Vis-à-vis

Wie Erich Troxler die Schweiz mit China verbindet

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von Coen Kaat

Mit 13 Jahren hat Erich Troxler das IT-Unternehmen Computerline gegründet. Damals bot er noch klassischen Computersupport an, mittlerweile verschob sich der Fokus in Richtung Datacenter-Dienstleistungen. Mit einem speziellen Augenmerk auf China. Im Interview erklärt Troxler, inwiefern die Schweizer China unterschätzen und warum der Schritt nach China nicht so einfach ist.

Erich Troxler, CEO von Computerline. (Quelle: Netzmedien)
Erich Troxler, CEO von Computerline. (Quelle: Netzmedien)

Was bewegt einen 13-Jährigen dazu, seine Lego-Klötzchen beiseite zu legen und ein IT-Unternehmen zu gründen?

Erich Troxler: Computerline begann als Hobby. Ich gründete die Firma nebenbei, als ich noch in der Lehre war. Computer waren damals aber wirklich noch wie Legos. Man musste jede Komponente einzeln bestellen und anschliessend daraus selbst einen Rechner zusammenbauen. Im Gegensatz zu Lego ist es bei Servern aber deutlich tragischer, wenn man die einzelnen Bausteine falsch zusammensetzt. Es kann deutlich mehr kaputtgehen. Das Know-how kam auch mehr oder weniger durch Learning by Failing. Ich probierte einfach mal etwas aus. Manchmal mit Erfolg. Manchmal stürzte aber auch alles ab. Aber so wusste ich immerhin, was ich das nächste Mal anders machen sollte. Heute kann man sich das aber nicht mehr erlauben.

Was meinen Sie damit?

Als ich mit meinem Unternehmen begann, erwarteten die Kunden noch nicht, dass ihre Dienste rund um die Uhr verfügbar sind. Damals gab es ausser dem Internet ja noch andere Kommunikationswege. Ich konnte nachts also Wartungsarbeiten durchführen, ohne dass es irgendwen störte. Wenn ich aber heute Wartungen vornehmen will, muss ich sehr genau darauf achten, dass die Dienste des Kunden nicht unterbrochen werden – nicht einmal für eine Sekunde. Mit georedundanten Servern und den heutigen technischen Mitteln ist das aber auch kein Problem mehr.

Wie hat sich das Unternehmen seit der Gründung verändert?

Als ich Computerline gründete, bestand das Unternehmen nur aus mir und einem einzelnen Server. Ich lebte damals noch auf dem Bauernhof meiner Eltern. Dort hatten wir viel Platz. Da störte es auch nicht, wenn irgendwo ein Server herumstand. Zu Beginn bot ich klassischen Computersupport für Privatkunden an. Mit der Zeit kamen Hosting-Dienstleistungen und auch Firmenkunden hinzu. Als ich 20 Jahre alt war, stellte ich dann meinen ersten Mitarbeiter ein.

Ist der noch immer im Unternehmen?

Im Februar feierte er sein 10-jähriges Jubiläum bei uns. Inzwischen ist er auch am Unternehmen beteiligt und die Anzahl Mitarbeiter stieg auf zehn Personen, wobei unsere Prozesse und Abläufe vollständig automatisiert sind.

Das Unternehmen wuchs also langsam.

Ja, in Bezug auf die Mitarbeiteranzahl ist das korrekt. Wir wollen lieber nachhaltig gute Services anbieten. Alles, was wir verdienen, reinvestieren wir in die Firma. Ausserdem führen unsere Partner sämtliche Dienstleistungen beim Kunden aus. So konzentriert sich jeder auf das, was er am besten kann: Wir fokussieren uns auf die Technologie und Datecenter-Infrastruktur, unsere Partner konzentrieren sich auf die Dienstleistungen vor Ort.

Vermissen Sie diesen Kontakt zum Kunden?

Da ein klassisches KMU zum grossen Teil von einem IT-Partner betreut wird, pflege ich den Kontakt zu den Partnern. Diese arbeiten mit den Kunden teilweise schon seit Jahren zusammen und haben Vertrauen zu ihnen aufgebaut. Eine weitere Instanz dazwischenzuschieben, ergibt keinen Sinn. Wann immer wir doch eine Anfrage direkt von einem Kunden erhalten, schalten wir selbst einen Partner dazwischen. Das müssen wir auch, denn wir haben gar kein Personal, das wir vor Ort senden könnten.

Was erwarten Sie dafür von den Partnern?

Im Gegenzug erwarten wir, dass sie die Kunden zu uns zurückschicken, sobald diese in die Cloud wollen. Aber auch dann kümmert sich der Partner weiterhin um sämtliche Arbeiten, die vor Ort ausgeführt werden.

Dieses indirekte Partnermodell hatten Sie zuerst in Hongkong gestartet. Wieso nicht in der Schweiz?

In China war es nicht anders möglich, da wir keine lokalen Techniker rekrutieren, die vor Ort zum Kunden gehen, sondern uns nur auf die Hosting-Services konzentrierten wollten. Unser Geschäftsmodell anschliessend auch in der Schweiz umzustellen, war ein sehr langer Prozess. Kunden, zu denen man seit zehn Jahren eine Beziehung aufgebaut hat, kann man nicht einfach so in einem Monat abgeben. Wann immer möglich, stimmten wir die Umstellung auf die Refresh-Cycles des Kunden ab. Dann hatte er die Wahl: Entweder er ging in die Cloud zu uns, oder er bliebt bei physischer Hardware vor Ort und wechselte zu einem unserer Partner. Wann immer der Kunde bei einer lokalen Infrastruktur blieb, ermutigten wir den zuständigen Partner natürlich, dem Kunden zumindest noch ein Online-Back-up oder Hosted Exchange zu verkaufen.

Warum machten Sie gleich den weiten Schritt nach China und gingen nicht ins benachbarte Ausland?

Wir expandierten 2013 gemeinsam mit einem Kunden nach Hongkong. Er hatte sehr spezielle Anforderungen und fand keinen geeigneten lokalen Provider. Da witterten wir eine sehr gute Chance für uns. Mittlerweile haben wir uns auf den chinesischen Markt spezialisiert und begleiten Unternehmen, die von Europa nach Asien expandieren wollen. Dieselben Leistungen bieten wir aber auch in die andere Richtung an. Aktuell überwiegen sogar chinesische Firmen, die in die Schweiz wollen.

Wie unterscheidet sich der chinesische vom Schweizer IT-Markt?

Als Schweizer Firma ist es sehr schwierig, in China mit lokalen Unternehmen zusammenzuarbeiten. In der Schweiz oder in den USA kann man einfach einen Server hinstellen und sich Provider nennen. Wie das geht, kann man vermutlich sogar auf Wikipedia nachlesen. In China braucht man dafür ganz bestimmte Lizenzen. Bis man alle hat, vergeht viel Zeit. Ausserdem benötigt man enorm viel Know-how. Sich einfach mal einen Tag lang in die Thematik einzulesen, genügt da nicht. Man muss aufzeigen, was man etwa gegen Spam unternimmt oder wie man die Redundanz gewährleistet. Und dann muss man sich auch noch mit der chinesischen Firewall auseinandersetzen!

Was meinen Sie genau damit?

Der chinesische Markt ist – stark vereinfacht ausgedrückt – durch eine Firewall abgeschottet. Sozusagen die digitale Chinesische Mauer. Diese blockiert einen bestimmten Teil des Datenverkehrs. Was konkret an der Mauer hängenbleibt, variiert von Provinz zu Provinz. Manche blockieren etwa VPN-Verbindungen. Andere nicht. Damit unsere Kunden aber ihre Services in China anbieten können, geht es darum, möglichst effizient und mit wenig Latenz im chinesischen Netzwerk zu landen. Und um das zu bewerkstelligen, ist viel Erfahrung und Kompetenz nötig.

Was sind das für Kunden, die diese Mauer durchbrechen ­wollen?

Wir müssen mit Low Latency im chinesischen Netzwerk sein, aber selbstverständlich legal und nicht irgendwie die Mauer durchbrechen. Unsere klassischen Kunden in dem Bereich kommen etwa aus der Tourismusbranche. Da Touristen eine Stadt natürlich zuerst sehen wollen, bevor sie diese besuchen, haben Reiseanbieter immer viele Videos und Bilder auf ihren Websites. Würde man diese in der Schweiz hosten, würden sie in China viel zu langsam laden. Die Inhalte müssen daher lokal geliefert werden, weswegen wir die Websites unserer Kunden in Hongkong bereitstellen.

Wieso machten Sie sich das Leben schwer und gingen nicht den einfachen Weg über die USA?

Wären wir in die Vereinigten Staaten expandiert, hätten wir viel mehr geografische Regionen erschliessen können. Es gibt aber bereits sehr viele Unternehmen, die diesen einfacheren Weg gegangen sind. Wir konzentrierten uns deshalb darauf, Europa mit Asien zu verbinden. Von unserer Niederlassung in Hongkong aus verbinden wir unsere Kunden mit China, aber auch mit Japan, Malaysia, Singapur oder Taiwan. Das Ergebnis dieser Mühen ist, dass wir jetzt fast keine Konkurrenten haben.

Wie würden Sie China und die Schweiz vergleichen?

Es gibt viele, die sagen, dass China von der Innovationskraft der Schweiz lernen könnte. Aber wer das sagt, unterschätzt China. Die Schweizer IT ist zwar auf einem sehr hohen Niveau. Dennoch müssen wir hier aufpassen. Denn China bewegt sich sehr schnell, und die IT-Landschaft ändert sich entsprechend rasant. China ist längst kein reines Fabrikations- oder Copycat-Land mehr. China ist inzwischen sehr innovativ.

Was könnten die beiden Länder voneinander lernen?

Was die Organisation betrifft, könnte China sicher noch viel von der Schweiz lernen. Wenn es etwa für ein bestimmtes Problem zehn Lösungsmöglichkeiten gibt, würde man in China alle zehn Möglichkeiten ausprobieren. Anschliessend prüft man, welche am besten funktioniert und verfolgt diesen Ansatz weiter. In der Schweiz entscheidet man sich stattdessen nur für eine Option. Allerdings besteht hier wiederum die Gefahr, sich auf eine Lösung zu versteifen – egal ob sie funktioniert oder nicht.

Wie entwickelt sich der Markt für RZ-Dienstleistungen in der Schweiz?

Derzeit gibt es hierzulande sehr viele Betreiber von Keller-Rechenzentren. Also Unternehmen, bei denen irgendwo im Büro noch ein Rack herumsteht und die Provider-Dienstleistungen anbieten. Ihre Ausgaben sind sehr niedrig und ihre Margen daher sehr hoch. Weswegen diese Unternehmen sehr daran hängen. An die Sicherheit der Daten denken diese Firmen aber nicht. Sie haben etwa eine USV-Anlage im Betrieb. Gegen Cyberattacken schützen derartige Anbieter aber nicht. Die Kunden gehen daher vermehrt zu grossen Rechenzentren mit abgesichertem Datenverkehr. Anbieter von Keller-Rechenzentren werden verschwinden. Entweder, weil sich die Unternehmen auf professionelles Hosting konzentrieren, oder weil sie sich um das Vor-Ort-Geschäft kümmern.

Welche Hürden stehen der technologischen Entwicklung aktuell im Weg?

Die Politik hält nicht Schritt mit dem technologischen Wandel. Und wenn sich etwas tut, dann geht es in die falsche Richtung. Ein gutes Beispiel ist das Bundesgesetz betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs – kurz BÜPF. Dieses stellt auch uns einige Hürden in den Weg.

Können Sie ein Beispiel nennen?

Wir bieten in unseren Rechenzentren kostenloses WLAN an. Das ist für unsere Techniker aber auch für unsere Kunden enorm praktisch. Sie können sich darüber einloggen und sogleich sehen, ob ihre Infrastruktur läuft. Das BÜPF will das jedoch verbieten. Denn Unternehmen müssen jeden Benutzer ihres WLANs individuell identifizieren können. Mit dem BÜPF ist so eine legale Dienstleistung also nicht mehr möglich. Gleichzeitig verhindert das Bundesgesetz aber keine Straftaten.

Wo sehen Sie den dringendsten Handlungsbedarf?

DDoS-Attacken, Ransomware, aber auch die Geldwäsche über das Internet sind gesetzlich nicht geregelt. Diese Probleme werden folglich weiter zunehmen. Kürzlich fragte mich ein Kunde, nachdem er das Opfer einer DDoS-Attacke geworden war, ob er zur Polizei gehen sollte. Natürlich empfahl ich es ihm. Die Polizei erfasste dann zwar die Anzeige, aber unternahm anschliessend nichts. Die Anzeige sei nur für die Statistik gewesen. Aber die Polizei kann realistischerweise auch gar nichts unternehmen. Denn die rechtlichen Grundlagen und das Know-how fehlen. Spuren gibt es im Internet immer, wir brauchen nur mehr echte Internetpolizisten, die sich um derartige Fälle kümmern können. Es kann ja nicht sein, dass wir auf diesem Gebiet von den USA abhängig sind.

Mit was für Hardware arbeiten Sie?

Wir verwenden vor allem Produkte von Huawei. Wir gehörten zu den ersten Unternehmen, die in der Schweiz auf Huawei setzten. Als wir die ersten Storage-Lösungen des chinesischen Herstellers in unserem Rechenzentrum einbauten, wusste hierzulande noch niemand, dass Huawei überhaupt Storage-Lösungen herstellt. In unseren neuen Umgebungen kommen auch Server und Switches von Huawei zum Einsatz. Man muss einfach gut planen, wenn man solche Geräte verwenden will.

Weshalb?

Wenn ich bei einem US Hersteller einen Server bestelle, habe ich ihn am nächsten Tag im Haus. Allerdings brauche ich dann zunächst einen Techniker, um das Gerät aufzusetzen und die Firmware zu aktualisieren. Bei Huawei kann es mal länger dauern, bis der bestellte Server eintrifft. Dafür kommt das Gerät richtig konfiguriert. Ich muss also keine Disks mehr einstecken und auch das hinterletzte Einzelteil hat noch im Werk sämtliche erforderlichen Updates erhalten. Meine Techniker können also gleich loslegen mit der eigentlichen Arbeit und etwa VMware aufspielen.

Was halten Sie von Hyperconverged Infrastructure (HCI)?

Ich sehe bei HCI prinzipiell ein Problem: Sie lässt sich nicht so leicht skalieren. Wenn man mehr Storage braucht, kann man das Speichervolumen nicht skalieren ohne zugleich auch noch die Rechenleistung zu steigern. Da alles in einer Box kommt, muss man auch alles immer zugleich erweitern. Für grosse Infrastrukturen oder für flexible Umgebungen eignet sich HCI nicht. Für Kunden, die noch über eine lokale Infrastruktur verfügen, sind die Boxen jedoch durchaus interessant. Sie könnten mit einer HCI-Lösung etwa einen lokalen Cache in einer einheitlichen Umgebung aufbauen.

Wie sinnvoll ist es überhaupt noch für Unternehmen, ihre eigene Infrastruktur zu betreiben?

Auch wenn die Konnektivität in gewissen Regionen noch stabiler sein könnte, gehen immer mehr Unternehmen in die Cloud. Mittel- bis langfristig wird die lokale Infrastruktur komplett oder fast komplett verschwinden. Denn die Fähigkeit, überall arbeiten zu können, schätzen die Nutzer immer mehr. Dieser Aspekt wird auch zunehmend wichtiger als die Kosten, die damit verbunden sind. Die Cloud macht Unternehmen auch flexibler. Sie können schneller umziehen und leichter expandieren. Sie können sich aber auch leichter verkleinern, wenn die Wirtschaftslage umschlägt.

Wie lautet Ihre Botschaft an den Channel?

Auch wenn es gerade gemütlich ist, sollten Unternehmen jetzt nicht stehen bleiben. Denn wir riskieren, dass in der IT-Branche dasselbe passiert, wie bei den Banken. Die haben jahrelang nichts gemacht. Wieso auch? Die Geschäfte liefen super und sie verdienten ihr Geld. Aber mit der Zeit fielen sie hinter die anderen Länder zurück. Es ist essenziell, bei der technologischen Entwicklung am Ball zu bleiben. Denn man muss davon ausgehen, dass ausländische Anbieter noch stärker in die Schweiz vordringen werden. Aber auch die Kunden werden flexibler, da die Geschäftsführer von morgen über ein viel fundierteres Fachwissen verfügen werden. Sie werden ihre Lösungen selbst einkaufen und kombinieren. So wie es in anderen Branchen bereits üblich ist.

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