Parlamentarische Initiative abgelehnt

Nationalrat erteilt Recht auf digitale Unversehrtheit eine Abfuhr

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von René Jaun und tme

Das Recht auf digitale Unversehrtheit kommt vorerst nicht in die Schweizerische Bundesverfassung. Der Nationalrat lehnt eine parlamentarische Initiative, welche dies ändern sollte, mit deutlicher Mehrheit ab. Ganz vom Tisch dürfte das Thema damit nicht sein.

(Source: Macrovector / Freepik.com)
(Source: Macrovector / Freepik.com)

Die Schweizerische Bundesverfassung wird nicht um das Recht auf digitale Unversehrtheit erweitert. Der Nationalrat entschied sich mit 118 zu 65 Stimmen bei 3 Enthaltungen gegen eine parlamentarische Initiative des SP-Politikers Samuel Bendahan, der dies ändern wollte. Die grosse Kammer folgte damit seiner beratenden Kommission, die das Anliegen etwas knapper, mit 13 zu 11 Stimmen, ablehnte.

Bendahan wollte die digitale Unversehrtheit – oft auch als digitale Integrität bezeichnet – in der Verfassung verankern, indem er sie dem Artikel 10.2 hinzufügen wollte. Aktuell lautet dieser Artikel: "Jeder Mensch hat das Recht auf persönliche Freiheit, insbesondere auf körperliche und geistige Unversehrtheit und auf Bewegungsfreiheit."

"Die Entwicklung der Gesellschaft und insbesondere die massenhafte Einführung von neuen Technologien wirft neue Fragen auf, die man sich zur Zeit der Verabschiedung unserer Verfassung noch nicht oder kaum stellte", schreibt der Politiker in der Begründung seiner Initiative. Das Recht auf digitale Unversehrtheit sei heute unzureichend geschützt. Bendahan konkretisiert: "Das Recht auf Kontrolle der digitalen Identität ist also das Recht darauf, zu verstehen und zu wissen, welche Daten unseres digitalen Lebens gesammelt werden, seien das Informationen, die wir explizit weitergeben, oder solche, die von Seiten, die wir besuchen oder von Dritten aufgrund unserer Aktivitäten zusammengestellt oder berechnet werden."

Artikel mit symbolischem Charakter

Sowohl Bendahan als auch die nationalrätliche Staatspolitische Kommission weisen in ihren Stellungnahmen darauf hin, dass sich auch Kantone mit dem Recht auf digitale Unversehrtheit befassen. Namentlich hat Genf dieses Recht bereits in der Verfassung verankert, während es die Kantone Wallis, Waadt, Jura und Neuenburg derzeit diskutieren. Die Kommission befindet jedoch, diese kantonalen Entwicklungen seien noch zu frisch, um daraus Lehren ziehen zu können, namentlich was den praktischen Nutzen eines Grundrechts auf digitale Unversehrtheit angehe. Die Mehrheit der Kommission ist der Meinung, der bestehende Grundrechtskatalog reiche aus, um die Bürgerinnen und Bürger in der digitalen Welt zu schützen. Sie verweist hierbei auf die bereits in der Verfassung verankerten Rechte auf persönliche Freiheit und auf Schutz der Privatsphäre. Sollten im digitalen Bereich Lücken beim Schutz der einzelnen Personen bestehen, sei es wirksamer, diese auf Gesetzesebene oder bei der Rechtsanwendung zu schliessen.

"Die Einführung eines neuen Grundrechts in der Bundesverfassung hätte also mehr symbolischen Charakter als praktische Auswirkungen. Grundrechte von rein symbolischer Tragweite einzuführen ist in den Augen der Kommissionsmehrheit freilich keine gute Gesetzgebungspolitik", heisst es in dem Bericht.

Klarer Wille signalisieren

Die Minderheit der Kommission wäre gern dem Beispiel der Westschweizer Kantone gefolgt und findet, die gesellschaftlichen Veränderungen sollten sich auch im Grundrechtskatalog der Bundesverfassung niederschlagen. Mit der Einführung eines spezifischen Grundrechts auf digitale Unversehrtheit könnten in ihren Augen die Lücken beim persönlichen Schutz geschlossen werden und würde den Gerichten klar der Wille des Gesetzgebers signalisiert, wie es im Bericht heisst.

Sowohl Befürworter als auch Gegner der Initiative signalisieren, dass sie das Thema weiter verfolgen wollen. "Auf gesetzlicher Ebene gibt es Lücken, zum Beispiel beim Datenschutz, aber es gibt auch Lücken und Probleme bei der Rechtsanwendung", brachte es Céline Widmer im Rahmen der Debatte im Nationalrat auf den Punkt. "Die Initiative hat schon etwas bewirkt, wenn sich die Staatspolitische Kommission des Nationalrates weiter diesen Fragen annehmen wird."

Anfang Dezember 2023 stellte der Bundesrat die Weichen für die digitale Transformation in der Schweiz, indem er Gleich drei Strategien verabschiedete: die Strategie Digitale Schweiz, die Strategie Digitale Verwaltung Schweiz und die Strategie Digitale Bundesverwaltung. Die drei Fahrpläne sollen sich ergänzen, wie Sie hier lesen können.

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