Event von Atos

Wie aus grossen Datenmengen smarte Daten werden

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Atos hat in Zürich sein erstes Big Data und Analytics Forum veranstaltet. Redner zeigten auf, wie aus Big Data Smart Data werden kann. Am Ende zeigte Willy Müller, Chefarchitekt beim Informatiksteuerungsorgan Bund, auch Gefahren auf.

Atos hat am 13. Juni zu einem Event mit dem Schwerpunkt Big Data geladen. Anstelle des Begriffs Big Data verwendete das Unternehmen in seinem Veranstaltungsmotto die Bezeichnung "Smart Data". Damit sollte betont werden, dass nur intelligente, also smarte Daten, einen echten Mehrwert bieten. Mit rund 50 Teilnehmern war der Event gut besucht. Laut Günter Koinegg, Head of Big Data and Security Central Eastern Europe bei Atos, ist es das erste Big Data Forum dieser Art von Atos in der Schweiz.

Den Event eröffnete Philipp Ziegler, Geschäftsführer von MSM Research. Er stellte die Ergebnisse einer einjährigen Studie zu IoT vor.

Die Suche ist eine der zentralen Funktionen

Hans-Josef Jeanrond referierte anschliessend über den Mehrwert von Wissen in Unternehmen. Er ist Chief Marketing Officer beim Atos-Partner Sinequa. Jeanrond prägte in seinem Vortrag den Begriff "Kolumbus-Syndrom". Damit spielte er auf den Fakt an, dass der Entdecker eigentlich hätte wissen müssen, dass er noch nicht in Indien angekommen sein konnte. Aber nur, wenn das Wissen der griechischen Gelehrten, die bereits 2000 Jahre vor Kolumbus den Umfang der Erde berechnet hatten, nicht verloren gegangen wäre. Ganz ähnlich gehe es Mitarbeitern in vielen Unternehmen, wenn sie nach Informationen in ihren Firmen suchen wollten, sagte Jeanrond.

Viel Zeit werde für die Suche nach Dokumenten verschwendet. Ausserdem seien Experten im eigenen Unternehmen oft nicht zu finden. Es brauche daher Tools, die bei der Suche sowohl in strukturierten wie auch unstrukturierten Daten helfen. Eine mögliche Antwort sieht Jeanrond in der kognitiven Suche. Seinen Ausführungen zufolge ist diese eine Kombination aus Suche und künstlicher Intelligenz (KI).

Bessere Suchtools brächten dabei nicht nur eine Zeitersparnis. Mitarbeiter könnten damit auch bessere Entscheidungen treffen, da sie die relevanten Dokumente fänden. Auch würde die Innovationskraft in Firmen gesteigert. Abweichungen könnten schneller erkannt werden, und es liessen sich rascher Experten in Firmen finden. Das Rad müsse nicht immer wieder neu erfunden werden, sagte Jeanrond.

Um dies zu erreichen, braucht es laut Jeanrond sogenannte "Logical Data Warehouses". In diesen dürften Daten nicht zu sehr geordnet werden. Denn mit Ordnung liessen sich nicht alle Erkenntnisse gewinnen. Als Beispiel führte er den Sandkasten eines Kindes an, in dem sehr viel Spielzeug verstreut liegt. Wenn dieses geordnet werde, dann wisse man zwar, was davon man wieder mit nach Hause nehmen müsse. Man könne aber nicht mehr sagen, wie das Kind gespielt habe.

Fachabteilungen mit eingebunden

Alexander Gänsdorfer von T-Mobile Austria berichtete im Anschluss, wie seine Firma mithilfe von Atos Mehrwert aus bestehenden Daten generieren konnte. Gänsdorfer arbeitet im Strategy & Portfolio Management und ist Senior Expert Big Data beim Telko.

Am Anfang habe die Unternehmensführung erst ein gemeinsames Verständnis schaffen müssen, was Big Data eigentlich sei, führte er aus. Die Erkenntnis war, dass vor allem die bereits vorhandenen Daten besser genutzt werden sollen. Um Ideen zu bekommen, veranstaltete T-Mobile eine Art "Roadshow für Big Data" im Unternehmen, wie Gänsdorfer sagte. Die Abteilungen erarbeiteten in Workshops Anwendungsbeispiele, wie die Daten besser genutzt werden könnten. Mehr als 100 Use Cases sammelte T-Mobile dabei.

Betrugsfälle reduzieren

Nach einem Evaluationsprozess wurden die Ideen auf wenige eingedampft, und am Ende entschied sich T-Mobile für einen ersten Test zur Erkennung sogenannter "Never Payers". Dies sind Personen, die nach Abschluss eines Mobilfunkvertrags drei Monate in Folge nicht bezahlen und dann gekündigt werden, wie Gänsdorfer erklärte. T-Mobile entstehe dadurch jährlich ein Schaden von 1,3 Millionen Euro. Durch eine bessere Analyse der Daten sollte die Zahl der "Never Payers" halbiert werden.

Atos sollte für T-Mobile dieses Projekt umsetzen. Nach einem ausführlichen Frage- und Evaluationsprozess erarbeitete Atos schliesslich einen Projektfahrplan. Mit diesem sollte das Projekt in 8 Wochen eingeführt werden. Am Ende dauerte es länger. Dies lag laut Gänsdorfer aber nicht an Atos, sondern an T-Mobile. Der Telko musste zunächst seine Daten bereinigen und Zuständigkeiten abklären. Die Analyse der Daten nahm viel Zeit an Anspruch, und auch der Data Privacy Officer wurde involviert. Gemäss Gänsdorfer hat es sich aber gelohnt, diese Zeit zu investieren.

Gänsdorfer zog zu diesem Projekt ein positives Fazit. Die Zahl der "Never Payers" habe tatsächlich halbiert werden können. So habe sich etwa gezeigt, dass Personen, die den Vertrag mit einem Reisepass abgeschlossen hätten, deutlich häufiger "Never Payers" gewesen seien. 5 Prozent der identifizierten Personen seien allerdings falsche Treffer gewesen, sagte Gänsdorfer. Dieser Wert sollte möglichst gering gehalten werden, was gemäss Gänsdorfer gelang. In den nächsten Jahren soll der Algorithmus noch verbessert werden, um die Zahl der Erkennungen auf bis zu 80 Prozent zu steigern.

Viele Fragen bei Big Data noch ungeklärt

Am Ende des mit Vorträgen prall gefüllten Vormittags gab Willy Müller den Gästen noch einiges zum Nachdenken mit auf den Weg. Der Chefarchitekt des Informatiksteuerungsorgan des Bundes betonte die Gefahren von Big Data für die Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.

Da die Kosten für Datenspeicher und Rechenleistung in den letzten Jahren stark gesunken seien, zeige sich jetzt das Potenzial von Big Data erst richtig, sagte Müller. Immer mehr Daten würden generiert, und Firmen wie Google und Facebook sammelten diese. KI werte diese Informationen aus und generiere Werte für diese Datenfirmen.

"Die Firmen wissen enorm viel von uns, eventuell mehr, als wir wollen", sagte Müller. Die Gesichtserkennung von Google etwa sei schon besser als die von Menschen. In Zukunft könne Google in der Lage sein, uns auf jedem beliebigen Foto zu erkennen. Mit den Worten: "Meine Damen und Herren, wir sind gläsern", brachte es Müller auf den Punkt. Konsumenten haben keine Bestimmungsgewalt mehr über ihre Daten, da mögen Datenschützer behaupten, was sie wollen, wie er sagte.

Auch Unternehmen könnten sich Big Data eigentlich nicht mehr entziehen. Nur einige wenige Nischenbranchen kämen vielleicht noch ohne Big Data aus. Die anderen Firmen stünden nur vor der Wahl, wo und in welchem Umfang sie mitspielen wollten. Laut Müller bringt es aber nichts, nur einfach "irgend etwas mit Daten zu machen". Es brauche eine umfassende Strategie. Denn mit schlechten Daten würden auch nur wieder schlechte Erkenntnisse produziert.

Politik hat bisher nur wenige Antworten

Der Staat sehe sich bei der Big-Data-Revolution mit vielen Fragen konfrontiert. Beispielsweise:

  • Soll der Staat Daten sammeln?

  • Soll der Staat Daten zur Verfügung stellen?

  • Darf der Staat Informationen auswerten?

  • Darf der Staat gewonnene Informationen aus Big Data nutzen?

"In der Schweizer Politik gibt es nur wenige Personen, die diese Fragen begreifen und sich damit auseinandersetzen", sagte Müller. Daher gebe es auch bisher nur wenige Antworten.

Obwohl die EU – und auch die Schweiz – die Datenschutzregeln aktuell überarbeiten, beziehungsweise schon überarbeitet haben, sieht Müller darin keine Antworten. "Ich bin der Meinung, dass sich unsere Datenschutz-Gesetzgebung nicht mit der Realität matcht", sagte er. Internet und auch Big Data seien weltumspannend und machten nicht an Grenzen halt. Daher ist es seiner Meinung nach ein Kampf gegen Windmühlen.

Für Müller braucht es ein Umdenken. Anstelle von strikten Regeln brauche es eher Grenzen. So sei etwa das Tragen von Waffen in der Schweiz erlaubt, man könne aber nicht alles damit machen. Ähnlich sollte mit dem Datenschutz verfahren werden. Nicht der Besitz oder die Verknüpfung von Daten sollte verhindert, sondern Missbräuche müssten bestraft werden.

Nach diesem Vortrag von Willy Müller hatten die Gäste viel Gesprächsstoff für den abschliessenden Stechlunch.

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