Ausverkauftes Haus in Spreitenbach

"Die Uberisierung der Energiewelt wird kommen"

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Rhetorische Perfektion von Ludwig Hasler, halsbrecherische Fotos von Robert Bösch, visionäre Gedanken von Jasmina Ritz. Die Smart Energy Party 2016 hat viel geboten. Bundesrätin Doris Leuthard fand aufmunternde Worte für die unter Druck stehende Schweizer Energiebranche.

Alle Fotos von Zvonimir Pisonic, http://www.z-photo.ch/
Alle Fotos von Zvonimir Pisonic, http://www.z-photo.ch/

Die Schweizer Energiebranche hat sich an der Smart Energy Party 2016 getroffen. Die Umwelt Arena in Spreitenbach war mit rund 1000 Gästen ausverkauft. Anwesend war Prominenz aus Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Behörden, Verbänden und Medien. Und Bundesrätin Doris Leuthard, die Vorsteherin des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation.

Schweiz trotzt schwierigem Umfeld

Leuthard betonte zu Beginn ihres Referats die heikle geopolitische Lage. Viele Staaten würden sich abschotten, der Protektionismus sei im Aufwind, und der Brexit hinterlasse seine Spuren. Die Schweiz stehe aber gut da: Sie sei Innovationsweltmeister und habe eine tiefe Schuldenquote von 16 Prozent. Für die digitale Welt sei sie gut aufgestellt, und die Breitband- und Mobilfunkinfrastruktur sei hervorragend. Das alles bilde die Grundlage für eine erfolgreiche Energiepolitik.

"Die Schweiz hat noch nie so wenig für Energie ausgegeben wie im letzten Jahr", sagte Leuthard. Energiepolitik sei heute immer auch Wirtschaft-, Umwelt- und IT-Politik. Die Energiebranche habe aber ein Problem: Viele Märkte seien nicht frei, und es gebe marktverzerrende Kräfte.

Neue Geschäftsmodelle, bewährte Wasserkraft

Leuthard zitierte eine Studie von PwC aus dem Jahr 2015. Laut ihr gehen 9 von 10 Energieunternehmen davon aus, dass sich der Markt bis 2030 signifikant verändern wird. Die höchste Priorität habe die Sicherung der Versorgung. 35 Prozent der europäischen Energieversorger gaben an, dass ihre Geschäftsmodelle bereits heute nicht mehr funktionieren. Der Wettbewerb sei stark, das Umfeld disruptiv. Das habe auch damit zu tun, dass immer mehr branchenfremde Unternehmen mitreden wollen - etwa die Telkos.

Die Schweiz importiere rund 75 Prozent ihrer Energie. Der Anteil der erneuerbaren Energien habe von 2009 bis 2015 um 3 Prozent zugenommen. Leuthard warb für die Wasserkraft und bezeichnete sie als Rückgrat der Schweizer Wirtschaft. Laut dem Schweizerischen Wasserwirtschaftsverband stützt sich die Schweizer Stromversorgung zu fast 60 Prozent auf die erneuerbare, einheimische Wasserkraft. Die Schweiz werde sich in der EU gemeinsam mit Österreich für eine Stärkung der Wasserkraft einsetzen, sagte Leuthard.

Blick über den Tellerrand

Die Bundesrätin äusserte sich auch zur Atomenergie. Der Ausstieg sei sinnvoll, aber er passiere nicht auf Knopfdruck. Es sei nicht clever, bereits im nächsten Jahr drei Kernkraftwerke vom Netz zu nehmen. Das führe bloss zu mehr Stromimporten und zu mehr Abhängigkeit, sagte Leuthard.

Die Branche müsse nun mit der bestehenden Infrastruktur und innovativen Ideen die bestmögliche Marktposition erreichen. Sie sei dafür bestens gerüstet. Die Energiewirtschaft habe beim beim Bau des Gotthards, dem längsten Bahntunnel der Welt, vorgemacht, dass sie riesige Infrastrukturprojekte stemmen könne. Die Energieversorger sollten sich zudem mit Dienstleistungen am Markt positionieren. Nicht nur in der Schweiz, sondern weltweit.

"Wir müssen unsere Leistungen und Ideen weltweit anpreisen", sagte Leuthard. "Auf keinen Fall dürfen wir uns bloss auf den Schweizer Markt beschränken."

Uberisierung der Energiewelt

Die Bundesrätin wies darauf hin, dass sich die Grenzen zwischen klassischer Energiewirtschaft und IT immer mehr auflösen. Als Beispiel nannte sie eine App der Industriellen Werke Basel, die sie gemeinsam mit Change38 lancierten. Der Konsument kann sich über die App seinen persönlichen Strommix zusammenstellen. Die Branche müsse sich auf solche Entwicklungen einstellen. "Die Uberisierung der Energiewelt wird kommen", sagte Leuthard.

Leuthard blickte auch in die Zukunft. Die Schweiz müsse die Wasserzinsen neu regeln, ihr CO2-Gesetz anpassen und sich für ein Strommarktdesign nach 2020 entscheiden. Wichtig sei auch die Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens, das Leuthard im April unterzeichnete. Sie freue sich auf diese Herausforderungen. "Ich spüre einen positiven Geist im Markt", sagte die Bundesrätin. "Die Ideenvielfalt der Schweizer Unternehmen ist beeindruckend."

Die Stadt von morgen ist smart

Am Anfang der Smart Energy Party warb Jasmina Ritz für die Limmatstadt. "Zwischen Baden und Zürich entlang der Limmat entsteht eine Stadt", sagte die Geschäftsführerin der Limmatstadt AG. "Eine Stadt, die mehr ist als die Summe ihrer Teile, mehr als die heutige Region Limmattal mit ihren Gemeinden, Bezirken und lokalen Organisationen."

Ritz sprach gekonnt, sorgte am Tisch des Autors aber für Verwirrung. Einige verstanden nicht, was die Limmatstadt genau sein soll. Eine Initiative für die Standortförderung? Ein gemeinsamer Lebens- und Wirtschaftsraum? Will die Limmatstadt AG Gemeindefusionen vorantreiben? Das blieb bis am Ende des Referats unklar.

Eine Stadt bestehe nicht nur aus Gebäuden und Menschen, sagte Ritz. Sie brauche auch intelligente, vernetzte Systeme. "Wir müssen heute eine smarte Basis für morgen legen." Die Arbeit der Energiebranche sei dafür zentral. Denn sie sei es, die das zentrale Nervensystem der Limmatstadt bereitstelle.

Extrembergsteigen und Philosophie

Interessant waren die Ausführungen von Robert Bösch. "Auf die Dauer hilft nur Power", sagte der Bergsteiger und Extremfotograf. Er zeigte dem Publikum auf, was es bedeutet, Extremsportler ins richtige Bild zu rücken. Beim Fotografieren gebe es nur eine Regel: "Wenn ich kein Bild mache, gibt es sicher kein gutes."

Auch das Referat von Ludwig Hasler war spannend. Der Publizist und Philosoph sprach rhetorisch brillant über smarte Energie, die Erfolgstory Schweiz und die Weltsprache Informatik. "Wir wollen keine Zukunft, sondern eine Fristerstreckung der Gegenwart", sagte Hasler. Denn Veränderungen seien mühsam. Jeder vierte Schweizer sei chronisch krank. "So viel zur Diagnose unseres Energiestatus", scherzte Hasler, der mit viel Applaus verabschiedet wurde.

Fritz Sutter zieht sich zurück

Für Organisator Fritz Sutter war es die letzte Smart Energy Party in dieser Funktion. Er und seine Frau Renate werden sich aus der Organisation der Veranstaltung zurückziehen, im Hintergrund aber weiter aktiv bleiben.

Für den Event ist nun das Organisationskomitee verantwortlich. Es besteht aus Initiator Kurt Lüscher, VSG-Direktorin Daniela Decurtins, Walter Schmid von der Umwelt Arena Spreitenbach und VSE-Direktor Michael Frank.

Sutter liess es sich nicht nehmen, bereits die nächste Party anzukünden. Sie wird am 26. Oktober 2017 stattfinden. Gleicher Ort, gleiche Branche, und sicher wieder ausverkauft - um 17 Uhr geht es los!

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