Umfassendes Schutzkonzept

Mit der Glasfaser einmal um die Welt

Uhr | Updated
von George Sarpong

Gegen Fluten, Erdbeben und Sabotage gewappnet, präsentiert sich das Rechenzentrum Albis der Organisation und Informatik der Stadt Zürich (OIZ). In seinem Inneren pulsieren die Daten über dicke Kupferleitungen und Glasfaserkabel, die in ihrer Gesamtlänge die Welt umspannen könnten.

Rechenzentren oder Colocation-Center wirken gegen aussen meist nichtssagend, doch in ihrem Inneren faszinieren sie mit Hightech. So auch das Rechenzentrum der Organisation und Informatik der Stadt Zürich (OIZ). Ein Dorado für Hightech-Liebhaber, eine reine Notwendigkeit für die Stadt Zürich. Im Gebäude an der Albisriederstrasse 201 will die Stadt ihre IT konzentrieren und konsolidieren. Auf dem Gelände, das die Stadt Zürich vor fünf Jahren vom Elektronikkonzern Siemens übernommen hatte, entstand eines der modernsten, sichersten und effizientesten Rechenzentren Europas, wie Betriebsleiter Patrick Eggeler erklärt.

Umfassendes Schutzkonzept

Das Konzept basiert auf einem Zwei-Standort-Betrieb. Der Hauptstandort Albis liegt an der Albisriederstrasse und wird ergänzt durch den Zweitstandort Hagenholz, der in acht Kilometern Entfernung liegt.

Das Rechenzentrum (RZ) Albis ist seit gut einem Jahr in Betrieb und wird durch betriebseigenes Personal unterhalten.

Beide Gebäude befinden sich ausserhalb hochwassergefährdeter Gebiete und gelten als erdbebensicher. Auch gegen Angriffe wie Sabotage oder Terroranschläge sieht sich Eggeler gewappnet. Nach den Standards des Uptime-Instituts entspricht die Stromversorgung des RZ Albis dem Tier-IV-Level. Hierfür wurde das RZ an zwei Mittelspannungsunterwerke der EWZ angeschlossen. Die Raumkühlung entspricht der Klasse Tier-III. Wegen der Tier-III-Bewertung für die Kühlung präsentiert sich das Datacenter insgesamt als Tier-III-Infrastruktur.

Refinanzierung über Colocation-Angebot

Allerdings braucht die OIZ nicht die ganze Fläche für sich. 1200 Quadratmeter unterhält sie für ihre eigene IT. Hierzu zählt eine 100-prozentig virtualisierte Unix-Umgebung. Die auf Windows basierende Infrastruktur weist einen Virtualisierungsgrad von 80 Prozent auf. Für die Hardware verwendet die OIZ momentan zwei 300 Quadratmeter grosse Zellen, eine für Server, eine weitere für Storage. Eggeler schätzt, dass der Speicherbedarf der OIZ von 900 Terabyte heute auf bis zu drei Petabyte im Jahr 2015 anwachsen wird. Das RZ wurde für die nächsten 30 Jahre gebaut. Das bedeutet, dass in den ersten Jahren noch Freiflächen bestehen. Diese werden vermietet, da sie sonst leer stehen würden. Es ist aber nicht Teil der IT-Strategie der Stadt, RZ-Fläche zu vermieten.

Allerdings soll die Anlage möglichst kosteneffizient betreiben werden. Mit 1500 Quadratmetern vermietet die OIZ derzeit das rund Eineinhalbfache der eigenen Fläche an Dritte, wie etwa an die Bank Julius Bär. Die Mieteinnahmen durch Colocation sollen helfen, einen Teil der Gesamtkosten von rund 140 Millionen Franken wieder hereinzuholen. Darüber hinaus helfen die Einnahmen mit, die IT-Ausgaben der Stadt Zürich zu finanzieren.

Die Bevölkerung, als Steuerzahler letztlich die Finanziers des OIZs, profitiert auch von einem "Abfallprodukt" der beiden Rechenzentren: der Abwärme der IT-Systeme. "Wir heizen mit unseren Rechnern im Endbetrieb 800 Wohnungen", betont Eggeler. Das dient auch dem Wunsch nach Green-IT. Das OIZ will das erste Rechenzentrum im Dual-Betrieb mit einer Zertifizierung für Energieeffizienz in der Schweiz unterhalten.

Kabelanbieter mussten Erfahrung vorweisen

Im RZ Albis leiten hunderte Kilometer Kabel Energie und Daten. Im Jahr 2011 hatte der Zürcher Stadtrat das zugehörige Projekt gemäss den Regeln der Welthandelsorganisation WTO ausgeschrieben. Laut dem Protokoll der Sitzung aus dem Jahr 2011 verlangte die OIZ von den Anbietern neben der "fach- und termingerechten Erbringung der Dienstleistung" auch die neueste Technik. Auf diese Weise wollten die OIZ ihre Rechenzentren auch mit der richtigen Wahl der Kabel auf "grün" trimmen.

Der Anforderungskatalog umfasste die Elek­troinstallationen für die Serverräume, die Kommunikationsverkabelung und die Power Distribution Unit (PDU). Der Preis rückte bei der Evaluation in den Hintergrund, er wurde lediglich zu 25 Prozent berücksichtigt. Wichtiger war der OIZ, dass die Anbieter die Anforderungen erfüllen konnten, um die späteren Betriebskosten tief zu halten. Am wichtigsten war den Auftraggebern – mit 45 Prozent Gewichtung – die Überzeugungskraft des Angebots.

Den Siegern der Ausschreibung winkte ein Zuschlag für Aufträge während der nächsten vier Jahre für die Ausrüstung beider Datacenter. Hersteller, die sich daran beteiligt hatten, mussten etwa nachweisen, dass sie in den drei Jahren zuvor mit ihren Produkten im Rahmen vergleichbarer Projekte Erfahrungen gesammelt hatten. Für die Elektroinstallation der Serverräume hatten sich sieben Hersteller beworben. Die eingereichten Angebote reichten von 2,2 bis 7,5 Millionen Franken. Den Zuschlag erhielt Etavis, dessen Offerte "durch eine ausgezeichnete Produktqualität und beste Erfüllung des Anforderungskatalogs" überzeugte.

Im Wettbewerb um die PDUs hatte sich das Unternehmen Knürr Emerson Network Power gegen die Anbieter Rittal und Schneider Electric durchgesetzt. Auch hier war der Preis eher von untergeordnetem Rang: Während Rittal knapp 900 000 Franken für sein Angebot verlangt hatte, wollte der Sieger Knürr Emerson knapp 1,6 Millionen Franken.

Kupferkabel aus Schweizer Produktion

Für die Kommunikationsverkabelung beauftragte die OIZ letztlich die beiden Hersteller Maréchaux Elektro aus Luzern und die Dätwyler-Gruppe, die mit 2 Millionen Franken auch das günstigste Angebot unterbreitet hatte. Kupfer wird in beiden Rechenzentren wenig verwendet. Die eingesetzten Kupferleitungen entsprechen der Leistungsklasse 7 für Datenübertragungen mit bis zu 1200 Megahertz. Die Stecker wiederum gehören zur etwas schwächeren Kategorie 6. Grossen Wert legte die OIZ darauf, dass die Kupferleitungen in der Schweiz produziert wurden.

Das Gros der Daten wird aber über Glas geleitet: 85 Prozent aller Verbindungen laufen über OM3-Glasfaserleitungen. 600 Kilometer sind es insgesamt. "Würde man die einzelnen Fasern daraus aneinanderreihen, so würden diese die Welt umspannen", erzählt Eggeler voller Begeisterung. Dätwyler liefert die benötigten Kabel vorkonfektioniert und werkseitig geprüft, einschliesslich der Messprotokolle. Wenn eine neue Leitung gezogen werden muss, dann verkabelt das IMAC-Team des OIZ die Datenleitungen selbst.

Für das IMAC-Team (IMAC = Install, Move, Add, Change, Anm. d. Red) arbeiten 12 Techniker aus den Bereichen Gebäudeautomation, elektrische Installationen, Heizung-, Klima- und Lüftung sowie Spezialisten für Verkabelungen und Hardware. Eggelers Team nutzt MTP-/MPO-Stecker mit je 12 Fasern. Die Leitungen bieten Bandbreiten bis zu 40 Gbit/s. Dabei müssen die Techniker genau wissen, welche Faser sie wo anschliessen müssen. Hierbei hilft ihnen KMS Quattro, ein Kabelverwaltungstool der RDM Systeme AG. Die Kabel sind, wie bei den meisten modernen Rechenzentren, im Deckenbereich verlegt. Die Ummantelungen sind halogenfrei und widerstehen im Brandfall für längere Zeit Flammen und Hitze.

Lieber Kabel als WLAN

Bei der modernen Datenübertragung spielt heute Funk eine wichtige Rolle. Nicht so in den Rechenzentren der OIZ. Funk gilt als eher verpönt im Datacenter-Geschäft. So spielt die Datenübertragung via WLAN eher im Office-Bereich eine Rolle. Hinzu kommt: Daten könnten auf dem Luftweg die Aussenwand des Rechenzentrums Albis überhaupt nicht durchdringen. Das Gebäude ist nämlich mit einem feinmaschigen Metallgitter verkleidet. Was auf den ersten Blick wie eine Veredelung des Baus durch den Architekten wirkt, ist in Wirklichkeit ein Faraday-Käfig. Somit werden auch in Zukunft Kabel das Mittel der Wahl in den Rechenzentren Albis und Hagenholz der OIZ der Stadt Zürich sein.

Webcode
S3ezCaPq