Interview

Vincent Barro: "Ich will jeden Tag einen unserer Kunden sehen"

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Vincent Barro ist Vice-President IT Business Switzerland & End-Users DACH bei Schneider Electric. Er leitet seit Mai die IT-Division für die Schweiz. Die Redaktion hat mit ihm über den hiesigen Markt gesprochen. Barro verrät zudem, warum Schneider Electric bei der Digitalisierung weiter ist als Konkurrent ABB.

Vincent Barro, Vice-President IT Business Switzerland & End-Users DACH bei Schneider Electric (Source: Schneider Electric)
Vincent Barro, Vice-President IT Business Switzerland & End-Users DACH bei Schneider Electric (Source: Schneider Electric)

Herr Barro, wie gefällt es Ihnen bei Schneider Electric?

Mir gefällt's prima hier, und ich lerne ständig dazu. Mein Ziel ist es, jeden Tag einen unserer Kunden zu sehen. Das Unternehmen Schneider Electric kannte ich ja bereits. Doch die Unterschiede zur Arbeit in Irland und Grossbritannien sind gross: Dort besteht der Kundenstamm hauptsächlich aus grossen Colocators und den Internetgiganten dieser Welt. In der Schweiz haben wir es vermehrt mit Konzernen zu tun, die sich punkto Datacenter lokal orientieren. Abgesehen davon lerne ich als Südfranzose jetzt endlich den echten Winter kennen. In Toulouse existiert er nicht, und in Irland ist es stets um die 12 Grad.

Schneider Electric hat dieses Jahr seine Führungsstruktur umgebaut und setzt nun auf flachere Hierarchien. Spüren Sie das in Ihrer täglichen Arbeit?

Die Datacenter-Welt ist global oder zumindest überregional orientiert. Es ist deshalb zweckmässig, dass wir in Deutschland, Österreich und der Schweiz – der sogenannte DACH-Zone – eine gemeinsame Business-Strategie verfolgen. Resultatmässig hat sich dies bereits positiv ausgewirkt, was mich sehr freut. Ich arbeite sehr eng mit den Verkaufsteams zusammen. Ich bin keiner, der sich im Büro einschliesst. Von den Kunden spüre ich, dass diese Nähe geschätzt wird.

Wie gross ist Schneider Electric in der Schweiz?

Schneider Electric zählt mit Tochtergesellschaften rund 1000 Mitarbeitende in der Schweiz, weltweit sind es über 140'000. Wir haben es in der Schweiz mit starken Mitbewerbern zu tun – da habe ich Respekt. Die gute Nachricht ist: In den einzelnen Segmenten – wie etwa Datacenter-Infrastruktur – gewinnen wir Marktanteile hinzu.

Was für Kunden hat Schneider Electric hierzulande?

Nebst den Rechenzentren sind wir auch in den Endmärkten Gebäude, Industrie sowie Infrastruktur und Energie tätig, mit Kunden vom KMU bis zu Konzernen. Ob Stromversorger, Lebensmittelfabrik oder Datacenter-Betreiber: Wir treiben die digitale Transformation mit unserer Ecostruxure-Plattform bei allen voran und helfen ihnen damit, wettbewerbsfähig zu bleiben. Nehmen wir das Beispiel Datacenter: Kennen Sie noch jemanden, der auf ein digitales Cockpit zur Überwachung und Steuerung seiner Anlagen verzichten möchte?

Schneider Electric bietet im Datacenter-Bereich (fast) alles aus einer Hand an. Ist das heute ein wichtiges Verkaufsargument oder setzen Unternehmen eher auf den Best-of-Breed-Ansatz?

Es gibt schon noch Kunden, die Silo pro Silo vorgehen und überall den besten Preis herausholen wollen. Doch die ganzheitliche Denkweise setzt sich immer mehr durch. Gerade in der Schweiz stelle ich eine grosse Offenheit gegenüber neue Lösungen und Innovation fest. Der ganzheitliche Approach geht übrigens immer weiter: So vernetzen wir immer öfter das Datacenter-Managementsystem mit dem allgemeinen Gebäude-Managementsystem, da es ja um dieselben Funktionen geht, beispielsweise die Regulierung der Temperatur.

Das Management von Rechenzentren ist schwieriger geworden. Was raten Sie Schweizer IT-Entscheidern, um damit umzugehen?

Eine grosse Herausforderung für IT-Entscheider ist die steigende Komplexität. Heute gilt es, kritische Rechenzentrumsumgebungen vorausschauend zu bewirtschaften. Und zwar oftmals mit reduzierter Mittel- und Personalausstattung. Eine durchgängige Sichtbarkeit über hybride, interne und externe IT-Ökosysteme herzustellen, kann sehr aufwändig sein, wenn die Daten und die Software in Silos gefangen sind. Wir raten IT-Entscheidern deshalb, eine Strategie zu entwickeln, welche die Cloud an die erste Stelle setzt. Ecostruxure IT ist eine solche offene, cloudbasierte Management-Plattform. Sie ist auf dem Smartphone und jedem anderen Endgerät zugänglich und erlaubt es, die komplette IT-Landschaft rund um die Uhr zu überwachen, Trendanalysen zu erstellen und Anlagen intelligent zu warten. Dieser Ansatz ist effizient und senkt die Risiken beträchtlich.

Der Bau von Rechenzentren boomt in der Schweiz. Wie kann Schneider davon profitieren?

Wie überall auf der Welt wächst die Datacenter-Branche auch in der Schweiz. So etwas wie einen Boom sehe ich derzeit allerdings eher in Frankfurt; die Bankenmetropole profitiert vom Brexit. Schneider Electric setzt als weltweite Nummer 1 im Bereich Datacenter-Infrastruktur seit längerem die Trends, sei es mit dem Heissgang-Konzept für die Rackkühlung, effizienten USV-Anlagen oder mit Ecostruxure IT als innovative Datacenter-Infrastruktur-Management-Lösung. Die verschiedenen Komponenten fügen wir zu einer Gesamtlösung zusammen, die auf dem Markt einzigartig ist – davon profitieren wir, und zwar besonders auch hierzulande, weil der Bedarf nach ganzheitlichen Lösungen steigt.

Was sind die neusten Trends im Bereich Rechenzentren?

Edge Computing sehe ich als klaren Trend. Er kommt gleichzeitig mit dem Internet der Dinge. Immer mehr Geräte und Anlagen werden vernetzt und liefern grosse Datenmengen. Zum Beispiel in Fabriken oder Logistikzentren. Diese Daten müssen lokal gespeichert und verarbeitet werden. Die Cloud eignet sich wegen der Latenz nicht dazu. Aus diesem Grund steigt die Nachfrage nach Mikro-Datacentern stark an – also kleine, kostengünstige Plug-&-Play-Lösungen, die man in irgendeinen Raum stellen kann, ohne umfassende Datacenter-Infrastruktur.

Laut einer Studie der Deutschen Bank ist Schneider Electric dem Schweizer Konkurrenten ABB bei der Digitalisierung um 5 Jahre voraus. Warum?

Ganz einfach: Weil wir früher damit begonnen haben. Unser Management hat die Digitalisierung vor längerem als Megatrend erkannt und investiert seit Jahren in die Entwicklung führender Software-Lösungen. Nebst der Software vernetzen wir auch alle Hardware-Komponenten systematisch. Es gibt nur noch Connected Products und immer mehr Connected Customers. Die vernetzten Kunden haben in den letzten Jahren jeweils um 40 Prozent zugenommen. Das Internet der Dinge macht schon beinahe die Hälfte unseres Gesamtumsatzes aus.

Wie ist Schneider Electric selbst von der Digitalisierung betroffen?

Als IoT-Leader betrifft uns die Digitalisierung auch als Unternehmen ganz fundamental. Wir haben in den letzten Jahren enorme Anstrengungen unternommen, um Hardware und Software mit der Ecostruxure-Architektur zusammenzuführen. Dazu benötigen wir auch viele neue Skills, weshalb die Rekrutierung stark in den Fokus gerückt ist. Die klassischen Elektroingenieure müssen beispielsweise immer mehr IT-Know-how mitbringen, um erfolgreich zu sein. Hier setzt Schneider Electric auch ganz besonders auf das Potenzial der Frauen. Offenbar wird das im Markt bemerkt – gemäss einer Linkedin-Studie zählen wir weltweit zu den 25 gefragtesten Arbeitgebern.

Das industrielle Internet der Dinge wächst stark. Wie positioniert sich Schneider hier gegenüber der Konkurrenz?

Schneider Electric ist der IoT-Pionier in der Branche. Mit der Ecostruxure-Plattform bieten wir eine IoT-fähige, offene Architektur mit End-to-End-Lösungen für alle unsere Endmärkte, das heisst Gebäude, Rechenzentren, Industrie und Infrastruktur. Ecostruxure wurde in mehr als 450'000 Installationen implementiert, unterstützt 9'000 Systemintegratoren und vernetzt heute über eine 1 Milliarde Geräte. Die Plattform hat sich in der Praxis absolut bewährt, allein in den USA ist sie in über 1000 Rechenzentren im Einsatz.

Was plant Schneider Electric in der Schweiz in Zukunft?

Neue Produkte und Lösungen planen wir in sehr engem Austausch mit unseren Kunden und Partnern. Ich wünsche mir, dass sie uns ihre Herausforderungen mitteilen. Nur so können wir sie optimal unterstützen. Mit dem neuen APC-Partnerportal haben wir eine zeitgemässe Plattform für den Wissensaustausch und die Aus- und Weiterbildung geschaffen. Wir planen also, unsere Partner weiterzubringen – sofern sie es wollen.

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