One-to-One

"Im Oktober eröffnen wir unsere ersten Kleinflächen"

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Nach dem Rückzug von Saturn in der Schweiz hat Media Markt ein neues Konzept ins Auge ­gefasst. Im Interview kündigt Karsten Sommer, CEO und CPO von Media Markt Schweiz, schon dieses Jahr erste Kleinflächen-Märkte an. Auch eine Service-Offensive ist geplant.

Saturn machte 2013 in der Schweiz dicht. Warum ­funktioniert das Konzept mit Media Markt in ­Industriezonen und Saturn in Innenstädten in der Schweiz nicht?

Karsten Sommer: Es war ja nicht so, dass die Saturn-­Standorte in der Schweiz alle in den Zentren waren. Die meisten Kunden wissen ja gar nicht, dass Media Markt und Saturn zusammengehören. Diese Differenzierung ist mittlerweile aufgeweicht. Wenn ein neuer Standort, beispielsweise in Deutschland, geplant ist, setzt man sich hin und schaut, was am sinnvollsten ist. Dann ist der Markt entweder blau oder rot.

Was war denn dann das Problem von Saturn in der Schweiz?

Dass Media Markt in der Schweiz schon so gross und bekannt war. Da war es nicht einfach, Saturn innerhalb kürzester Zeit aufzubauen. In Ländern, in denen Saturn und Media Markt mehr oder weniger zur selben Zeit anfingen, also praktisch auf Augenhöhe als Mitbewerber positioniert sind, funktioniert das Konzept ausgezeichnet. Wenn Saturn zuerst in der Schweiz angefangen hätte, wäre es für Media Markt genauso schwer gewesen. Im Umkehrschluss haben wir vielleicht einfach zu spät mit Saturn angefangen.

Welche Folgerungen ziehen Sie aus der Schliessung von Saturn?

Weder die eine noch die andere Marke hat Präferenzen beim Kunden. Nehmen Sie das Beispiel Österreich. Dort ist Media Markt die Nummer eins und Saturn die Nummer zwei. Sie sind absolut auf Augenhöhe. Das ergibt auch Sinn. Wenn wir eine zweite oder dritte Marke installieren wollen – wir haben ja noch weitere Vertriebsmarken in der Unternehmensgruppe –, dann immer so, dass sie auch die Möglichkeit hat, vorne mitzuspielen. Mit der dritten Mannschaft werden sie nicht die Meisterschaft gewinnen.

Also hat die Schliessung auch nichts damit zu tun, dass Saturns Geiz-ist-geil-Mentalität in der Schweiz nicht besonders gut ankam?

Als der Saturn-Slogan eingeführt wurde, war er äusserst provokant, erregte grosse Aufmerksamkeit und traf vor allem genau den Zeitgeist. Das passte einfach und wurde zum geflügelten Begriff. Der Slogan passt heute aber nicht mehr zur Positionierung. In einer Zeit, in der vor allem vernetzte Produkte immer erklärungsbedürftiger werden, sollte nicht der Geiz im Vordergrund stehen, sondern die Kundennähe.

Wie wollen Sie diese Kundennähe erzeugen?

Wir müssen da sein, wo der Kunde ist. Der ist heute woanders als noch vor zehn Jahren. An unseren grossen Standorten gab es jeweils an Wochenenden ganze Pilgerfahrten. Mit dem Internet hat sich das verlagert. Der Kunde ist nicht mehr bereit, 30 Kilometer am Wochenende mit dem Auto zu fahren, im Stau zu stehen und dann noch 20 Franken für die Parkgebühr zu bezahlen, nur damit er in unseren Läden ist. Das hat aber nicht nur mit dem Internet, sondern auch mit einer anderen Freizeitgestaltung zu tun.

Also wollen Sie über ihren Onlineshop zum Kunden ­gelangen?

Auch, aber nicht nur. Vielmehr setzen wir auf eine Multi­channel-Strategie, um unsere Kunden über alle Kanäle zu erreichen. Wir entwickeln ausserdem gerade ein Kleinflächenkonzept, um auch in die kleinen Städte zum Kunden zu gelangen. Das geht mit unseren grossen Formaten mit 3000 bis 4000 Quadratmetern nicht.

Wie sieht dieses Konzept aus?

Es geht um zusätzliche Touchpoints im Multichannel-Konzept. Der Kunde fordert Nähe. Sobald es ums Thema Fläche geht, sind wir gut. Das machen wir seit mehr als 35 Jahren. Vorher waren unsere Märkte mindestens 2500 Quadratmeter gross. Wenn wir jetzt einen Standort mit 800 Quadratmetern Fläche fänden und ihn klasse fänden, dann würden wir ihn nehmen. Auch wenn er verwinkelt und nicht quadratisch sein sollte. Wir wollen aber auch mit dem Kleinflächenkonzept ein Vollsortiment anbieten. Dafür denken wir über die unterschiedlichsten Möglichkeiten nach: Angefangen bei einem Hochlager bis hin zu einem längeren Fachboden, um möglichst viel vom Sortiment abzubilden.

Wann folgen die ersten Kleinflächen-Märkte?

Das Konzept wird ab diesem Jahr umgesetzt. Ab Oktober wollen wir bereits zwei Kleinflächen eröffnen, weitere werden folgen.

Sie haben die Fläche in Dietlikon verkleinert. Ist das eine Folge des Kleinflächenkonzepts?

Nein, das war eine bauliche Massnahme. Das Problem war, dass die meisten Kundenströme zur falschen Seite den Laden verliessen. Deshalb optimierten wir die Verkaufsfläche. Das ist aber immer noch der Markt mit der grössten gemieteten Fläche, die wir haben. Wir machen mindestens einmal im Jahr eine Standortkontrolle, um zu entscheiden, was man verändern könnte. Es kann passieren, dass wir Flächen anpassen, auch nach oben. Manchmal sind es auch bürokratische Hürden. Ich gehe davon aus, dass wir in der Gesamtfläche eher wachsen, weil die Kleinflächen dazukommen.

Warum arbeiten immer weniger Leute im Media Markt?

Es sind im Vergleich zu früher etwas weniger Mitarbeiter. Wie alle Mitbewerber haben wir weniger Mitarbeiter auf den Verkaufsflächen. Wir versuchen, diesen Trend aber umzukehren. Wir brauchen unsere Leute auf der Verkaufsfläche, kompetente Fachberater sind ganz entscheidend für den stationären Handel. Clevere Lösungen muss es bei der Administration geben.

Also planen Sie eine Zentralisierung?

Nein, so weit will ich definitiv nicht gehen. Die Märkte profitieren von Prozessen der Hauptverwaltung, etwa bei der Lieferscheinbearbeitung. Die Digitalisierung von Prozessen ist ein grosses Thema.

Sie sind zurzeit abgeschlagen zum Wettbewerb. Wie sehen Sie die Entwicklung?

Wir sind nicht abgeschlagen. Gemäss GfK liegen die Umsätze der drei Ersten in einem Abstand von jeweils rund 18 Millionen. Das war auch letztes Jahr so, als wir die Nummer eins waren. Das ist wenig bei fast einer Milliarde Umsatz.

Wieso sind Sie nicht mehr die Nummer eins?

Der Führungsstab wechselt, weil der Markt vermeintlich gesättigt ist. Wir wachsen aber mit dem Markt, in einzelnen Warengruppen sogar etwas besser. Wir sind in der Schweiz eine Art Pure Player: wir bieten nur Elektronik an, wir haben kein Brot und keinen Käse, also auch keine Möglichkeit zur Quersubvention.

Wie hat sich das Geschäft von Media Markt in der Schweiz entwickelt?

Wir haben den Umsatz in unserem Jubiläumsjahr 2014 gesteigert. Wir mussten keine Einbussen hinnehmen, sondern steigerten das Ergebnis. Media Markt Schweiz ist ein profitables Unternehmen und verdient sein eigenes Geld. Wir sind auch nicht von der grossen deutschen Mutter abhängig.

Wie will Media Markt im Onlinehandel wachsen?

Immer stärker als der Markt und das gelingt uns auch. Wir haben unsere Umsätze in den ersten drei Jahren nahezu verdoppelt. Besser kann es also fast nicht laufen, auch in der Schweiz. Vor fünf Jahren schrieb uns die Presse noch tot. Wir hätten das Internet verschlafen und zu viele Märkte. Die gleichen nicken nun anerkennend zu den 1,5 Milliarden Euro Onlineumsatz der Media-Saturn-Gruppe im letzten Geschäftsjahr und loben unser Multichannel-Konzept wegen unserer vielen stationären Märkte.

Wie wollen Sie sich im E-Commerce abheben?

Wir haben heute schon eine Auswahl von gut 250 000 verschiedenen Artikeln und wollen so schnell wie möglich die Million. Da wären wir ganz vorne dabei. Aber online ohne die Märkte funktioniert nicht. Wenn Sie eine Million Produkte haben, müssen Sie in der Lage sein, diese in den Märkten abholen zu lassen. Das wird die grosse Herausforderung sein. Zusätzlich wollen wir uns abheben, indem wir unseren Service ausbauen. Wenn jemand etwas kauft, soll er sicher sein, dass er die Ware nach Hause geliefert bekommt, sie jemand vor Ort installiert und idealerweise die Altware gleich mit entsorgt.

Was ist mit Same-Day-Delivery?

Kaum jemand ist bereit, dafür zu zahlen. Wir schaffen das heute zwar schon zu 90 Prozent, bewerben es aber nicht. Wir arbeiten mit einem grossen Logistikdienstleister zusammen, weshalb wir die Same-Day-Lieferung nicht immer garantieren können. Wer aber online kauft und im Markt abholt, kann sicher sein, sein Produkt genau dann abholen zu können, wann es in seinen Zeitplan passt. Das ist unsere Stärke. Uns geht es vor allem darum, dem Kunden bei Retouren weiterzuhelfen. Da gibt es in meinen Augen zu viele Hürden. Bei Garantiefällen muss jemand vorbeikommen, das Problem lösen und in der Zwischenzeit helfen.

Welche Folgen hatte der SNB-Entscheid auf Media Markt?

Nach dem 15. Januar gingen die Frequenzen dramatisch zurück, dramatischer als die Umsätze. Durch die Preisanpassung sind wir aber wieder auf dem Niveau von vorher. CE-Geräte waren aber schon immer am günstigsten in der Schweiz. Unsere Branche hat es deshalb weniger als jede andere getroffen. Das Problem ist, dass die Leute ins Ausland gehen, um Lebensmittel einzukaufen. Dann sind sie nicht bei uns im Laden. Das Wirtschaftswachstum wird dieses Jahr nicht sensationell sein.

Welche Trends sieht Media Markt für den POS?

Vor allem das Thema vernetzte Welten spielt am POS eine grosse Rolle. Wearables oder Smartwatches sind derzeit ein grosser Trend. Auch bei appgesteuertem Spielzeug wie Drohnen und ferngesteuerten Helikoptern sehen wir ein gesteigertes Interesse, auch Haussicherheit gewinnt an Bedeutung. Generell zieht sich das Thema Vernetzung aber durch alle Sortimentsbereiche: Unterhaltungselektronik, WLAN-Streaming-Lösungen und jüngst auch im Bereich Weisse Ware ist dieser Trend deutlich erkennbar. Unabhängig davon sehen wir auch im Verschmelzen der verschiedenen Kanäle am POS einen Trend, dem immer mehr Händler folgen werden. Media Markt ist hier schon sehr weit, wie beispielsweise der neue Markt in Bern zeigt: Unsere Kunden können echten Multichannel-Handel am POS erleben. Durch die Vernetzung von online und offline, durch interaktive POS-Innovationen, multimediale Produktpräsentationen und Vorführmöglichkeiten entsteht ein ganz neues, faszinierendes Einkaufserlebnis.

Sind weitere Shop-in-Shops geplant, etwa mit Samsung?

Wir implementieren Shop-in-Shop-Systeme dort, wo es sinnvoll ist, wo sich interessante Kooperationen mit starken Partnern ergeben und womit wir unseren Kunden am POS einen echten Vorteil bieten können. Somit ist es durchaus möglich, dass wir weitere Shop-in-Shops schaffen, aber mit Augenmass. In Dietlikon haben wir letztes Jahr einen grossen neuen Markenshop von Samsung eröffnet. Im neuen Media Markt Markthalle in Bern gibt es seit einem Monat den grössten Apple Shop von Bern, und auch Nespresso ist dort sehr prominent vertreten.

Zur Eröffnung der Media-Markt-Filiale in Bern kam es zu Protesten. Wie will Media Markt das Vertrauen der Berner Bevölkerung gewinnen?

In der Region Bern geniessen wir schon, seit 1997 in Lyssach der erste Media Markt eröffnet wurde, das Vertrauen der Bevölkerung. Sonst hätten wir jetzt nicht in der ehemaligen Markthalle einen weiteren Fachmarkt eröffnet, den insgesamt fünften im Kanton Bern – der übrigens schon am ersten Tag einen extrem hohen Kundenandrang verzeichnete.

Von welchen Trends erwartet Media Markt im CE-Geschäft steigende Umsätze?

Einer der Wachstumstreiber ist sicherlich das grosse Thema Vernetzung, aber da verrate ich Ihnen ja kein Geheimnis. Entscheidend ist aber, wie sich der Handel darauf einstellt und das Thema seinen Kunden näher bringt. Für Media Markt kann ich sagen: wir sind gut vorbereitet.

Persönlich

Karsten Sommer ist seit Mai 2012 CEO und CPO der Media-Markt-Gruppe Schweiz. Vor 21 Jahren begann er seine Karriere bei der Media Saturn Holding in Ingolstadt. Zuerst war er im Vertrieb, dann im Einkauf und schliesslich im internationalen Einkauf tätig. Als Media Markt nach Ungarn expandierte, bestimmte Sommer während der ersten drei Jahre als Einkaufsleiter das Geschick des Ungarn-Ablegers mit. 2003 stieg er zum Geschäftsführer von Media Markt Ungarn auf, um schliesslich von 2009 bis 2012 den Posten des dortigen CEO/COO zu bekleiden. Sommer ist verheiratet und hat zwei Kinder.

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