Porträt

Von Kreuzlingen nach Gabun und zurück

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Der Weg in die IT kann einfach sein. Informatikerlehre, Informatikstudium und los geht’s. Thomas Weihrich machte es sich nicht so leicht. Er nahm einen Umweg. Ans Ziel kam er dennoch. Doch was ist eigentlich das Ziel?

(Quelle: Netzmedien)
(Quelle: Netzmedien)

"Bitte reduzieren Sie uns nicht auf Afrika und das WEF", sagt Thomas Weihrich. Er sitzt mit übergeschlagenen Beinen in einem schweren Ledersessel. Das braune Leder glänzt im Licht, das von einer Neonröhre an der Decke herabstrahlt. Der Sessel steht in Weihrichs Büro an der Allee­strasse 20 in Kreuzlingen. Der Bahnhof wäre in Sichtweite, läge das Büro auf der anderen Seite des Hauses und ein paar Etagen höher.

Wenn Weihrich spricht, lässt er sich Zeit. Manchmal hält er einen Augenblick inne. Als würde er erst genau überlegen wollen, wie er den nächsten Satz formulieren soll.

An der Wand neben Weihrich hängen drei Blätter eines Flipcharts. Sie sind dicht beschrieben. Die Schrift folgt einer nicht sichtbaren Linie, wie mit einem Lineal gezogen. Gegenüber der Wand, auf der anderen Seite des Raumes, steht ein geräumiger Schreibtisch. Ausser einem PC-Bildschirm, Maus und Tastatur ist er praktisch leer. Ein Telefon steht da noch, einige Stifte, nichts weiter.

"Ich habe einen sehr normalen Beruf gelernt", sagt Weihrich. Maschinenmechaniker. Nach seiner Grundausbildung in Winterthur ging er zum Pfannenhersteller Kuhn Rikon im Tösstal. Dort arbeitete Weihrich in der Werkzeugfertigung. Die Maschinen, die er bei Kuhn Rikon bediente, waren alt, 20 Jahre und mehr. Es war umständlich, mit diesen Maschinen effizient zu arbeiten, wie er sagt. Mit moderneren Maschinen könnte er sich einige der Arbeitsschritte sparen, dachte sich der junge Weihrich. Er hatte Glück.

Die alten Maschinen sollten ausgetauscht werden, und der zuständige Projektleiter – er trug den Zusatz CIM für Computer Integrated Manufacturing – brauchte einen Assistenten. Für Weihrich öffnete sich eine Tür. Wissbegierig ging er hindurch, besuchte die Informatik-Technikerschule in Winterthur und studierte Informatik an der Hochschule für Technik in Rapperswil.

Von Pfannen zu Computerchips

Zurück bei Kuhn Rikon baute Weihrich eine neue Fertigungsanlage. Eine Maschine, die Pfannen mit Aufnahmebolzen für den Griff bestückte. Der Clou: Die Maschine sollte flexibel einsetzbar sein, damit sie die Bolzen an sämtliche Produkte der Firma schweissen konnte. Weihrich schrieb die Software für die Anlage selbst. "Ich weiss nicht, ob die Maschine heute noch läuft, aber sie war Jahrzehnte im Einsatz", sagt er.

Thomas Weihrich kehrte den Pfannen den Rücken und entwickelte fortan Software für Coop, Manor und Volg. Bestellsysteme, Lösungen für den Wareneingang, Lagerverwaltung. "Das war spannend, aber mir fehlte das Technische", erinnert er sich.

Im Thurgau bei Alphasem fand Weihrich zurück zum "Technischen". Die heute dem US-Konzern Kulicke & Soffa angegliederte Firma baute damals sogenannte Chipbestückungsautomaten. "Da steckte Robotik drin, Software, Prozessoptimierung, Präzision", sagt Weihrich. Er fühlte sich wieder zuhause. Bis zum Jahr 2002.

Alphasem begann, die Produktion im grossen Stil nach China auszulagern. Das gefiel Weihrich ganz und gar nicht. "Ich war überzeugt, dass dieses Projekt nicht funktionieren konnte." Er packte seine Sachen und ging. Im Januar 2003 gründete er seine eigene Firma. Gemeinsam mit seiner Frau.

Einfaches Geschäftsmodell

2W Business Communication nannten sie die Firma. 2W für zwei Weihrichs und für zwei Wege. "In der IT gibt es immer zwei Richtungen", sagt Weihrich. Mensch und Maschine, Client und Server, On-Premise und Cloud. Es ­seien immer zwei Seiten, die miteinander interagieren würden.

Weihrichs Geschäftsmodell war einfach: Er bot sein Wissen und seine Erfahrungen an. "Das funktionierte ziemlich gut", sagt er. Damit schaffte er es bis ans World Economic Forum in Davos. Jener Anlass, auf den er nicht reduziert werden möchte.

"Unsere Arbeit am WEF fing relativ simpel an", sagt Weihrich. Im Jahr 2008, mit "Road to Davos". Ein Projekt des britischen Konsulats. Einige Teilnehmer des Projekts waren in einem alten Kurhaus untergebracht. Die (IT-)Infrastruktur des Hauses bestand damals aus einem Telefonanschluss.

Weihrich änderte das. Er und sein Team versorgten die Entourage des Konsulats mit Internet, WLAN und einer klassischen Büroinfrastruktur, wie er sagt. Mit der Zeit übernahm das Hotel die Hardware, Weihrichs Engagement endete somit.

Das WEF blieb aber wichtig für ihn. Ein weiterer Kunde Weihrichs vermietet jedes Jahr während des Anlasses seine Räumlichkeiten vor Ort an andere Firmen, die am WEF präsent sind. Dort betreut Weihrich Kunden wie etwa Saudi Aramco, Standard Chartered und Microsoft. Die Arbeit am WEF sei immer noch spannend, sagt Weihrich. Sie unterscheide sich aber kaum von anderen Projekten.

2013, zum zehnjährigen Jubiläum seiner Firma, zog Weihrich Bilanz. Zufrieden blickte er zurück. Doch etwas störte ihn. Der Name. 2W Business Communication. "Davon kann man ableiten, dass wir gar nichts Technisches machen, sondern eine Kommunikationsagentur sind", sagt Weihrich. Die Lösung: Weihrich Informatik. So würde jeder sofort sehen, um was es bei Weihrich gehe.

Er und seine inzwischen 15 Mitarbeiter kümmern sich heute um die IT von Ärzten, Bäckern, Ladenbauern, Schreinern, Anwälten. Kleine und mittlere Unternehmen mit 1 bis 250 Mitarbeiter. Weihrich und sein Team machen Standortbestimmungen, planen IT-Strategien, helfen bei Investitionen und Sicherheitsmängeln, bringen Systeme auf den neuesten Stand. Vom Laptop bis zum Drucker, vom Virenschutz bis zum Cloud-Back-up. Weihrich liefert. Doch das ist nicht alles.

Ein Anruf, der alles veränderte

An einem Freitagnachmittag im Sommer 2007 bekam Weihrich einen Anruf. Die Sonne schien, es blies ein kräftiger Wind. In Gedanken war Weihrich schon auf dem Weg zu seinem Segelboot.

Es gebe da einen potenziellen Neukunden für ihn, sagte der Anrufer. Weihrich müsse allerdings noch am selben Tag persönlich nach Frauenfeld kommen. Ein wenig zögernd sagte er zu und machte sich auf den Weg. Schliesslich könnte er einen neuen Kunden gewinnen.

Weihrich gewann ihn, den Kunden. Über eine Stunde sprach Weihrich mit zwei Herren und einer Dame, wie er sagt. Am Ende bestellten sie einen neuen Laptop. Mehr nicht.

Etwa ein halbes Jahr später meldeten sie sich wieder, die drei. Es gebe da jemanden, der sich gern mit Weihrich unterhalten würde. Kurz darauf wurde er zu einem Gespräch mit einem "sehr eloquenten Herren" eingeladen, wie er sagt. "Der wollte mich einfach nur kennenlernen." Der Herr hielt sich sehr bedeckt. "Es war mir nicht klar, was das für ein Mensch ist." Der Kunde fragte, ob Weihrich ein System zur Personenidentifikation liefern könne. Sie bräuchten das für eine Baustelle. Nein, konnte Weihrich nicht. Aber er würde schauen, was er machen könne. Er fand einen Partner und meldete dem Kunden, dass sie den Auftrag gemeinsam übernehmen könnten. Der Kunde gab grünes Licht.

Zusammen mit seinem Partner reichte Weihrich eine Offerte ein. Das Angebot sei zu günstig, sagte der Kunde. Weihrich und der Partner müssten sich ein Bild vor Ort machen. Weihrich vermutete eine Baustelle in Zürich. Der Kunde lud die beiden aber nicht nach Zürich ein, sondern nach Gabun, Westafrika.

Sie blieben eine Woche. Zurück in Kreuzlingen passten sie ihre Offerte an und erhielten den Auftrag. Hardwareentwicklung, Softwareentwicklung, Infrastruktur. "Es war das erste von vielen weiteren Projekten in Gabun", sagt Weihrich. Fünf Jahre lang war er in dem westafrikanischen Staat aktiv. "Dort unten ist man froh, wenn es Strom gibt", sagt Weihrich. "Ganz zu schweigen von einer stabilen Internetverbindung." Es sei ein völlig anderes Umfeld als in der Schweiz. "Da können Sie keine Cloud-Lösung nutzen", sagt er. "Sie müssen ja weiterarbeiten können, wenn das Internet mal zwei Tage ausfällt."

Zuhause in der Schweiz sei das etwas anderes. Hier steht Weihrich der Cloud offen gegenüber. Schon kurz nach der Firmengründung habe er erste Cloud-Lösungen umgesetzt, sagt er. "Damals nannte es aber noch niemand Cloud." Die Firma Agri.ch etwa – heute Green.ch – habe Hosted Exchange angeboten. Ein E-Mail-Server in der Cloud. "Heute heisst das Office 365", sagt Weihrich.

Er glaubt trotz seiner Offenheit, dass hybride Cloud-Umgebungen am nachhaltigsten seien. Allgemeine Bedürfnisse wie ein Arbeitsplatz, Dateiablage, E-Mail und Telefon könne man technisch problemlos in die Cloud auslagern. Vorausgesetzt man arbeite an einem Ort mit stabiler Internetverbindung. Sobald ein Unternehmen aber spezielle Bedürfnisse habe, sobald es etwa Maschinen für eine Produktion betreibe, komme die Cloud nur noch für bestimmte Prozesse infrage, sagt Weihrich.

"Das ist wie beim Autofahren." All die Software in heutigen Autos könnte theoretisch auch in der Cloud laufen. Der Fahrer benötige die Funktionen aber dort, wo er sich gerade befinde. "Im Tunnel soll das Auto ja auch fahren", sagt Weihrich.

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