Porträt

Vom Maschinenmechaniker zum Sicherheitsexperten

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Philipp Stebler hat einen weiten Spagat gemacht, um dort zu landen, wo er heute ist. Am Anfang belächelte man ihn in der Branche. Heute ist er etabliert und sucht händeringend nach versierten Mitarbeitern.

Philipp Stebler, Gründer und Geschäftsführer von Execure (Quelle: Netzmedien)
Philipp Stebler, Gründer und Geschäftsführer von Execure (Quelle: Netzmedien)

Wer mit dem Zug im Bahnhof Wettingen einfährt, sieht sie schon, die Überbauung Etzelmatt. Im rechten Winkel zum Bahnhof erstreckt sie sich Richtung Dorfzentrum. An der linken Seite der Überbauung steht ein 50, 60 Meter langer Betonkomplex. Der Regen hat den nackten Beton dunkel verfärbt. Vor einem der Eingänge ragt ein mannshohes, etwa türbreites schwarzes Metallschild aus dem Boden. Execure steht auf dem Schild. 

Es ist der Name von Philipp Steblers Firma. Stebler hält die Eingangstür neben dem Schild auf und führt vorbei an einem Empfangstisch. Dessen Sockel besteht aus über 100 alten Firewalls. Nokia IP330, 350, 440 und 530. Auf einigen prangt das Logo von Check Point. Die Firewalls waren mal ein Vermögen wert. Heute sind sie Elektroschrott. Oder Sockel für Empfangstische.

Als Steblers Berufsleben beginnt, ist er weit davon entfernt, jemals auch nur in die Nähe einer Firewall zu kommen. Er lernt Maschinenmechaniker. Sein Traumberuf. Das denkt er zumindest, bis er merkt, was ein Maschinenmechaniker genau macht. Er steht an der Drehbank und an der Fräsmaschine. Er arbeitet allein, muss jeden Tag ein Überkleid anziehen und kommt ständig mit dem Kühlmittel der Maschinen in Kontakt. "Das fand ich nicht so lässig", sagt Stebler. 

Du kommst in eine Firma, irgendeine Dame hat ein Problem mit dem Drucker oder Kopierer und du hilfst ihr

Mit 21 lässt Stebler Kühlmittel, Fräse und Drehbank hinter sich. Er kennt jemanden, der Kopiergeräte verkauft. Der sucht einen Handwerker, einen Techniker für den Aussendienst. "Einmal geschnuppert und ich wusste, das ist meine Welt", sagt Stebler. "Du kommst in eine Firma, irgendeine Dame hat ein Problem mit dem Drucker oder Kopierer und du hilfst ihr", erinnert er sich. "Das hat riesig Spass gemacht." 

Marktstart von Windows 3.1 öffnet Stebler die Augen

Ein paar Jahre später wechselt Stebler von den Kopierern zu den Telefaxgeräten. "Die waren etwas handlicher. Sie passten unter den Arm." Schliesslich landet er im Verkauf. Kopier- und Faxgeräte zu verkaufen, sei aber gar nicht so einfach gewesen. Stebler fehlt plötzlich die Glaubwürdigkeit des Technikers. "Aber es hat trotzdem Spass gemacht, es war eine gute Erfahrung." Bis etwa 1993. 

Einige Kollegen Steblers gehen damals an die Technikerschule für Informatik, die KTSI in Pratteln. Microsoft bringt Windows 3.1 auf den Markt. Faxe kann man plötzlich auch von einem PC aus verschicken. "Ich hatte das Gefühl, jetzt wird die Welt erschlossen." Da muss er dranbleiben, denkt sich Stebler und folgt seinen Kollegen an die KTSI.

So wandert er langsam in die IT-Branche. Verkauft zunächst noch Drucker und kommt schliesslich in die Distribution, bei Computer 2000 – heute Tech Data. Von diesem Zeitpunkt an, gibt es für Stebler kein Zurück. Er ist der geborene Verkäufer und kann sich nichts anderes mehr vorstellen. Wegen der Menschen, wie er sagt. "Und die Menschen in der IT sind offener als in anderen Branchen."

Ein PC ohne Antivirus war okay

Stebler entdeckt das Thema Sicherheit für sich. Der Gedanke, ein Verbrechen rein auf elektronischem Wege verhindern zu können, fasziniert ihn. Damals, vor 20 Jahren, habe aber praktisch noch niemand daran gedacht. "Ein PC ohne Antivirus war okay", sagt Stebler. 

Die Faszination für IT-Sicherheit treibt Stebler in die Arme von Integralis, heute NTT Com Security. Doch dort fühlt er sich nicht wohl. 2002 gründet er deshalb gemeinsam mit Kilian Zantop eine eigene Firma. Eine Schweizer Firma für Schweizer Kunden, wie Stebler sagt. Er, der Verkäufer mit Anzug, Krawatte und Glatze, Zantop der Techniker in Ledermantel und mit langen Haaren. "Wir waren wie Dick und Doof", erinnert sich Stebler. 

Der Schweizer Security-Markt ist wie ein Tennisspiel

Am Anfang werden Stebler und Zantop belächelt. Kurz nach der Gründung fragt ein Mitbewerber Stebler an einem Event, ob es ihn und seine Firma überhaupt brauche. "Ich kann dir mehr wegnehmen als du mir", antwortet Stebler. 

Stebler bezeichnet sich selbst trotzdem als fair. Denn der Schweizer Security-Markt sei überschaubar. Jeder kenne jeden. Es sei wie bei einem Tennisspiel, ein Wettkampf. Irgendeiner gewinne am Ende. Dann gebe man sich die Hand und gehe vom Platz. Meistens. "Es gibt einige wenige, die versuchen, in der Pause das Racket zu zerstören", sagt Stebler. 

Eine gewisse Grösse braucht es, damit eine Firma überhaupt in Sicherheit investiert

Steblers Racket ist noch in Ordnung, er kann weiterspielen. Das verdanke er vor allem auch seinem Technikchef Marco Bosshard. Gemeinsam spielen sie die grossen Spiele. Ihre Kunden haben mindestens 500 Mitarbeiter. "Eine gewisse Grösse braucht es, damit eine Firma überhaupt in Sicherheit investiert", sagt Stebler. Er selbst beschäftigt 23 Menschen. Das seien eigentlich zu wenige. Er hätte 2016 gern mehr eingestellt. 13 Stellen könnte er besetzen. Aber Stebler findet die passenden Leute nicht. 

Einer der Gründe liege in der IT-Sicherheit selbst. Die funktioniere heute anders als noch vor 15 Jahren. Früher habe man eine Burg errichtet, einen Burggraben darum herum gezogen und den Eingang mit einer Zugbrücke gesichert. Die Zugbrücke kontrollierte den Zugang. "Inzwischen ist jede Schiessscharte in der Mauer ein Angriffsvektor." 

Mitarbeiter dürfen nicht firmenblind werden

Stebler und sein Team schützen heute deshalb die Schatzkammer, die Kronjuwelen ihrer Kunden, wie er sagt. Firewalls verkauft Execure trotzdem noch. Denn sie seien Standard. "Wir arbeiten heute aber mehr konzeptionell als früher", sagt Stebler. Technisch sei sehr viel möglich, aber man müsse das auch alles warten können. "Viele Firmen haben immer weniger Geld, weniger Personal und viel mehr Arbeit."

Stebler und sein Team unterstützen genau solche Firmen. Sie begleiten sie etwa beim Umzug ihres Rechenzentrums, bei der Datenmigration, sie beraten sie beim Weg in die Cloud, sie schützen ihre Kronjuwelen. 

Stebler ist es wichtig, dass seine Leute nicht zu lange für denselben Kunden oder dieselbe Abteilung eines Kunden tätig sind. "Sie werden sonst firmenblind". sagt er. Security sei zwar eigentlich immer das Gleiche. Das Denken und die Ideen würden sich aber unterscheiden. Genau wie die Art und Weise, wie und welche Kronjuwelen man schützen müsse. 

Das ist dann richtig sicher

Und wie schützt Execure die Kronjuwelen? Das funktioniere wie zuhause mit dem Tresor. Man schaue, wie viele Gegenstände man im Tresor einschliessen wolle. Davon ausgehend berechne man das nötige Volumen, das der Tresor haben müsse. Als Nächstes frage man sich etwa, wie lange der Tresor ein Feuer überstehen können soll. Dementsprechend wähle man den Tresor. "Das ist dann richtig sicher."  

Zuhause kommen vielleicht Schmuck, Uhren und ein teures Gemälde in den Tresor. Doch was sind die Kronjuwelen von Execures Kunden? "Applikationen. Firmenkritische Applikationen, die 7x24 Stunden laufen", sagt Stebler. Dafür sorgt Execure etwa mit einer Web Application Firewall. "Da laufen die Applikationen drüber. Das System lernt die Applikationen kennen und fängt an, den Gürtel enger zu schnallen", sagt Stebler. Vorausgesetzt das System ist richtig konfiguriert. Das würden viele Unternehmen nämlich vergessen. Die Firewall allein schütze nicht. 

Die Cloud eignet sich für kleine und mittlere Unternehmen

Kleine und mittlere Unternehmen sollten sich nach Steblers Ansicht darüber aber gar nicht so viele Gedanken machen. "Die sollen in der Cloud arbeiten", sagt er. Man müsse natürlich unterscheiden zwischen einem 30-Mitarbeiter-Unternehmen, das hochkomplexe Forschungsarbeit betreibe und etwa einer Schreinerei.

Die Forscher sollten nicht in die Cloud, die Schreiner schon. "Viele Leute haben noch nicht verstanden, dass es nicht nur darum geht, Daten vor Diebstahl, sondern auch vor Zerstörung zu schützen." 

Stebler erinnert sich an einen Fall in der Innerschweiz. Dort sei in ein Architekturbüro eingebrochen worden. Die Hintergründe kennt Stebler nicht. Die Einbrecher hätten aber auf jeden Fall sämtliche Computer der Firma mitgehen lassen.

Gerade bei kleinen Firmen noch nicht ganz angekommen

Die Architekten hatten kein externes Back-up. Sie verloren sämtliche Kundendaten und mussten ihre Firma schliessen. "Hätten sie alle Daten in der Cloud gehabt, hätten sie vielleicht nach drei, vier Tagen neue PCs eingerichtet und weiterarbeiten können", sagt Stebler. "Das ist gerade bei kleinen Firmen noch nicht ganz angekommen."

Stebler selbst bietet mit seiner Firma keine Cloud-Dienste an. Er könne eigentlich sofort starten, die Maschinen stünden beim Partner Improware in Pratteln bereit. "Aber es wartet niemand darauf, dass Exexure eine Cloud mit irgendeinem Service aufschaltet", sagt er. Es nütze ihm nichts, mit einer Swisscom mit Cloud-Diensten zu konkurrieren. 

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