Tech-Data-CEO Gabriele Meinhard im Interview

Channel-Urgestein spricht über 10 Jahre "IT-MARKT"

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Gabriele Meinhard ist ein Urgestein der Schweizer ICT-Branche und ein profunder Kenner des Schweizer Channels. Im Interview blickt er zum Jubiläum von "IT-MARKT" auf die vergangenen 10 Jahre und verrät, wie er es drei Mal auf die Titelseite geschafft hat.

Gabriele Meinhard, Managing Director von Tech Data Schweiz. (Source: Netzmedien)
Gabriele Meinhard, Managing Director von Tech Data Schweiz. (Source: Netzmedien)

Sie waren 2010 unser erster «Coverboy» als wir IT-Markt, die Info-Drehscheibe für den Schweizer ICT-Channel an den Start brachten. Was hielten Sie damals, bei der Lancierung des IT-Markt, von unserem Vorhaben und wie denken Sie heute über unsere Publikation?

Gabriele Meinhard: Ist ja schon 10 Jahre her ... Deshalb sind mir die genauen Details nicht mehr 100-prozentig präsent – aber ich erinnere mich zumindest, dass der damalige Pressesprecher von HP – Beat Welte – mit mir über euer Publikationsvorhaben gesprochen hat. Er sagte mir damals: «Da musst Du drauf»! Was ja dann auch geschah und was ich als grosse Ehre empfand. Ich möchte dem IT-Markt-Team übrigens dazu gratulieren, dass ihr zehn Jahre am Ball geblieben seid. Ich denke auch heute noch sehr positiv über den «IT-Markt» – er steht für hohe Kontinuität, guten Informationsgehalt und fast das Wichtigste für mich: einen persönlichen Touch».

Sie sind der einzige, der es drei Mal auf die Titelseite des IT-Markt geschafft hat. Was ist das Geheimnis Ihres Erfolges?

Wahnsinn – ich sollte definitiv einmal die Branche wechseln … Im Ernst: Ich weiss wirklich nicht, ob es da viele Geheimnisse gibt. Neben gewissen fachlichen Kompetenzen, gibt es sicher einige persönliche Wertvorstellungen die mich durch all die Jahre begleiten und mir auch im persönlichen Umfeld wichtig sind. Die Kunden sollen uns und mich vor allem an unseren Taten und nicht an den Worten messen. Das braucht über die Jahre eine gewisse Konsequenz im eigenen Handeln.

 

2010 waren Sie Channel Direktor von Hewlett-Packard -heute sind Sie CEO des Distis Tech Data. Wie hat sich der Channel in den vergangenen 10 Jahren verändert?

«Das waren noch Zeiten … » bin ich fast geneigt zu sagen … aber ernsthaft: Es ist eine Mischung zwischen «Change» und Bewährtem. Neue Vertriebsmodelle – wie zum Beispiel «as a Service» nehmen eine zunehmend gewichtigere Rolle ein. Marktsegmente – wie das e-business – wachsen überproportional und auch der Speed und damit verbunden die Zeit, Entscheide zu fällen sind schneller, respektive nochmals kürzer geworden. Und doch hat es Konstanten; zum Beispiel hat das 2-stufige Distributionsmodell seit über 25 Jahren Bestand und ich sehe keine unmittelbaren Anzeichen, dass sich das – zumindest kurzfristig – ändern sollte.

 

Wie haben sich die Geschäftsmodelle im Channel in den vergangenen 10 Jahren verändert?

Wie bereits erwähnt; Modelle, welche nach «Consumption» gesteuert werden oder «as a Service» haben in den vergangenen Jahren zugelegt und werden das weiterhin tun. Services (die können logistischer, finanzieller oder operationeller Art sein) sind weiter auf dem Vormarsch. Zudem sind die Anzahl Transaktionen gestiegen und der Durchschnittswert pro Transaktion weiter gefallen; was uns konstant zu Effizienzsteigerungen und zusätzlicher Automatisierung zwingt.

 

Wie unterstützen Sie als Tech Data Ihre Partner dabei, diese Entwicklungen mitzutragen und in erfolgreiche Geschäftsmodelle umzumünzen?

Wir bieten unseren Kunden eine Plattform und können so Produkte und diverse Services aus einer Hand anbieten und entsprechend skalieren. Dem Partner bieten wir die Möglichkeit, auf ein breites Portfolio von Produkten und Dienstleistungen zuzugreifen – dies aus einer Hand. Zudem bieten wir gerade bei komplexeren Projekten Unterstützung durch unsere Pre-Sales Spezialisten und Hersteller haben die Möglichkeit ihre Produkte und Services effizient in der Breite zu distribuieren.

 

Woher kommt eigentlich der Druck auf servicebasierte Modelle zu wechseln? Von den Herstellern, von der Distribution, den Partnern oder von den Kunden?

Es ist ein Wechselspiel. Auf der einen Seite haben grosse Endkunden bereits vor Jahren begonnen auf verbrauchsorientierte (consumption based) Modelle zu setzen und auf der anderen Seite ist die Innovationskraft der Hersteller gross. Technologische Trends fliessen schnell in neue Lösungen ein, da gilt es generell auch für uns, als Partner, auf dem sich ständig verändernden Markt mitzuhalten und mit innovativen Lösungen Präsenz zu zeigen bzw. eine sehr aktive Rolle einzunehmen.

Es ist aber dennoch erstaunlich, wie stark auch das klassische Distributionsgeschäft trotz der neuen Modelle weiterhin wächst. Gerade auch im Infrastruktur Umfeld sehen wir – je nach Segment – ein sehr stabiles Wachstum. Das gibt uns Gelegenheit den erwirtschafteten Cash Flow mitunter in die neuen Modelle und Plattformen für die Zukunft zu investieren und den Wandel aktiv voranzutreiben – zusammen mit den Partnern und Herstellern.

 

Welches waren aus Ihrer Sicht die einschneidendsten Ereignisse in der ICT-Branche seit 2010?

Gesamtwirtschaftlich stehen in diesem Zeitraum als Eckpunkte sicher die damalige Finanzkrise und die jetzige Covid-19 Situation im Vordergrund. Dazwischen gab es je nach Markt, Hersteller oder Partner diverse Bewegungen wie Mergers & Acquisitions, Spin-offs oder andere Gegebenheiten, welche für Spannung gesorgt haben und weiterhin sorgen werden.

 

Sie sind seit sieben Jahren CEO von Tech Data in der Schweiz. Was hat sich bei Tech Data in der Zeit unter Ihrer Führung getan bzw. verändert?

Wenn ich mich richtig an meine damalige Aussage – im zweiten Interview mit IT-Markt 2013 – erinnere, sagte ich, dass «wir zusammen mit dem Team bereit sind, etwas zu bewegen». Rückblickend kann ich sagen, dass uns dies gemeinsam wirklich gelungen ist! Wir sind organisch gewachsen, wir haben mit der Übernahme von Avnet Technology Solutions unser Value Geschäft gestärkt und stehen und mit einem sehr ausgewogenen Portfolio im Markt. Zudem konnten wir uns durch den Merger diverse Talente sichern und in unsere bestehende Organisation integrieren. Wir konnten generell unsere Marktposition weiter ausbauen und vor allem auch in Bereichen mit höherer Wertschöpfung überproportional zulegen. Das freut mich nicht nur persönlich, sondern vor allem für das gesamte Team, welches tagtäglich einen unermüdlichen Einsatz leistet.

 

Das Value-Geschäft haben ja auch die übrigen Broadliner für sich entdeckt und betreiben es mit unterschiedlichem Erfolg. Wie beurteilen Sie die Entwicklung?

Ich würde Tech Data nicht als Broadliner bezeichnen – das waren wir auch vor dem Merger nicht. Denn wir hatten schon vorher ein sehr solides Value-Geschäft, welches wir durch den Merger verdoppeln konnten. Ich kann auch nur für Tech Data sprechen: Wir sind sehr zufrieden mit der Entwicklung und werden das Value-, aber auch das Volumengeschäft weiter sehr zielgerichtet ausbauen.

 

Tech Data wurde Ende Juni 2020 von Apollo Global Management für rund 6 Milliarden US-Dollar übernommen. Was haben Sie davon als Schweiz-Chef bislang bemerkt und was wird sich durch die Übernahme für die Schweizer Länderorganisation ändern?

Bis jetzt habe ich sehr wenig bemerkt; aber klar: Unser neuer Inhaber wird seinen Einfluss geltend machen. Ich meine das durchaus im positiven Sinn, indem wir zum Beispiel Synergien innerhalb der Gruppe nutzen können und weitere Investitionen tätigen werden, zum Vorteil für unsere Partner und Hersteller.

Apollo hat angekündigt, 750 Millionen US-Dollar zu investieren, um Tech Data digital zu transformieren. Wo sehen Sie den dringendsten digitalen Aufholbedarf?

Digitale Transformation bedeutet für Tech Data vor allem die Investition in die Automatisierung und in neue Plattformen mit dem Ziel, schneller auf die verschiedenen Bedürfnisse unserer Partner zu reagieren. Das Programm wird eine skalierbare Business-Plattform und den weiteren Ausbau der StreamOne Plattform zum cloudbasierten digitalen Marktplatz beinhalten.

Wie läuft das Channel-Business in Zeiten von Corona?

Covid-19 hat die Digitalisierung beschleunigt, daran besteht kein Zweifel. Davon konnten nicht nur wir, sondern auch verschiedene Partner und Hersteller profitieren. Das Channel Geschäft in der Schweiz, zeigt für 2020 (bis Ende August) ein solides Wachstum im Jahresvergleich.

 

Welchen Einfluss hatte Corona auf Ihre Marktbearbeitung?

Am Anfang war es eine Umstellung. Interessant war sicher die Feststellung, dass die Erreichbarkeit zu Beginn und während des «Lockdown» sehr viel besser war – alle waren zu Hause und praktisch alle Reisen wurden abgesagt. Andrerseits waren die persönlichen Begegnungen inexistent. Wir haben versucht, die elektronischen Medien noch besser zu nutzen – sei es mit Videoansprachen oder mit gezielten Kampagnen über Social Media und anderen Plattformen. Und natürlich hat uns Covid-19 auch in der internen Kommunikation gefordert; Wir mussten ja quasi von einem Tag auf den anderen 200+ Arbeitsplätze ins Home Office verschieben. Ich war sehr positiv überrascht, wie reibungslos und schnell das uns gelungen ist.

 

Wie läuft das Geschäft von Tech Data Schweiz in diesem Jahr?

Wir kommunizieren generell keine Zahlen und Ergebnisse auf Landesebene. Vielleicht nur so viel dazu: Wir konnten sicher vom Marktwachstum mitprofitieren. Die Covid-19 Situation hat uns aber schon beschäftigt vor allem operativ. Wir sind ja nicht nur sehr schnell ins Home Office umgezogen, sondern mussten zum Beispiel auch unsere Logistik in einen Mehrschichtbetrieb wechseln.

 

Wie haben Sie sich als Distributor auf die veränderte Nachfragelage eingestellt?

Die Situation war eher, dass die Verfügbarkeit am Anfang von Covid-19 aufgrund der Schliessung diverser Produktionsbetriebe in China schwieriger war. Das hat sich jedoch normalisiert und wir haben eine gute Verfügbarkeit, ausser den üblichen und punktuellen Engpässen bei gewissen Komponenten.

 

Mit welchen Spätfolgen rechnen Sie im Schweizer ICT-Channel durch Corona?

Eine Prognose ist zum jetzigen Zeitpunkt schwierig – ich bleibe jedoch verhalten optimistisch; generell hat sich die Schweiz in der Vergangenheit aufgrund der guten Ausgangslage krisenresistenter gezeigt als andere Länder. Aber klar; auch bei uns in der Schweiz gibt es Abhängigkeiten, die sich auf die eine oder andere Art bemerkbar machen können. Wir sind als Distributor grundsätzlich nachgelagert und im B2B-Geschäft abhängig von der Investitionstätigkeit der Endkunden. Im B2C-Bereich ist es eine Frage der generellen Konsumentenstimmung. Grosse Restrukturierungen verbunden mit Stellenabbau würden die Kaufstimmung zumindest kurzfristig sicher nicht positiv beeinflussen.

 

Wie wird sich das Channel-Business und damit auch das Disti-Geschäft Ihrer Einschätzung nach in den kommenden 10 Jahren entwickeln?

Das beantworte ich dann gerne, wenn ich in 10 Jahren zum 4. Mal auf der Titelseite vom IT Markt erscheine und einen Rückblick auf meine Karriere geben darf. ;-)

 

Persönlich

Gabriele Meinhard ist 57 Jahre alt, verheiratet und Vater einer 19-jährigen Tochter. Meinhard wuchs im Kanton Zug auf, wo die Familie auch lebt. Nach dem HWV / FH Abschluss lebte er eine Zeit lang im Ausland und machte danach bei verschiedenen IT Konzernen Karriere. Er fährt gerne Ski, spielt im Sommer ab und zu Golf und verbringt seine Freizeit am liebsten mit der Familie und seinen Freunden.

(Quelle: Tech Data)

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