Abschluss der re:Invent

Die Welt ist komplex und asynchron

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von Marc Landis und aob

Amazon-CTO Werner Vogels spricht zum Abschluss der AWS-Hausmesse re:Invent in Las Vegas über Komplexität von Systemen und wie sie entsteht. Einige neue Produkte sollen helfen, dieser Herr zu werden.

Die Keynote von Amazon-CTO Werner Vogels ist nicht dieselbe Verkaufsshow wie etwa diejenige von AWS-CEO Adam Selipsky am zweiten Tag der re:Invent in Las Vegas. Bei Vogels geht es nachdenklicher ja streckenweise fast schon philosophisch zu und her. Mit Sätzen wie: "Die Welt ist komplex, aber wir sollten immer in der Lage sein, Fortschritte zu machen, egal unter welchen Umständen", stimmt der gewichtige CTO Vogels das erneut zahlreich erschienene Publikum auf die kommenden zwei Stunden seiner Keynote ein.

Eine weitere Erkenntnis Vogels’ ist, dass die Welt asynchron sei. Dasselbe gelte für Systeme, gemeint sind natürlich Computersysteme, in deren Betriebssystemen ebenfalls ein asynchroner Prozessaufbau herrsche. Für alle, die sich darunter nicht viel vorstellen können: Ein asynchroner Prozess ist ein im Hintergrund ausgeführter Prozess, auf dessen Abschluss ein User nicht warten muss, um weitere Aufgaben ins System einzugeben.

Vogels spricht auch darüber, dass lose gekoppelte Systeme einige Vorteile böten, und meint damit eine entwicklungsfähige Architektur, die weniger Abhängigkeiten verursache und in der Lage sei Fehler zu isolieren. Das bedeute, dass beim Auftreten eines Fehlers nicht gleich das gesamte System ausfalle.

Verteilte Architektur

Im Zusammenhang mit asynchronen Prozessen erwähnt Vogels das "Amazon Distributed Computing Manifesto" aus dem Jahr 1998, in dem die Grundzüge heutiger Architekturen festgeschrieben seien. Damals bereits stiess die bestehende Client-Server-Architektur an die Grenzen der Skalierbarkeit, was für den schnell wachsenden Online-Buchhändler Amazon ein Problem war. Die damaligen Ingenieure erkannten demnach, dass der Schlüssel zur Skalierbarkeit in einer verteilten Architektur liegt. "Allerdings mussten sie 25 Jahre warten, um ihre Ideen heute verwirklicht zu sehen.", sagt Vogels.

"Um erfolgreich zu sein, benötigt Ihr Unternehmen Werkzeuge und Dienste wie AWS Step Functions und Amazon EventBridge, um Sie dabei zu unterstützen, das gewünschte System zusammenzustellen". AWS Step Functions ist ein visueller Workflow-Service, der Entwicklern hilft, AWS-Services zu nutzen, um verteilte Anwendungen zu erstellen, Prozesse zu automatisieren, Microservices zu orchestrieren sowie Daten- und Machine-Learning-Pipelines zu erstellen. EventBridge ist ein serverloser Ereignisbus, mit dem Entwickler Ereignisse ("Events") empfangen, filtern, umwandeln, weiterleiten und liefern können.

Komplexe Systeme entstehen aus einfachen

"Wir gehen jetzt zu mehr ereignisgesteuerten Themen über, die Unternehmen aller Grössen dabei helfen können, mehr aus ihren Daten herauszuholen", sagt Vogels, der im Weiteren über das Gall'sche Gesetz spricht, das besagt: "Ein komplexes System, das funktioniert, stellt sich stets heraus als entwickelt aus einem einfachen System, das funktionierte." Wer also ein komplexes System von Null entwickeln will, muss demnach zwangsläufig scheitern.

In diesem Zusammenhang erklärt Vogels, dass sich die Systemarchitektur immer weiterentwickle und fordert im Zuge dessen das Publikum auf, Systeme zu bauen, die sich weiterentwickeln. "Der beste Weg, um entwicklungsfähige Systeme zu bauen, ist eine ereignisgesteuerte Architektur", sagt der Amazon-CTO.

Dies ermöglicht laut Vogels, der neue AWS Application Composer, der das Komplexe vereinfacht und hilft, schnell und einfach serverlose Anwendungen zu entwerfen. Dies soll gängige Aufgaben wie die Erstellung einer einsatzbereiten Konfiguration vereinfachen. Als Ergänzung zur bereits erwähnten EventBridge kündigt er Amazon EventBridge Pipes an, mit denen sich AWS-Systeme einfach zusammenfügen liessen oder um es mit dem Gall’schen Gesetz zu sagen: Einfache AWS-Systeme werden mit Pipes zu komplexen.

Ereignisgesteuerte Architektur

Nach einem kurzen Kundenintermezzo mit einer Vertreterin des Onlinebewertungsdienstes Trustpilot, spricht Vogels über Skalierbarkeit, die durch ereignisgesteuerte Architekturen ermöglicht werde.

Eine weitere Neuankündigung machte der CTO mit Amazon CodeCatalyst. Dieses übernimmt gemäss Vogels einen Grossteil der Entwicklungsarbeit: "Es bietet alle nötigen Tools, um sehr schnell von der Idee zur Produktion zu kommen."

Weiter geht es in der Keynote mit dem Thema Simulation. Da die reale Welt mehrdimensional sei, müssten "unsere Systeme das widerspiegeln", sagt Vogels. 3-D-Bilder und virtuelle Modelle zur Entwicklung von neuen Ideen müssten sich Unternehmen zu eigen machen. 3-D werde immer mehr zu einem allgegenwärtigen Tool etwa für den Handel, damit User etwa sehen können, wie die neue Lampe ins Wohnzimmer passen würde, oder beim Einkaufen von Schuhen. Amazon will laut Vogels die Verwendung von 3-D-Modellen fördern und arbeitet dafür etwa mit dem Spieleanbieter Epic zusammen.

Für Vogels ist klar, dass Simulationen von Unternehmen in allen Branchen genutzt werden sollten, damit diese das Beste aus ihren Daten herausholen können. Simulationen würden Unternehmen ausserdem helfen, viele Hürden zu überwinden, indem sie mithilfe der virtuellen Welt einen neuen Blickwinkel auf Probleme ermöglichten. "Ich glaube, dass Simulationen bei der digitalen Innovation eine entscheidende Rolle spielen können", sagt Vogels weiter, denn die "Grenze zwischen digitalen Systemen und der physischen, realen Welt verschwimmt immer mehr."

Zum Schluss appelliert Vogels an das Publikum, darüber nachzudenken, was sie mit Simulationen zur Lösung ihrer grössten Probleme erreichen könnten. "Wir stehen noch am Anfang dessen, was wirklich möglich ist", sagt er und fordert die Zuschauer auf, vom grössten Prozess zu lernen, den wir kennen, dem Universum.

Übrigens: Wenn Sie wissen möchten, was es mit der "Liebe" zwischen Atos und AWS auf sich hat, lesen Sie hier weiter.

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