Joe Feierabend, Ingram Micro

"Mit Ingram kann man rechnen"

Uhr | Updated
von Marc Landis

Joe Feierabend sieht Ingram Micro in der Schweiz auf Kurs und berichtet im Gespräch mit IT-Markt von einem guten Jahr 2010. Mit dem Schwung des Erfolgs will Ingram nun auch in der Schweiz das Value-Add-Geschäft stärken. Dafür wurden eine eigene Abteilung gegründet und neue Mitarbeitende eingestellt.

Joe Feierabend will nächstes Jahr aus Ingram Micro zurückziehen.
Joe Feierabend will nächstes Jahr aus Ingram Micro zurückziehen.

Wie läuft das Ingram-Micro-Geschäft in der Schweiz?

Joe Feierabend: Die Ländergesellschaften von Ingram Micro geben keine detaillierten Zahlen zum Geschäftsgang bekannt. Allerdings kann ich sagen: 2010 war ein sehr starkes Jahr – weltweit und in der Schweiz. Hierzulande sind wir im zweistelligen Bereich gewachsen, in der Region EMEA, zu der auch die Schweiz gehört, wuchs der Ingram-Umsatz um 15 Prozent, weltweit um 17 Prozent. Und auch die ersten beiden Monate des neuen Jahres haben sich bereits erfreulich entwickelt.

Worauf führen Sie das Wachstum zurück?

Wir wachsen nicht erst seit einem Jahr. Wir legen seit der Einführung unseres XXL-Konzepts im Jahr 2005 kontinuierlich zu. Wie Sie wissen, beliefern wir im Rahmen dieses Konzepts Schweizer Kunden zum Teil direkt aus dem Ingram-Zentrallager in Deutschland. Die Warenverfügbarkeit für unsere Kunden hat sich damit verzehnfacht. Gleichzeitig konnten wir unsere Kosten senken.

Was war 2010 der wichtigste Meilenstein für Ingram Micro?

Im Zuge der unsicheren Wirtschaftslage rund um die Finanzkrise haben wir unsere Organisationsstruktur im Produktmarketing und im Vertrieb umgebaut. So konnten wir nach den Kostensenkungen 2009 vergangenes Jahr wieder investieren. Wenn ich von Investitionen spreche, meine ich vor allem Investitionen in Menschen, in neue Mitarbeitende. Unser Personalbestand erhöhte sich letztes Jahr um 15 Prozent.

Wo liegen Ingram Micros Stärken?

Wir bearbeiten den Markt vielleicht einen Tick aktiver und effizienter als einige unserer Mitbewerber. Ich glaube, wir sind sehr nahe an unseren Kunden und wir haben die besten Mitarbeiter, die man sich wünschen kann. Auch deshalb, weil wir unsere Mitarbeiter am geschäftlichen Erfolg teilhaben lassen. Wir haben unsere Hausaufgaben während der Krise gemacht und sind schlanker geworden. Das macht uns heute agiler und schlagkräftiger. Diese Eigenschaften braucht es, um den KMU-Markt bedienen zu können. Und das ist unser Hauptgeschäft. Wir erzielen heute über 55 Prozent unseres Business in diesem Bereich.

Wie sehen Sie Ingrams Position im Unterhaltungselektronik-Markt?

Leider herrschen auch heute noch grosse Vorbehalte der Unterhaltungselektronik gegenüber der IT-Branche, die das notwendige Zusammenwachsen der Märkte erschweren. Ob es in Zukunft eine UE-Abteilung bei Ingram Micro Schweiz gibt, wird der Markt entscheiden. Die Frage ist aus meiner Sicht, wie lange es sich die Hersteller noch leisten wollen und können, UE-Produkte anders zu vertreiben als IT-Produkte. Der Preisdruck wird bei den Consumer Electronics weiter zunehmen. In der IT-Distribution haben wir gelernt, mit minimalen Margen zu arbeiten – diese Entwicklung ist in der UE absehbar. Wir sind jederzeit bereit, mit UE-Anbietern zusammenzuarbeiten.

Welche mittelfristigen Ziele verfolgt Ingram Micro Schweiz?

Natürlich wollen wir unseren Abstand zu den anderen beiden grossen Distributoren verkleinern. Dafür sind wir bereits gut aufgestellt. Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht und wissen, welche Teilmärkte wir wie bearbeiten wollen. Seit kurzem haben wir etwa in der Westschweiz angefangen unsere Geschäftstätigkeit auszubauen. Wir haben in Tolochenaz (in der Nähe von Morges) ein Office gegründet und beschäftigen dort drei Mitarbeiter. Die Leitung liegt in der Hand von Pierre-André Rey, mit dem ich früher schon einmal eng zusammengearbeitet habe. Im Weiteren sehen wir im Value-Add-Geschäft gute Chancen für uns. Seit einem Monat haben wir bei uns eine entsprechende Abteilung, die Benno Schlumpf leitet. Ansonsten sehen wir unsere Haupttätigkeit im KMU-Geschäft. Darauf sind wir spezialisiert und damit erwirtschaften wir über die Hälfte unseres Umsatzes. Wir sind aber auch im Retailbusiness stark und schätzen die Partnerschaften mit den grossen der Schweizer Retailbranche.

Wie geht es im VAD-Business weiter?

Die Strategie, das Value Added Distributionsgeschäft zu stärken, ist eine weltweite Strategie von Ingram Micro. Wir sehen, dass auch im KMU-Geschäft immer mehr Highend-Produkte eingesetzt werden und dadurch die Nachfrage in diesem Geschäftsbereich steigt. Durch die zunehmende Standardisierung ist es auch einfacher geworden, als VAD aufzutreten. Durch unsere Aufstellung und mit den kompetenten Leuten, die wir für diesen Geschäftsbereich engagiert haben, sind wir überzeugt vom mittelfristigen Erfolg unserer VAD-Strategie. Wir haben auch amerikanische Manager von Ingram Micro USA, die dieses Geschäft in Europa mit den Erfahrungen aus den USA nähren und weiter vorantreiben werden. In Amerika ist Ingram Micro mit dem Geschäft rund um Services und Cloud-Produkte um einiges weiter als wir hier in der Schweiz. Und auch in Deutschland läuft dieser Bereich schon hervorragend. Für die global tätigen Highend-Hersteller ist es natürlich interessanter, wenn sie mit einem – ebenso global tätigen – Distributionspartner wie Ingram Micro die verschiedenen Märkte aus einer Hand bedienen können, statt mit vielen lokalen, kleinen spezialisieren VADs zusammenarbeiten zu müssen.

Neue Distribution von Ferrari, neue Distribution von Level one: Was kommt als Nächstes?

Die Aufnahme von neuen Marken und Herstellern in unsere Distribution liegt nicht nur in unserer Verantwortung hier in der Schweiz. Unser europäisch aufgestelltes Produktmanagement evaluiert ständig, welche zusätzlichen Marken aufgenommen werden könnten. Gerade wenn es sich nicht um lokalisierte Produkte, die dediziert für den Schweizer Markt angeboten werden, und die im Rahmen unseres XXL-Konzeptes aus dem Lager in Deutschland geliefert werden können, sind wir auch froh, wenn wir uns auf die Marktbearbeitung hier vor Ort konzentrieren können, statt uns mit dem Produkt management befassen zu müssen. Als Distributionsunternehmen in der Schweiz haben wir europaweit verschiedene Profis im Einsatz, die unsere Portfoliostrategie verfolgen. Diese Leute sind immer auf dem neuesten Stand, was es an Produkten oder Herstellern auf dem Markt gibt, die zu unserem Portfolio passen.

Was haben Ihre Handelspartner von einer Zusammenarbeit mit Ingram?

Wir sehen uns ganz klassisch als Schnittstelle zwischen Hersteller und Wiederverkäufern beziehungsweise Systemintegratoren. Wir sind aber nicht einfach nur der «Disti», der Waren lagert und ausliefert. Viele unserer Kunden sind interessiert daran, Daten und Informationen zu den verschiedenen Herstellern verfügbar zu haben. Dazu steht ihnen unsere umfassende und detaillierte Datenbank zur Verfügung. Unsere Händler haben Zugriff darauf, wie viele Stück von einem Produkt wir noch an Lager haben, und können so ihren Endkunden genau sagen, wann wie viele Produkte bei ihnen sein können. Für die Hersteller sind wir attraktiv, weil wir ein ausgeklügeltes CRMSystem haben. Damit können wir zum Beispiel genau erkennen, welche Produkte bei welchen Kundengruppen nicht gut laufen. Wir entdecken so sogenannte «White spots» in unserem Portfolio und können mit den entsprechenden Massnahmen den Abverkauf in diesen Bereichen gezielt ankurbeln. Mittlerweile ist dieses CRM-System europaweit im Einsatz. Unsere Partner unterstützen wir zudem mit Kreditlinien, Hilfe bei der Finanzierung, Akquisition und Betreuung von Grossprojekten etc.

Was erwarten Sie vom laufenden Jahr wirtschaftlich, konjunkturell, politisch?

Seit 1975 bin ich in der IT tätig und ich habe schon viele Ups and Downs erlebt. Die Zeiten nach der Finanzkrise sind immer noch unsicher. Der starke Schweizer Franken könnte uns als Exportnation zu schaffen machen, obwohl er das im Moment noch nicht tut. Die Umwälzungen in der arabischen Welt dürften einen Einfluss auf die Entwicklung des Ölpreises haben, und die Überschuldung einiger Euroländer ist ein fast unkalkulierbares Risiko, das schlimmstenfalls im Staatsbankrott dieser Länder enden könnte. Und wenn Sie nach Japan schauen, die dortige Katastrophe könnte gravierende Folgen für die Weltwirtschaft haben. Trotz allem: Ich bleibe Optimist – gerade weil ich schon so lange dabei bin – es gibt für alles eine Lösung. Und in der Schweiz stehen wir sehr gut da.

Ihre Botschaft an Ihre Partner?

Wir sind ein wertvoller Partner zwischen Hersteller und Wiederverkäufer. Ich kann unseren Partnern nur raten, unsere Plattform zu nutzen, die zuverlässig funktioniert. Mit Ingram Micro kann und muss man rechnen und dabei darf man sich auf uns verlassen!

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