Wissen Kolumne

Auch im Marketing strebt man nach Effizienz - und vielleicht liegt darin ein Fehler?

Uhr | Updated
von Jean-Pierre Jamet

Jean-Pierre Jamet analysiert in seiner Kolumen den Zusammenhang zwischen Effizienz und Erfolg: Je mehr man das Eine wolle, desto weniger habe man das Andere.

Jean-Pierre Jamet
Jean-Pierre Jamet

Ein Paradox, das mich schon seit jeher fasziniert hat, ist die Heisenbergsche Unschärferelation. Sie ist so faszinierend, weil sie mathematisch beweist, dass man nicht gleichzeitig die Geschwindigkeit und die Position eines Partikels messen kann. Will man den einen Parameter messen, entwischt einem der andere. Im Marketing scheint es bezüglich Effizienz und Erfolg genauso zu sein: Je mehr man das Eine will, desto weniger hat man das Andere. Man kann dies anhand zweier Paradoxe illustrieren.

Das erste Paradox ist Folgendes: Je mehr man eine Zielgruppe eingrenzen und zugunsten der Effizienz Streuverlust vermeiden will, umso mehr verpasst man gewisse potenzielle Kunden – ganz einfach, weil die Grenzen nicht geradlinig sind.

Das zweite Paradox ist eine andere Art, dasselbe Phänomen zu betrachten. Je mehr man ein Selektionskriterium präzisiert, umso mehr Unschärfe produziert man. Tatsächlich kann ein Kriterium nicht auf der ganzen Datenbank, die man benutzt, gleich präzise sein. Alle Klassifikationskriterien sind von jenen abhängig, die diese Information gesammelt, als auch von jenen, die sie gegeben haben, und dies erzeugt viel Unschärfe.

Nehmen wir als Beispiel die Aktivität einer Firma. Wenn ich die chemische Industrie selektieren will, wird dies problemlos möglich sein, da dieses Kriterium sehr allgemein, das heisst wenig präzise ist.

Will ich nun Unternehmen selektieren, die "sonstige anorganische Grundstoffe und Chemikalien produzieren", besteht das Risiko, all jene Firmen zu verpassen, für die es nicht möglich war, die präzise Aktivität zu bestimmen, weil der Informationensammler beispielsweise das Konzept "anorganisch" nicht versteht oder weil die Firma mehrere Aktivitäten hat und in einer anderen Kategorie eingeordnet ist und so weiter. Und was wäre, wenn man mehrere Kriterien kombiniert? Nun ja, mathematisch gesehen vergrössert man dann eben die Unschärfe, statt sie zu verkleinern.

Man sieht also: Will man es zu gut machen, vermindert man die Erfolgschancen. Sollte man sich dem Zufall ergeben? Wieso eigentlich nicht? Mundpropaganda war schon immer die beste und effizienteste Art, neue Kunden zu finden, sie ist vollkommen zufallsbedingt! Dem Zufall den Platz überlassen heisst, einer "unqualifizierten Firma" zu erlauben, Kunde zu werden!

Sozialnetzwerke sind genau die Orte, wo der Zufall sich konkretisieren kann. Dank des "von Kontakt zu Kontakt" wird man Personen finden, die man nie hätte selektieren können, und noch zufälliger wird man von unerwarteten Personen gefunden werden.

In gewissen Netzwerken, wie beispielsweise Facebook oder Google+, ist die Wahrscheinlichkeit von nützlichen Kontakten sehr gering. In Businessnetzwerken wie Xing oder LinkedIn steigt die Wahrscheinlichkeit bereits. Es gibt auch spezialisierte Businessnetzwerke, wie beispielsweise ICT-Synergies für die Informatik, die einen homogenen Bestand vereinigen und dadurch die Möglichkeit schaffen, einen Austausch rund um die gemeinsamen Interessen zu organisieren. Dort wird praktisch jeder Kontakt zu einem nützlichen. Vielleicht läge das Optimum darin, seine Zielgruppen auf ein Businessnetzwerk einzuladen und sich rund um Themen von Interesse auszutauschen.

Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass diese Strategie unverhofft eine hohe Quote positiver Reaktionen mit sich bringt.

Über Jean-Pierre Jamet

Jean-Pierre Jamet gründete 1991 die JPJ Direct Marketing AG (heute Profondia AG) und leitete das Unternehmen bis 2010. Mit Datenmarketing, Mailings und Telefonmarketing unterstützte er 20 Jahre lang IT-Firmen in der Kundenakquisition. Heute ist er als Berater mit seinem Unternehmen Incomtec Consulting GmbH unterwegs. Jamet betrachtet die verbreitete Nutzung sozialer Netzwerke als äusserst vielversprechendes Mittel für das Marketing, das ganz neue Möglichkeiten im B2B eröffnet. Er ist einer der Initiatoren des Projekts ICTSynergies Network. ICT-Synergies ist ein auf das Schweizer ICT-Business fokussiertes soziales Netzwerk.

Webcode
28wGZpPB