Interview mit Gil Shwed, Check Point

Gil Shwed über Rücktritt, Cybercrime und KI

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Nach dem Militärdienst in Israel hat Gil Shwed mit zwei Partnern die Firma Check Point ­gegründet. Im Interview spricht Shwed über seinen bevorstehenden Rücktritt und die Rolle von KI in der Cybersicherheit.

Gil Shwed, Noch-CEO, Check Point. (Source: zVg)
Gil Shwed, Noch-CEO, Check Point. (Source: zVg)

Sie haben vor Kurzem angekündigt, dass Sie als CEO von Check Point zurücktreten werden. Was hat Sie zu dieser Entscheidung bewogen?

Gil Shwed: Ich bin auf der Suche nach dem nächsten Level für mich und für Check Point. Und es ist nicht so, dass ich zurücktrete, vielmehr mache ich einen Schritt nach vorn. Ich möchte bei Check Point weitermachen. Ich möchte Executive Chairman werden und jeden Tag arbeiten, und ich bin nicht auf der Suche nach etwas ausserhalb von Check Point. Aber ich möchte mich auf weniger Themen konzentrieren. In meinem Job als CEO, den ich jetzt seit fast 31 Jahren ausübe, habe ich mit sehr viel verschiedenen Themen zu tun. Das gefällt mir, aber mein Alltag besteht aus 10 bis 12 Sitzungen von je einer halben Stunde, in denen es immer um ein anderes Thema geht. Ich will mir jetzt etwas Zeit freischaufeln, um ein wenig zukunftsorientierter zu sein, und mich mit ausgewählten Themen beschäftigen. Ich werde sehen, ob es funktioniert.

Haben Sie eine ideale Person im Kopf, die Sie sich für diese Rolle wünschen würden?

Ja, aber man findet nie die ideale Person. Ich suche jemanden, der sich für Cybersicherheit begeistert, der Erfahrung in der Führung eines sehr grossen Unternehmens hat und der sich mehr um Kunden und Partner auf der ganzen Welt kümmert. Es muss jemand sein, der in Israel ansässig ist, weil sich dort die meisten unserer Hauptgeschäftsstellen befinden. Und natürlich muss es jemand sein, der zum Geist von Check Point passt. Werde ich jemanden finden, der all diese Qualitäten hat? Das ist eine gute Frage.

Cybersicherheit hat sich aus der Nische heraus zu einem sehr prominenten Thema entwickelt, das auch in den Medien stärker vertreten ist. Wie hat sich diese Entwicklung auf das Geschäft von Check Point ausgewirkt?

Es hat uns definitiv beeinflusst. Wir haben diesen Bereich vor 30 Jahren sozusagen erfunden, als das Internet gerade aufkam. Und ich glaube, das ist eine sehr nützliche Qualität. Es war sehr interessant, zu sehen, wie sich dieser Bereich entwickelt hat. Wir haben das Glück, in einem Segment tätig zu sein, das auch 30 Jahre später noch sehr relevant ist. Ich wünschte, die Risiken im Internet wären geringer. Ich wünschte, die Sicherheit des Internets wäre höher. Aber trotzdem ist es gut, in einer Branche zu arbeiten, in der es heiss hergeht. Normalerweise ist der Markt für eine Technologie 30 Jahre nach ihrer Erfindung nicht mehr so spannend, aber unser Markt ist noch sehr, sehr spannend. Check Point hat sich von einer einfachen Netzwerk-Firewall, die im Zentrum der Cybersicherheit stand, zu einer Plattform entwickelt, die sehr viele Technologien umfasst. Die Komplexität, die Herausforderungen und die Lösungen, die wir haben, sind heute viel, viel umfangreicher als damals.

Wie Sie sagten, ist Cybersicherheit ein heisses ­Thema geworden. Finden Sie es gut, dass die Menschen sensibilisiert sind, oder sind Sie unglücklich, dass es so viele Fälle gab, in denen Menschen zu Schaden kamen?

Ich bin nicht glücklich, dass Menschen zu Schaden kommen. Man kann argumentieren, dass das gut für unser Geschäft ist, aber das glaube ich nicht. Ich würde es begrüssen, wenn unser Markt kleiner wäre. Einerseits sagt man, dass dann vielleicht die Nachfrage geringer wäre, aber andererseits würde das auch viel weniger Mitbewerber anziehen. Wir befinden uns in einem sehr schwierigen Markt, nicht nur wegen der Angreifer, sondern auch aufgrund der Tatsache, dass es Hunderte von Cybersicherheitsunternehmen und Dutzende von Untersegmenten der Cybersicherheit gibt. Und das ist für uns und vor allem für unsere Kunden sehr verwirrend. Auf dem Markt zu sein und den Überblick zu behalten, ist daher heutzutage eine sehr schwierige Aufgabe. Aber ich glaube, wir machen das ganz gut.

KI ist derzeit in der Technologiebranche allgegenwärtig. Sie haben den Infinity AI Copilot vorgestellt, der, wie Sie sagten, «Ihr neuer Lieblingskollege» sein wird. Ersetzen Sie mit solchen Tools nicht Ihre eigenen Mitarbeitenden?

Vielleicht ersetzen wir gewisse Mitarbeitende. Aber insgesamt wird es für uns alle sehr positiv sein, insbesondere für unsere Mitarbeitenden. Immer wenn uns Arbeit von Computern oder Maschinen abgenommen wird, ist das gut für die Menschheit. Wenn man sich die Geschichte anschaut, vor allem die letzten hundert Jahre, dann wurden viele Dinge, die Menschen früher gemacht haben, durch Maschinen ersetzt. Trotzdem arbeiten die Menschen heute mehr und härter als noch vor ein paar Jahrzehnten. Es wird Bereiche geben, in denen einige Jobs nicht mehr notwendig sein werden. Aber im Allgemeinen wird es den Menschen mehr Möglichkeiten geben, ihre Arbeit auf bessere Weise zu erledigen. Heute können KI-Maschinen Aufgaben erledigen, die relativ einfach sind. Aber es gibt immer noch eine Menge komplexer Aufgaben, die Menschen erledigen müssen. Menschen werden also die Aufgaben übernehmen, die anspruchsvoller sind. Und viele der Routineaufgaben, mit denen wir heute betraut sind, wird KI übernehmen.

Glauben Sie, dass diese Entwicklung für die Menschheit positiv sein wird?

Ich bin überzeugt, dass es sehr positiv sein wird. Ich denke so über fast alle Technologien. Stellen Sie sich einen Mitarbeiter vor, der einen Text schreiben muss. Der Mitarbeiter ist vielleicht nicht sehr gut im Schreiben von Texten. Er wird seine Arbeit viel besser machen können, weil die KI den Text für ihn schreiben kann. Nun können Sie denken: Ich bin Journalist, das Schreiben von Texten ist mein Beruf, ich bin in Gefahr. Aber Sie sind nicht gefährdet. Sie müssen anspruchsvoller sein, Sie müssen schlauer sein. Aber viele der grundlegenden Aufgaben, die Sie erledigen – lesen, recherchieren, schreiben – werden Sie automatisieren können, und Sie werden diesen superschlauen Assistenten haben, den Sie aber immer noch anleiten müssen. Das bedeutet, dass Sie mehr Geschichten schreiben werden und dass deren Qualität höher sein wird. Ich glaube also nicht, dass wir Angst vor KI haben müssen. Ich glaube, wir müssen sehen, wie wir KI zu unserem Vorteil nutzen können.

Eine Gruppe, die KI bereits sehr zu ihrem Vorteil nutzt, sind Cyberkriminelle, die KI für automatisiertes Phishing oder das Fälschen von Stimmen einsetzen. Wie wägen Sie die Vorteile der KI gegen die Gefahr ab, dass sie sehr leicht von Bedrohungsakteuren manipuliert und missbraucht werden kann?

Das ist sehr philosophisch, aber ich glaube, diese Abwägung passiert bei jeder Technologie. Jede neue Technologie birgt Risiken, aber sie hat auch viele Vorteile. In den meisten Fällen überwiegen die Vorteile bei Weitem. Immer, wenn etwas Neues eingeführt wird, haben wir grosse Angst, weil wir Angst vor Veränderungen haben. Wir sehen Gefahren, manchmal zu viele, manchmal nicht genug. Die Risiken sind real, und ich versuche nicht, sie herunterzuspielen. Feuer zum Beispiel ist gefährlich. Es kann Menschen verletzen oder töten. Aber stellen Sie sich unsere Welt ohne Feuer vor. Wenn jemand verbrennt, hat das keinen Einfluss auf unseren Einsatz von Feuer. Und mit Autos ist es dasselbe. Jeden Tag werden Menschen durch Autos verletzt. Aber leben wir besser mit Autos? Natürlich tun wir das. Sterben dadurch mehr Menschen? Nein, jetzt, da wir Autos haben, sterben viel weniger Menschen als früher. Weil man sie mit einem Auto ins Krankenhaus bringen kann. Weil man Menschen in entlegenen Regionen mit Lebensmitteln und Hilfsgütern versorgen kann. Als das Internet in den späten 90er-Jahren aufkam, hatten die Leute Angst, dass man im Internet Waffen und Drogen kaufen könnte, dass man bösartigen Inhalten ausgesetzt sein oder dass es im Internet zu Verbrechen kommen könnte. All das ist real, aber können wir uns unser heutiges Leben ohne das Internet vorstellen? Wir können die guten Dinge sehen, die dadurch entstanden sind. Man kann auch überlegen, dass das Internet Arbeitsplätze abgebaut hat, weil man plötzlich E-Commerce betreiben kann und stationäre Geschäfte vielleicht weniger konsultiert werden. Viele Geschäftsmodelle haben sich durch das Internet verändert, aber im Grossen und Ganzen ist es sehr gut für unser Leben, und die Wirtschaft ist viel grösser geworden, die Arbeitslosenquote ist viel niedriger als früher. Ich denke also, dass die Technologie insgesamt gut ist, wir müssen nur sicherstellen, dass wir sie zu unserem Vorteil nutzen und die Risiken, die sie mit sich bringt, minimieren. Speziell bei der KI sind wir noch dabei, herauszufinden, wie wir mit diesen Risiken umgehen können.

Im Moment sprechen wir ständig über künstliche Intelligenz, aber sie ist noch nicht wirklich intelligent. Wenn wir aber an diesem Punkt ankommen sind, glauben Sie, dass wir dann Gefahr laufen, dass eine künstliche Intelligenz beschliesst, böse zu sein?

Ich hoffe nicht. Und ich meine, es liegt in unserer Verantwortung, die Technologie zu kontrollieren. Nochmals, sie ist riskant, sie ist gefährlich, aber sie ist die Zukunft.

Aber es ist nicht etwas, das Sie nachts wachhält?

Ich bin von Natur aus eher optimistisch. Deshalb mache ich mir darüber weniger Sorgen. Die Risiken sind da. Wir müssen sie beherrschen. Aber ich glaube, dass wir die KI grösstenteils zum Guten nutzen können.

 

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