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Carlo Giorgi über seinen Aufstieg zum Country Manager von HPE Schweiz

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Seit November hat Hewlett-Packard Enterprise in der Schweiz einen neuen Chef. Carlo Giorgi folgt auf Marcel Borgo, der das Unternehmen nach 28 Jahren verlässt. Auch Giorgi ist ein HP-Veteran, aber die Länderniederlassung, die er übernimmt, ist eine andere als vor drei Jahren.

Carlo Giorgi, Managing Director von HPE Schweiz. (Source: Netzmedien)
Carlo Giorgi, Managing Director von HPE Schweiz. (Source: Netzmedien)

Waren Sie eigentlich überrascht, dass Sie Country Manager von HPE in der Schweiz wurden?

Carlo Giorgi: Nein, ich habe es mir immer vorstellen können, innerhalb von HPE irgendwann die Verantwortung für ein Land zu übernehmen. Es war ja eine der wenigen Rollen, die ich bisher noch nicht innehatte. Wie Sie wissen, war ich vorher Enterprise-Channel-Chef, Verkaufsdirektor Storage, beides auf EMEA-Ebene. Die Verantwortung für ein Land zu übernehmen, habe ich zwar so direkt nicht geplant, als sich aber dann die Möglichkeit eröffnete, habe ich sofort Ja gesagt. Und ich freue mich sehr, dass es in der Schweiz geklappt hat, in dem Land, wo ich seit 16 Jahren lebe. Und auch nach drei Monaten bin ich immer noch sehr glücklich über die Entscheidung (lacht).

Sie hatten zuvor EMEA-Funktionen und sind jetzt "nur" noch Country Manager der kleinen Schweiz. Ist das nicht ein Abstieg?

Nein, im Gegenteil. In unserer neuen Organisationsstruktur haben die Country Manager wieder mehr Bedeutung bekommen. Die Manager in den Regionen hatten bislang immer auch eine gewisse Verantwortung für das Geschäft in den einzelnen Ländern. Diese Management-Ebene wurde nun herausgenommen, und die P&L-Verantwortung (Profit-and-Loss-Verantwortung, Anm. d. Red.) liegt nun wieder zu 100 Prozent bei den Country Managern.

Wie sind Sie in Ihre neue Rolle als Country Manager von HPE Schweiz im November gestartet?

Ich bin sehr gut gestartet. Es gibt natürlich viel zu tun, wie immer, wenn man eine neue Funktion übernimmt. Ich musste die neuen Aufgaben meines neuen Jobs kennenlernen, die Spezifika des Schweizer Marktes und natürlich gut zuhören, damit ich erfahre, was ich noch nicht weiss.

Was wussten Sie denn noch nicht? Sie sind ja ein HP-Veteran und seit 15 Jahren mit dabei ...

Klar, ich fange nicht bei null an und kenne das Unternehmen und die Unternehmensprozesse. Deshalb konnte ich mich darauf konzentrieren, die Schweizer Kunden und Partner näher kennenzulernen, die ich noch nicht kannte.

Wie man schon vor einem halben Jahr im Herbst lesen konnte, soll HPE planen, 5000 Jobs zu streichen …

Diese Zahl wurde nicht von uns kommuniziert. Richtig ist, dass wir unter dem Namen HPE Next ein dreijähriges Programm ausführen, um HPE noch wettbewerbsfähiger aufzustellen. Das Programm umfasst sowohl Investitionen als auch Kosteneinsparungen in unseren operativen Prozessen, in der Fertigung, in der IT und in den Vertriebsstrukturen. Das hat auch Auswirkungen auf Jobs. Zum Beispiel haben wir die Zahl der Management-Ebenen reduziert, um unsere Prozesse zu beschleunigen. Auch meine frühere Funktion auf EMEA-Ebene gibt es heute nicht mehr.

Wie viele Leute mussten HPE in der Schweiz seit September verlassen?

Bitte haben Sie Verständnis, dass ich keine Zahlen nennen kann.

Was ist HPEs Fokus im Schweizer Markt? Auf welche Bereiche konzentriert sich HPE hierzulande?

Wir möchten unseren Kunden helfen, ihren Digital Journey zu gehen. Sie alle stehen vor der Herausforderung, ihre Infrastruktur zu modernisieren und die Chancen der hybriden IT beziehungsweise der hybriden Cloud zu nutzen. Sie müssen ihr Geschäft digitalisieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben, sie müssen ihre IT-Kosten senken. Wir unterstützen unsere Kunden bei ihrer Hybrid-IT-Strategie, und wir helfen ihnen bei ihrer Edge-Strategie.

Was sind die wichtigsten Herausforderungen, denen sich Unternehmen im Zusammenhang mit der digitalen Transformation ihres Geschäfts stellen müssen?

In Gesprächen mit Kunden über ihre Bedürfnisse geht es meistens darum, wie sie einerseits mit neuer IT-Infrastruktur Innovation in ihr Geschäft zurückbringen und wie sie diese finanzieren können, und andererseits darum, das Existierende weiter zu betreiben. Alle müssen ja bestehende Infrastruktur und Applikationen am Laufen halten. Aber um langfristig zu prosperieren, müssen sie ihr Geschäft digitalisieren und auf das nächste Level bringen. Modernisierung der Infrastruktur, mehr Agilität, Kostenreduktion und die Fähigkeit, neue Applikationen und neue IT-Services zu lancieren und damit schneller zu digitalisieren. Wir helfen ihnen mit unseren innovativen Lösungen, mit unserer Expertise und nicht zuletzt mit unseren Finanzierungsmodellen. Durch den Shift von Capex zu Opex mit flexiblen kapazitätsabhängigen Abrechnungsmodellen kann die IT-Infrastruktur modernisiert werden, ohne riesige Beträge auf einmal investieren zu müssen.

HPE ist heute vor allem ein Unternehmen, das Hardware verkauft …

Ich würde nicht sagen, dass wir vor allem eine Hardware-Company sind. Es stimmt zwar, dass wir einige Services-Bereiche abgegeben haben, etwa die Outsourcing-Dienstleistungen. Aber wir haben weltweit immer noch rund 25'000 Servicemitarbeiter, die Dienstleistungen wie Advisory, Professional und Operational Services erbringen. Alles in allem machen wir rund 37 Prozent unseres Umsatzes mit Dienstleistungen, und der Softwareanteil an den Infrastrukturumsätzen nimmt stetig zu.

HP hat sich aufgeteilt, Unternehmensteile verkauft. Andere wie etwa Dell EMC sind den entgegengesetzten Weg gegangen. Wie können Sie mit diesen anderen und grösseren Unternehmen mithalten?

Die Zeit wird zeigen, welche Strategie erfolgreicher ist. Wir waren ja früher viel grösser und wissen, was es bedeutet, grösser zu sein. Grösser zu sein, hat uns offenbar nicht dabei geholfen, unsere Ziele zu erreichen. Dass wir uns dafür entschieden haben, kleiner, flinker und fokussierter zu werden, geschah mit einem guten Grund. Wir sehen schon Effekte, merken, dass wir den richtigen Fokus und die richtige Strategie haben, und wir machen die richtigen Akquisitionen, um unsere Kunden optimal zu bedienen. Wir haben nun auch weniger Konflikte mit einigen Partnern, mit denen wir zusammenarbeiten.

Haben Sie Kunden verloren, weil HPE heute nicht mehr der grosse One-Stop-Shop von früher ist?

Früher gewannen wir Kunden und früher verloren wir auch Kunden. Und das ist auch heute noch so. Mir ist kein Fall eines Kunden bekannt, der zu uns kam und sagte: "Hey, ihr seid nicht mehr gross genug, deshalb arbeite ich nicht mehr mit euch zusammen." Ich sehe durch die neue Situation keinen negativen Effekt und keinen Wettbewerbsnachteil. Insbesondere nicht, wenn ich an das Geschäft mit Datacenter-Infrastruktur denke.

Auf welche Industrie fokussiert HPE bei der Marktbearbeitung?

Wir bearbeiten alle Branchen. Aber die wichtigsten im Schweizer Markt sind der Finanzsektor, die verarbeitende Industrie, zu der auch die Pharmaindustrie gehört, und die öffentliche Hand.

Wie wichtig ist der Schweizer Markt für HPE?

Die Schweiz ist und bleibt wichtig für HPE. Auch wenn die Schweiz von der Fläche her klein ist; hier sitzen einige sehr wichtige HPE-Kunden, es gibt eine grosse RZ-Infrastruktur und die Kaufkraft ist hoch.

Wie wichtig ist der Channel für HPE heutzutage noch?

Das fragen Sie mich, einen Ex-Channel-Direktor? Früher als HP und heute als HPE waren und sind wir immer schon dem Channel verpflichtet gewesen, und das hat sich nicht geändert. Der Channel ist uns sehr wichtig und wird es weiterhin bleiben. Wir machen rund 70 Prozent unseres Geschäfts über den Channel. Wir haben in der Schweiz auch sehr treue und hochprofessionelle Channelpartner, die technisch topfit sind. Ich bin sehr stolz auf den Schweizer Channel und ich möchte das Channelbusiness weiter ausbauen.

In der Schweiz machen Sie aber 30 Prozent direkt …

Ja, es gibt einige grosse Accounts, die wir selbst betreuen, weil sie es so möchten. Aber wir sind immer daran interessiert, auch grosse Accounts an den Channel abzugeben, wenn es für die Kunden sinnvoll ist. Etwa wenn ein Channelpartner eine bessere Branchenexpertise hat als wir.

Ich habe aus verschiedenen Quellen gehört, dass sich Huawei als RZ-Infrastrukturanbieter mit sehr aggressiven Preisen im Markt bewege und zu Preisen verkaufe, zu denen HPE nicht einmal produzieren könne …

Es ist nichts neues, dass immer mal wieder Mitbewerber aufkommen, die mit sehr aggressiven Preisen am Markt agieren, etwa um Marktanteile zu gewinnen. Das Prinzip bleibt dasselbe, nur die Namen ändern sich. Wir begegnen ihnen aber nicht überall im Markt. Sie investieren stark in bestimmte Teilmärkte und einige grosse Accounts, wo sie zu Bedingungen und Preisen offerieren, bei denen wir uns zurückziehen müssen. Wir werden kein Preisdumping betreiben und keine anderen unvernünftigen Dinge tun. Ich bin aber zuversichtlich, dass auch solche Mitbewerber früher oder später zur Vernunft kommen und wieder nach betriebswirtschaftlichen Regeln arbeiten.

Was denken Sie über den neuen HPE-CEO Antonio Neri?

Ich kenne Antonio gut. Ich habe ihn immer bewundert und freue mich, dass er als CEO ein HPE-Eigengewächs ist. Er ist seit 23 Jahren im Unternehmen. Nach Meg Whitman, davon bin ich überzeugt, ist er die richtige Wahl. Er kennt das Unternehmen sehr gut, die Märkte und auch die Technologie. Er wird Kontinuität und Stabilität im Unternehmen sicherstellen. In der Vergangenheit, insbesondere vor Meg Whitman, hatten wir bei HP ja nicht immer so viel Glück mit unseren CEOs. Aber Meg hat meiner Meinung nach auch einen fantastischen Job gemacht. Deshalb habe ich nebst einem lachenden Auge, dass Antonio unser neuer CEO ist, auch ein weinendes Auge, weil Meg geht.

Welche neuen Impulse erhoffen Sie sich für HPE durch den neuen CEO?

Die neue Strategie ist festgelegt. Nun geht es darum, diese umzusetzen und zu kapitalisieren. Das ist auch gut so. Denn nach den vielen Veränderungen und Abspaltungen verschiedener Unternehmensbereiche ist es nötig, Stabilität zu haben. Ich erwarte deshalb kurzfristig keine zusätzlichen Veränderungen.

Was sind Ihre persönlichen Ziele als Country Manager von HPE in der Schweiz?

Ich möchte, dass HPE sichtbarer und spürbarer im Schweizer Markt wird. Wir sind ja auch Mitglied von Digitalswitzerland und in verschiedenen Initiativen präsent. Natürlich will ich auch, dass wir erfolgreich in unserem Geschäft sind und weiter profitabel wachsen. Und ich will HPE Schweiz zum besten Arbeitgeber für unsere Mitarbeiter machen. Es sind einfache Ziele auf dem Papier, sie umzusetzen wird uns aber einige Anstrengung kosten.

Welche Erwartungen haben Sie an die wirtschaftliche Entwicklung im Schweizer Markt für 2018?

Der Schweizer Wirtschaft geht es über alles gesehen gut. Sie ist gesund und robust. Es gibt zudem einen Bedarf und den Willen der Unternehmen, wieder in die IT zu investieren, nachdem der IT-Markt zuletzt stagniert hat. Ich glaube, wir werden dieses Jahr einen Aufschwung in der IT-Industrie sehen.

Persönlich

Carlo Giorgi ist Managing Director von Hewlett-Packard Enterprise in der Schweiz. Seit seinem Wechsel zu HP im Jahr 2000 war Giorgi in verschiedenen Führungspositionen für die Personal Systems Group und die Enterprise Group tätig. Nach mehr als vier Jahren Leitung des EMEA EG Sales Strategy & Planning Teams übernahm Giorgi die Verantwortung als General Manager des Geschäftsbereichs EG Storage in EMEA. In seiner jüngsten Position als Vice President Channel, Service Providers und SMB für EG EMEA hat er erfolgreich das Umsatzwachstum über die indirekten Kanäle und im SMB-Bereich vorangetrieben. Carlo Giorgi hat einen Abschluss in Industrial Technology Engineering von der Politecnico di Milano (Italien) und führte eine postgraduale Forschung an der Ecole Nationale des Mines de Paris (Frankreich) durch. Er wohnt mit seiner Familie seit 16 Jahren in Zürich.

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