Editorial

Die Nesthocker im eigenen Rechenzentrum

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von Coen Kaat
Coen Kaat, stellvertretender Chefredaktor "IT-Markt" und SwissCybersecurity.net. (Source: Netzmedien)
Coen Kaat, stellvertretender Chefredaktor "IT-Markt" und SwissCybersecurity.net. (Source: Netzmedien)

Woher beziehen Sie Ihre Anwendungen primär? Das ist die Kernfrage einer Studie, die der Anbieter von Rechenzentrumsdienstleistungen Digital Realty zum dritten Mal durchgeführt hat. Mit dieser Befragung will das Unternehmen herausfinden, wo Schweizer Unternehmen auf dem Weg zur Multi-Cloud ­aktuell stehen.

Der Vergleich zeigt deutlich, wie die Public Cloud das fir­meneigene Rechenzentrum (RZ) über die Jahre immer mehr verdrängt. Seit der Erstausgabe der Studie 2018 sank die Zahl der Schweizer Unternehmen, deren Anwendungen primär On-Premise laufen, zunächst von 48 auf 40 und in diesem Jahr auf unter 25 Prozent. Dieser Durchschnittswert zeigt jedoch nicht, dass es gewisse Anwendungsbereiche gibt, die sich nicht so leicht von der eigenen Infrastruktur verbannen lassen. So behält derzeit mehr als jedes zweite befragte Unternehmen den Bereich Produktion im eigenen RZ. Die Studie offenbart noch ­weitere Nesthocker. 48 Prozent beziehen ihr ERP und knapp 47 Prozent ihr Supply Chain Management aus dem eigenen RZ. Auch beim Backup, beim CRM und bei Datenbanken mit Kunden- oder Produktinformationen ist der Anteil derjenigen, die diese Anwendungen On-Premise betreiben, überdurchschnittlich hoch.

Gemäss den Befragten ist der Datenschutz einer der Hauptgründe, Anwendungen auf der eigenen Infrastruktur zu lassen. Gerade bei Anwendungen, die Kundeninformationen verarbeiten, leuchtet dies ein. Auf den ersten Blick mag es daher widersprüchlich scheinen, dass gerade der Bereich, den man wohl am ehesten mit besonders schützenswerten personenbezogenen Daten assoziiert, einen klaren Trend in Richtung Public Cloud aufweist: 68 Prozent der Befragten haben ihre HR-Anwendungen einem externen Cloud-Provider anvertraut.

Ein Grossteil dieser Unternehmen setzt dabei übrigens auf lokale Dienstleister. In der ersten Studie waren die hiesigen Cloud-Provider noch eine Randnotiz; seitdem entwickelten sie sich zur Nummer zwei auf dem Markt – hinter den Hyperscalern. Das neue Datenschutzgesetz, das am 1. September in Kraft tritt, könnte diesen ohnehin schon wachsenden Markt weiter ankurbeln. Oder vielleicht igeln sich Schweizer Unternehmen mit ihren Daten deswegen nur noch mehr in ihren eigenen RZs ein. Es bleibt also mit Spannung zu erwarten, welchen Marktanteil sich die lokalen Provider bis zur nächsten Studie – voraussichtlich 2025 – erwirtschaftet haben werden.

Eine detaillierte Auswertung der Studienergebnisse finden Sie hier. Das Podium beschäftigt sich derweil damit, wie nachhaltig Schweizer RZs sind und welche Anforderungen der Markt an RZ-Betreiber stellt.

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