Data Center Nation Zürich 2023

Was die Schweiz als Datacenter-Standort attraktiv macht

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von Maximilian Schenner und tme

Data Center Nation hat die internationale Rechenzentren-Branche nach Zürich eingeladen. Auf der ersten derartigen Veranstaltung in der Schweiz ging es unter anderem darum, was diesen Standort ausmacht und wie der heimische RZ-Markt in den nächsten Jahren weiter wachsen kann.

Davide Ortisi, CEO von Data Center Nation. (Source: Netzmedien)
Davide Ortisi, CEO von Data Center Nation. (Source: Netzmedien)

Was zeichnet den Schweizer Datacenter-Markt aus? Dieser Frage widmete sich die erste Data Center Nation in Zürich, die am 7. November 2023 im Marriott Hotel über die Bühne ging. Das Unternehmen Data Center Nation organisiert rund um die Welt Events für die Rechenzentren-Branche - nun also auch eines in der Schweiz.

Die Veranstaltung sollte einerseits den lokalen Markt vor einem internationalen Publikum aus der Branche präsentieren und das Profil der Schweizer Datacenter-Industrie schärfen, wie Davide Ortisi, CEO und Gründer des Veranstalters Data Center Nation, in seiner Keynote erklärte. Andererseits sollte das Event auch als Plattform für Networking und Wissensaustausch dienen.

Um diese Plattform zu bieten, hatte der Veranstalter ein ganzes Stockwerk des Marriott Hotels in eine Art Messe verwandelt, an der Unternehmen aus verschiedenen Bereichen der Branche an Ständen ihre Lösungen präsentieren und sich mit potenziellen Kunden oder Partnern austauschen konnten. Mehr als 500 Teilnehmerinnen und Teilnehmer hatten es an die Veranstaltung geschafft.

Der Schweizer Markt umfasst derzeit in etwa 100 kommerzielle Rechenzentren, wie Ortisi ausführte. Er sei damit der sechszehntgrösste Datacenter-Markt der Welt. Betrachte man die Anzahl der Datacenters pro Kopf, habe die Schweiz gar die zweitmeisten in der EU. Während das Angebot im Rest des Kontinents stark durch die Nachfrage nach Hyperscalern getrieben werden, dominieren hierzulande noch Enterprise-Lösungen, wie der CEO erklärte. 

Eine detaillierte Übersicht des Schweizer Markts für Rechenzentren finden Sie übrigens hier.

Was die Schweiz ausmacht

Im anschliessenden Panel diskutierten Experten der Anbieter Stack, Digital Realty und Green weiter über die Besonderheiten des hiesigen Marktes. Auf die Frage von Moderator Simon Allen, was die Schweiz zu einem attraktiven RZ-Standort mache, nannte Sherif Rizkalla, CEO Italy & Switzerland bei Stack, zwei wesentliche Faktoren: Der erste sei die niedrige Vacancy Rate, also die Verfügbarkeit freier Racks. Diese betrage in Zürich etwa 5 bis 7 Prozent - in Mailand hingegen beispielsweise 20. Dort müsse man regelrecht um Datacenter-Space kämpfen, führte Rizkalla aus. In der Schweiz sei es indes vergleichsweise einfach, den Raum zu verkaufen. Aufgrund der geringen Verfügbarkeitsrate könne man hier auch die Preise höher ansetzen - um bis zu 50 Prozent höher als in anderen Märkten.

Ein weiterer wichtiger Aspekt, der die Schweiz als Datacenter-Standort ausmache, seien die strengen Auflagen in Sachen Datensouveränität. Viele grosse Firmen, die in der Schweiz ansässig sind, würden sich daher entscheiden, ihre Daten aufgrund der Gesetzeslage auch direkt hier zu hosten. Zudem sei die Schweiz im europäischen Vergleich nicht so stark auf fossile Energieträger angewiesen, führte Rizkalla schliesslich aus. 

Stichwort Datenschutz: Am 1. September 2023 trat das revidierte Schweizer Datenschutzgesetz in Kraft. Was das neue Gesetz für die Nutzung von Cloud-Diensten bedeutet, erfahren Sie hier.

Yves Zischek, CEO von Digital Realty, nannte zusätzlich das stabile politische System als Plus für den Schweizer Standort. Das gute Bildungssystem und der hohe Lebensstandard würden zudem Talente aus dem Ausland anziehen - Zischek erwähnte den Anteil an "Expats" von 25 Prozent.

Manche Kunden würden die Schweiz aufgrund ihrer Neutralität als Standort wählen, ergänzte Roger Süess von Green. Hinzu kämen die hohen Eintrittshürden: Damit sei es für Investoren zwar zunächst schwer, den Markt zu betreten, danach habe man aber eine einzigartige Position.

An den Ständen der Branchenvertreter gab es Möglichkeiten zum Kennenlernen und Netzwerken. (Source: Netzmedien)

An den Ständen der Branchenvertreter gab es Möglichkeiten zum Kennenlernen und Netzwerken. (Source: Netzmedien)

Mehr Awareness, weniger Föderalismus

Worauf sollte man sich nun konzentrieren, um das Wachstum der Branche fortzusetzen? Zunächst einmal auf Awareness, sagte Süess. Die Öffentlichkeit müsse verstehen, dass Rechenzentren "das Rückgrat dessen sind, was jeder von uns gerne macht", etwa Serien auf Netflix schauen, das Handy verwenden oder schlichtweg "connected" bleiben. 

Diese nötige Awareness unterstrich auch Yves Zischek. Er erwähnte die Diskussionen um eine mögliche Strommangellage, wobei immer wieder auch die Abschaltung von Rechenzentren aufgebracht wurde. "Wenn die Regierung sagt 'abschalten', dann schalten wir auch ab", betonte Zischek. Man müsse sich aber darüber im Klaren sein, was man damit alles abschalte.

Roger Süess argumentierte weiter, die Anbieter am Markt sollten im Sinne des Wachstums nicht als einzelne Einheiten agieren, sondern als Gemeinschaft. "Während wir miteinander konkurrieren, sollten wir zusammenkommen, um die Agenda voranzutreiben", sagte Süess. "Copy with pride", fügte Yves Zischek schmunzelnd hinzu und deutete auf seinen Branchenkollegen Süess. Wenn die Konkurrenz etwas Kluges mache, müsse man das Rad nicht neu erfinden. Man frage einfach nach dem "Wie?" und versuche, es selbst besser zu machen, scherzte der CEO von Digital Realty.

Für Sherif Rizkalla steht dem Wachstum oftmals auch der Föderalismus im Weg. Er bezeichnete die Schweiz als "Land bestehend aus vielen anderen Ländern" und spielte damit auf die teils stark unterschiedlichen Rechtslagen in den Kantonen an. Er habe oft mit Investoren aus Nordamerika zu tun, die sich beispielsweise verblüfft zeigen würden, wenn sie in Schaffhausen mit anderen Regeln konfrontiert seien als in Waadt. "Es ist das selbe Land, was ist jetzt auf einmal anders?", zitierte Rizkalla sinngemäss. Hier müsse man mit den Behörden zusammenarbeiten, um die Regeln überkantonal zu harmonisieren. Es könne nicht sein, dass ein Kanton der "Superchampion" im Bereich Datacenter ist und ein anderer hinterher hinkt.

Drei Jahre in die Zukunft

Schliesslich bat Moderator Simon Allen die drei Speaker nach einer Prognose für die kommenden drei Jahre betreffend die Positionierung des Schweizer Datacenter-Markts, auch im Vergleich mit den FLAP-Standorten. FLAP steht für Frankfurt, London, Amsterdam und Paris, die vier grössten RZ-Märkte in Europa, auch als "Tier 1" bezeichnet. 

"Wir sollten uns nicht mit Tier 1 vergleichen", sagte Yves Zischek. Im Vergleich mit anderen Tier-2-Märkten - dazu zählen neben Zürich auch Berlin, Mailand, Warschau, Madrid, Oslo - stehe man bereits gut da. In drei Jahren werde man darauf zurückblicken, weiter gewachsen zu sein und in die Industrie investiert zu haben, sagte der Digital-Realty-Chef schliesslich. Ausserdem werde jeder wissen, was die Branche für die Gesellschaft tue.

Für Rizkalla gleiche der Blick in die Zukunft einem Blick in die Kristallkugel - vor allem wegen der Besonderheiten des Schweizer Marktes. Auch er ist der Meinung, dass ein Vergleich mit den FLAP-Nationen aufgrund des Grössenunterschieds nicht angebracht sei. Ein weiterer "Curveball", der die Prognose erschwere, sei die künstliche Intelligenz, von der vor zwei Jahren noch keine Rede war. Roger Süess ist ebenfalls gespannt, welchen Einfluss die KI auf die RZ-Branche haben wird, wie er sagte. Zudem wolle er die Schweiz in Sachen Nachhaltigkeit als Innovatorin sehen. Der Markt habe generell noch einiges an Potenzial, um zu wachsen.

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