Nachgefragt

Was macht eigentlich … Reto Bieler?

Uhr | Updated
von Erhard Rüttimann
Reto Bieler, Bieler und Partner
Reto Bieler, Bieler und Partner

Was war der Grund für Ihren Abgang bei Siemens?

Ich war bei Siemens relativ schnell die Karriereleiter hochgestiegen – bis ich plötzlich merkte, dass die Leiter am falschen Baum stand.

Was hat das bei Ihnen ausgelöst?

Zuerst einmal Unsicherheit. Aber nachdem ich die Situation mit meiner Frau besprochen hatte, kündigte ich und wir reisten gemeinsam sechs Monate mit dem Tramperrucksack um die Welt.

Wussten Sie, was Sie danach machen wollten?

Nein, eigentlich nicht. Ich wusste nur, dass ich mit und für Menschen tätig sein wollte. Das war für mich eine wichtige Erkenntnis. Das führte dann aber zu einer sehr unsicheren Phase.

In welcher Hinsicht?

Unsicher in dem Sinn, dass ich mich fragte: Was sind meine Kernkompetenzen? Was kann ich wirklich gut? Wofür sind Leute bereit, mir Geld zu bezahlen? Gibt es genug Aufträge? Soll ich mit Partnern oder allein arbeiten? Rasch kristallisierte sich heraus, dass ich allein arbeiten wollte, aber in einem kleinen, feinen Partnernetzwerk, in dem dieselben Werte und die Professionalität geteilt werden.

Wie ging es weiter?

Ich hatte zuerst einmal definiert, was ich anbieten wollte: die Beratung von Unternehmen bei der Strategieentwicklung, das Begleiten von Veränderungsprozessen sowie das Coaching von Führungskräften und Teams. Und dann erhielt ich auch gleich einen Auftrag. Parallel zur Arbeit machte ich die Ausbildung zum systemischen Berater.

Und woher kamen die Aufträge?

Aus meinem Beziehungsnetz. Ich habe nie akquiriert.

Wie war der Übergang in die neue Arbeit?

Es gab Hochs und Tiefs. Es gab Momente, in denen ich zweifelte, ob ich das überhaupt kann. Und obwohl ich einen strukturierten Tag hatte, kam es vor, dass ich um 9 Uhr mein Heim-Büro verlassen musste, um einen Kaffee trinken zu gehen. Einfach, damit ich unter die Leute kam. Dieses Isoliert-Sein war zu Beginn sehr schwierig.

Wie war das verglichen mit dem Manager-Job?

Als Manager war ich eingebunden in ein Unternehmen. Es gab viele Besprechungen oder Kundentermine. Oder ich hatte Zeit, um etwas vorzubereiten. Der ganz grosse Unterschied war, dass ich am Anfang noch nicht so viele Aufträge hatte und dafür mehr Freizeit, als ich mir wünschte.

Wie lange dauerte es, bis Sie wieder mehr zu tun hatten, als Sie bewältigen konnten?

Das habe ich nie aufkommen lassen. Ich wollte neben der Arbeit meine Hobbys und Interessen ausleben und war bereit, weniger zu verdienen. Ich wollte mich zwei Wochen pro Jahr in die Stille zurückziehen und fünf bis sieben Wochen Ferien machen. Ich wollte auch all meine Ämter, etwa als Captain im Golfklub oder meine Arbeit in der Kirchgemeinde, wahrnehmen und meine Freundschaften pflegen. Und das klappte wirklich gut.

Und wie rasch hat sich das eingespielt?

Sehr schnell. Ich hatte am Anfang Glück mit zwei grösseren Aufträgen, sodass sich die Arbeit zusammen mit der Ausbildung bereits im ersten Jahr gut eingespielt hat.

War das wirklich nur Glück?

Nicht nur. Einer der beiden Aufträge kam zum Beispiel von einem Werkstudenten, den ich bei Siemens beschäftigt hatte. Und als ich kommunizierte, was ich neu mache, sind viele auf mich zugekommen. Was bei mir wirklich ganz wichtig war, sind meine reflektierten und gelebten Werte. Das machte ich während meiner ganzen Karriere und das half mir auch am meisten.

Gelebte Werte als Erfolgsfaktor?

Als Coach ist man in einer vertrauensvollen Position. Persönliche Integrität und die Werte, die einen leiten, sind für den Erfolg ausschlaggebend. Das hatte ich zuvor fünfzehn Jahre lang gesät. Ich war immer klar vorhersehbar. Man weiss, woran man bei mir ist.

Vermissen Sie etwas aus der ICT?

Ich bin dankbar für die schöne Zeit. Ich habe viel gelernt, viel profitiert und konnte viele wertvolle Erfahrungen sammeln. Aber vermissen tue ich gar nichts.

Webcode
gkqyHZvS