehen, sagten sie. "Unsere Entwickler lagen falsch", sagt Meneghini. "Nach einem halben Jahr mussten sie eingestehen, dass wir mit Office 365 noch viel mehr Funktionen haben." Das Ergebnis sind die beiden heutigen Produkte Coffeenet und Espressonet.

Massiv höherer Cloud-Umsatz

Meneghini rechnete damals damit, dass sie künftig etwa 20 Prozent des Umsatzes über die Cloud machen würden. Der Rest des Geschäfts würde weiterhin aus On-Premise-Lösungen bestehen. "Es war genau umgekehrt", sagt er.

Wie hat Mondaycoffee das angestellt? Microsoft hostet Office 365 schliesslich in Rechenzentren im Ausland. Die Daten liegen nicht in der Schweiz. Etwas, das aber angeblich viele Schweizer Unternehmen fordern. "Die Angst vor der Datenhaltung im Ausland kommt aus den IT-Abteilungen", sagt Meneghini. Wenn man nicht mit der IT-Abteilung, sondern mit Geschäftsführern und Managern spreche, sei es viel leichter, diese Angst aus der Welt zu schaffen.

Den Entscheidungsträgern der Firmen gehe es in erster Linie darum, dass die IT funktioniert. Schnell und auf Knopfdruck. Auf riskante Projekte, die auf der grünen Wiese beginnen, würde sich heute niemand mehr einlassen, sagt Meneghini.

Lösung für Reseller verfügbar

Die Swissness in Bezug auf Cloud-Dienste sei ein kurzlebiges Phänomen. "Es ist meiner Meinung nach unsinnig, einer Cloud eine Schweizer Flagge anzupinnen", sagt er. Die Kosten in der Schweiz seien viel zu hoch. "Das geht vielleicht noch zwei, drei Jahre gut, aber länger nicht."

Meneghini ist von seinem Ansatz so überzeugt, dass er nun Reseller an Bord holen will. In der Schweiz, in Deutschland, in Europa. Er baut ein Team in München auf, das bereits operativ ist. In der Schweiz arbeitet Meneghini mit Also zusammen. Die KMU-Lösung Espressonet ist über Alsos Cloud-Marktplatz verfügbar.

Wer Espressonet oder Coffeenet nutzen will, muss aber nicht nur seine Angst vor Rechenzentren im Ausland hinter sich lassen. Meneghini hat klare Forderungen an seine Kunden. Sie müssten verstehen, dass ein neues Tool wie Espresso- oder Coffeenet an neue Arbeitsweisen, an neue Prozesse gekoppelt ist. Wer versuche, seine bestehenden Arbeitsprozesse über ein neues Werkzeug zu stülpen, sei bei ihm an der falschen Adresse. "Die Amerikaner bringen das schön auf den Punkt: A Fool with a tool is still a fool", sagt Meneghini.

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