Business-Software

Podium-Antworten von François Berger, Enventa ERP Schweiz AG

Uhr | Updated
von Marc Landis
François Berger, Enventa ERP Schweiz AG
François Berger, Enventa ERP Schweiz AG

Wie muss sich der Channel aufstellen, um in Verkauf und Implementierung von Business-Software erfolgreich zu sein?

François Berger: Die Channel-Landschaft wird heute ja gerne als Ökosystem bezeichnet, was nicht so abwegig ist, da in dieser Landschaft jeder Teilnehmer eine klare Aufgabe zu erfüllen hat. Die heute am Markt verbreiteten Lösungen haben schon gezeigt, was der richtige Lösungsansatz zum Erfolg ist. Optimierungsmöglichkeiten gibt es natürlich auch da. Denn es gilt, den drei System-Teilnehmern klare Aufgaben zuzuordnen.
Erstens: Der Software-Hersteller ist verantwortlich für die Entwicklung und laufende Erweiterung einer funktionell umfassenden, horizontal ausgerichteten und stabilen Lösung, die auch laufend und schnell an neue Marktbedürfnisse angepasst werden muss. Zweitens: Ländervertretungen sind für Anpassungen an einzelne Ländergegebenheiten - gesetzliche Anforderungen und Usanzen - verantwortlich. Für die Schweiz sprechen wir von der „Helvetisierung“. Dazu gehört z.B. 5-er-Rundung, Telebanking, LSV usw. Drittens: Die Ländervertretung sollte Implementierungspartner bedienen und unterstützen, die Endkundenlösungen in ihren vertikalen Märkten realisieren. Dabei sollen die Implementierungspartner die Software mit Branchenerweiterungen - dank heute zur Verfügung stehender Technologie - vertikalisieren. In diesem Bereich wurden in der Vergangenheit grosse Fehler begangen. Wir bei Enventa legen grossen Wert auf die Branchenorientierung der Partner. Damit erreichen wir einerseits eine bessere Funktionstiefe in den einzelnen Branchen, bessere Software-Qualität, höhere betriebswirtschaftliche Kompetenz der Partner, höhere Marktdurchdringung und last but not least vermeiden wir Konkurrenzsituationen unter den Implementierungspartnern.

Wohin entwickelt sich der Markt bei CRM, ERP und Co.?

Aus meiner Sicht, kann ich nur über die Welt der KMU sprechen. Hier stellen wir fest, dass sich Produktlebenszyklen immer mehr verkürzen, Märkte und Anforderungen sich laufend verändern, der Kostendruck immer mehr zunimmt. Die Anforderungen der Kunden an die Unternehmen werden immer komplexer. Kunden- und Lieferantenbeziehungen sind nicht mehr in Stein gemeisselt. Die Unternehmen müssen sich immer mehr auf ihre Kernkompetenzen zurückbesinnen und Leistungen von anderen Marktteilnehmern beziehen, um den Anforderungen der Kunden nach Lösungen aus einer Hand gerecht zu werden.
Daraus ergeben sich folgende Konsequenzen für die Software-Industrie.
• Prozesse müssen auch unternehmensübergreifend und ohne Medienbrüche abgewickelt werden können. Optimierungen sind auch firmenübergreifend dringend notwendig.
• Sogenannte Intercompany Prozesse (auch innerhalb eines Konzerns) gehören heute zum Alltag.
• Letzteres - aber auch im Zuge der Globalisierung - ruft auch nach mehrsprachigen und mehrwährungsfähigen Lösungen.
• Die Anforderungen an die Software (Business, ERP) werden immer komplexer und umfassender.
• Software-„Bauteile“ wie CRM, ERP, DMS, eCommerce, CAD usw. können nicht mehr einzeln und unabhängig voneinander betrieben werden.
• Business-Software-Lösungen müssen über einen umfassenden Funktionsumfang verfügen und die erwähnten mehrsprachigen und mehrwährungsfähigen Komponenten integrieren können.
• Um die Implementierungszeit zu verkürzen und die Anforderungen einzelner Branchen erfüllen zu können, müssen verschiedene Ausprägungen der Software angeboten werden können (Best Practice Templates, APPS, Packages usw.).

Genau so wie sich das Umfeld der KMU entwickelt, muss auch eine zukunftsträchtige Business-Software in der Lage sein, schnell auf neue Marktsituationen und Anforderungen der Kunden reagieren zu können. Da eine immer höhere Integration einzelner Software-Komponenten gefordert wird, Medienbrüche zu vermeiden sind, firmenübergreifende Prozesse abgebildete werden müssen, werden nur Lösungen überleben, die in der Lage sind, mit anderen Systemen zu kommunizieren oder gar zu integrieren. Das Schlüsselwort heisst Webservices.
Der Wunsch nach der „individuellen Standard-Software“ erscheint zwar paradox, ist aber inzwischen bei KMU Realität geworden. ERP-Software-Hersteller, die es in Zukunft nicht schaffen, die Software zu individualisieren, ohne dabei die Release-Fähigkeit zu gefährden, werden nicht überleben. Unter diesen Aspekten leuchtet es ein, dass nur Lösungen neuster Technologie (SOA, 3-Schichten-Architektur, Webfähigkeit) kaum eine Chance im Markt haben werden.
Welchen Status haben Cloudlösungen heutzutage bei der Bereitstellung von Business-Software in den Unternehmen?
Auf den ersten Blick scheint Cloud einfach eine neue Form von „Rechenzentrum“ zu sein. Mit Cloud eröffnen sich neue Möglichkeiten sowohl für Nutzer als auch für Anbieter. Nutzer kaufen und mieten keine Software. Sie mieten Anwendungsdienste. Dies gilt auch für die SaaS-Modelle, mit dem Unterschied, dass bei Cloud Dienste dynamisch zu- oder abgeschaltet werden können. Zum Beispiel Ressourcen wie CPU, Disk etc, in Spitzenzeiten oder Anzahl Benutzer, je nach Situation und Bedarf. Für die Anbieter ergibt sich der Vorteil, dass sie nicht in grosse Infrastrukturen investieren müssen, um ihren Kunden Lösungen anzubieten. Für Datensicherheit und maximale Verfügbarkeit ist ebenfalls gesorgt. Anbieter von Cloud-Rechenzentren wie Microsoft sind dem Datenschutz-Abkommen „Safe Harbor“ beigetreten und erklären damit ihre Konformität mit europäischen Datenschutzgepflogenheiten. Ausserdem bieten diese Unternehmen ein dokumentiertes Informationssicherheitsmanagement nach ISO/EC 27001. Zurzeit bestehen noch bei einigen Unternehmen Bedenken bezüglich der Datensicherheit, bzw. Datenklau. Wenn einmal die ersten Projekte diese Zweifel beseitigt haben, wird sich die Cloud ähnlich dem Internet stark verbreitern. Dabei werden sich auch die heute bekannten Lizenzmodelle der Anbieter in Richtung „Verbrauchslizenzierung“ wandeln.
Im Fokus der Anbieter stehen vorwiegend kleinere Unternehmen, die keine grossen Start-Investitionen tätigen können oder wollen, möglichst schnell produktiv arbeiten möchten und Flexibilität sowie hohe Skalierbarkeit fordern. Im Business-Software-Umfeld werden sich grössere Unternehmen nach wie vor eine eigene Infrastruktur leisten. Sie erhalten so ihre Unabhängigkeit und ihr eigenes IT-Know-how. Geeignet sind deshalb vertikale Lösungen für Branchen, die duplizierbar sind und einen sehr geringen Einführungsaufwand verursachen. Dass für die Cloud die Business-Software auf neuster Technologie aufgebaut sein muss, ist eine Grundvoraussetzung

Wo sehen Sie Probleme/Herausforderungen im Geschäft mit Business-Software?

Es gibt ein paar Schlüsselfaktoren für den Erfolg von moderner Business-Software (Aufzählung nicht vollständig):
• Die Software muss flexibel, individualisierbar und release-fähig sein
• Sie muss hohen Qualitätsanforderungen entsprechen und stabil sein, obwohl sie laufend im Schnellzugtempo weiterentwickelt werden muss.
• Sie muss modular und skalierbar sein.
• Sie muss in der Lage sein „Umsysteme“ einzubinden. Z.B. Webshop, Google Mapps, Telefon- und Betreibungsauskunftsdienste, Microsoft Outlook, GPS etc., um nur einige Beispiele zu nennen.
• Sie sich an die Prozesse eines Unternehmens „anschmiegen“ können.
• Sie muss mit möglichst geringem Dienstleistungsaufwand in Betrieb genommen werden können.
Marketingseitig behaupten die meisten Marktteilnehmer alle diese Vorzüge anbieten zu können. Wer den Beweis aber nicht antreten kann, wird Mühe haben, im Markt zu überleben.

Wie sind die Zukunftsaussichten im Geschäft mit Business-Software?

Die Software-Industrie steht vor grossen Herausforderungen. Durch die erhöhte Dynamik und den täglich wachsenden Herausforderungen der Unternehmen entstehen aber auch neue Chancen, die neuen Technologien in direkten Nutzen umzuwandeln. Dies kann nur mit Fachkräften gelingen, die über ein umfassendes und tiefgreifendes Know-how sowohl in der IT als auch im betriebswirtschaftlichen und unternehmerischen Bereich verfügen. Ich befürchte, dass es die Schweiz in den letzten Jahren verpasst hat, die Ausbildung solcher Fachkräfte an unseren (Fach) Hochschulen genügend zu fördern. Für ein nachhaltiges Wachstum der Software-Industrie wird die Verfügbarkeit dieser Fachkräfte eine massgebende Rolle Spielen.

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