Vis-à-vis Jörg Holzmann

Wo der neue Schweiz-Chef von Myfactory die Zukunft des ERP-Geschäfts sieht

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Nach sieben Jahren als Verkaufsleiter hat Jörg Holzmann im Juli als Country Manager die Zügel bei Myfactory Schweiz übernommen. Im Interview sagt er, wie sich die kürzlich erfolgte Übernahme durch Forterro auf das Unternehmen auswirkt und was ERP-Anbieter in Zukunft leisten müssen, um erfolgreich zu sein.

Jörg Holzmann, Country Manager, Myfactory Schweiz. (Source: Netzmedien)
Jörg Holzmann, Country Manager, Myfactory Schweiz. (Source: Netzmedien)

Sie arbeiten seit 2015 bei Myfactory, seit Juli 2022 leiten Sie als Country Manager das Schweizer Geschäft. Was war Ihre erste Amtshandlung in der neuen Funktion?

Jörg Holzmann: Seit Ende 2021 ist Myfactory Teil der Forterro-Gruppe, einem Zusammenschluss europäischer Softwareunternehmen, die ERP-Systeme für KMUs weltweit bereitstellen. Von Anfang an gab es eine intensive Zusammenarbeit mit dem Forterro-Team, etwa um gemeinsam die Prozesse im laufenden Tagesgeschäft zu analysieren. Als bisheriger Vertriebsleiter für die Schweiz kenne ich natürlich sämtliche Stärken und Schwächen. Aber mindestens genauso wertvoll ist es, eine externe Sichtweise - wie sie eben Forterro miteinbringt - zu erhalten, um so die Weichen für die Zukunft zu stellen und die richtigen Massnahmen zu ergreifen. Insgesamt kann man sagen, dass die Neuausrichtung von Myfactory eine signifikante Stärkung unserer bisherigen Strategie und eine Fokussierung auf unseren Zielmarkt bedeutet.

Ist die neue Funktion für Sie als langjähriger Verkaufsleiter eine grosse Umstellung?

Ich freue mich sehr über meine neue Rolle bei Myfactory, die eine konsequente Weiterentwicklung für mich darstellt. Daher werde ich mit meinem Team weiterhin daran arbeiten, allen individuellen Anforderungen unserer Kunden, Partner und Interessenten gerecht zu werden und konsequent die Zufriedenheit unserer Kunden in den Mittelpunkt zu stellen. Zusammen mit Timo Bärenklau als Country Manager für Deutschland und Österreich möchte ich unsere Präsenz im DACH-Raum weiter stärken und das kontinuierliche Wachstum unseres Unternehmens gewährleisten.

Welche Baustellen haben Sie angetroffen?

Baustellen ist definitiv das falsche Wort, Herausforderungen trifft es da sicher besser. Die hat es allein schon aufgrund des rasanten Wachstums in den vergangenen Jahren natürlich gegeben. Ausser auf einen gut laufenden Vertrieb konzentrieren wir uns verstärkt auf die Verbesserung von Kundenservice und -zufriedenheit. Ausserdem hat uns - wie auch unsere Kunden und Partner - die anhaltende Covid-Situation gefordert und es notwendig gemacht, dass wir uns neu finden und gut aufgestellt sind für die Zukunft.

Was heisst das konkret?

Die gerade erwähnten Herausforderungen haben uns deutlich gemacht, wie wichtig es ist, unsere Kunden ins Zentrum zu rücken und auf deren Bedürfnisse noch besser einzugehen. Das fängt bereits bei der Produktentwicklung an: Während in der Vergangenheit die Weiterentwicklung oft intern vorangetrieben wurde, werden wir zukünftig verstärkt auf den Kunden und Marktbedarf setzen und die Anforderungen und Bedürfnisse unserer Anwender bei der Entwicklung neuer Funktionen und Features abbilden. Ein weiteres wichtiges Element, um zur Zufriedenheit unserer Kunden beizutragen, ist der Support. Hier wollen wir noch professioneller werden. Dabei liefert uns der Erfahrungsaustausch mit der deutschen Muttergesellschaft, die im Gegensatz zum hiesigen Direktgeschäft ein Partnermodell betreibt, wertvollen Input.

Jörg Holzmann auf dem Cover der IT-Markt-Printausgabe (Nr. 8/2022). (Source: Netzmedien)

Warum setzt Myfactory in Deutschland und der Schweiz auf unterschiedliche Vertriebsmodelle?

Das ist historisch bedingt. Myfactory startete in München als partnergetriebenes Konstrukt. Das Geschäft in der Schweiz bestand ursprünglich aus einem einzelnen Partner, während es in Deutschland mehrere kleine und mittelgrosse Partner gab. In Deutschland und Österreich entstand daraus ein Partnermodell, in der Schweiz hingegen ein sehr erfolgreicher Direktvertrieb. Darauf sind wir stolz, denn beide Vertriebsmodelle haben ihre Stärken und profitieren vom gegenseitigen Austausch. Daher werden wir ganz klar daran festhalten und die unterschiedlichen Vertriebsmodelle weiter ausbauen. So stellen wir gerade in der Schweiz einen neuen Vertriebsmitarbeiter und in Deutschland einen Partnermanager ein.

Wäre ein Schweizer Partner denkbar?

Grundsätzlich sind wir offen dafür. Wir haben aktuell auch eine Handvoll Partner in der Schweiz. Da sind wir sehr selektiv. Ein möglicher Partner muss bereit sein, in diese Zusammenarbeit zu investieren, und mit einer passenden Strategie und einem Business Case zu uns kommen. Dann führen wir sehr gerne Gespräche über eine Partnerschaft.

Sie sind nicht der einzige ERP-Anbieter, der hierzulande auf das Direktgeschäft setzt. Lohnt sich das ERP-Geschäft für Fachhändler nicht?

Für einen Partner, der das Geschäft ernsthaft anpacken will und einen Grossteil seiner Ressourcen darin investiert, ist das absolut ein funktionierendes Geschäftsmodell. Als zweites oder drittes Standbein noch ein bisschen ERP verkaufen zu wollen, das funktioniert allerdings nicht - bei niemandem.

Was war der Grund für den Führungswechsel?

Myfactory ist in den vergangenen 20 Jahren stetig gewachsen und hat bereits Schritte unternommen, um sowohl unser Produkt als auch unsere Kunden in die Cloud zu überführen. Vor der Übernahme durch Forterro Ende 2021 waren wir ein inhabergeführtes Unternehmen. Eine Nachfolgelösung wurde daher zwangsläufig zum Thema. Der nächste logische Schritt war deshalb die Zusammenarbeit mit einem grossen Partner. Durch die Synergien mit Forterro und dank dessen Netzwerk können wir nun auf ganz andere Ressourcen zurückgreifen, um unser Produkt auf die nächste Stufe zu heben. Sowohl wir als Unternehmen als auch unsere Kunden profitieren enorm vom Wissen und der Expertise von Forterro. Die Integration in die Forterro-Gruppe eröffnete uns darüber hinaus neue Möglichkeiten, beispielsweise ausserhalb des DACH-Raums. Diese Märkte hatten wir bis dahin gar nicht auf dem Radar und diese wären mit dem damaligen Management auch gar nicht stemmbar gewesen. Unser primäres Ziel wird es sein - gemeinsam mit Forterro -, das weitere Wachstum und die Dynamik von Myfactory vo­ranzutreiben.

Wie hat sich die Übernahme auf die Schweizer Niederlassung ausgewirkt?

Im Tagesgeschäft hat sich gar nichts verändert. Das lief ja bereits erfolgreich und das wollen wir auch so weiterführen. Mit dem neuen, jüngeren Führungsteam kam aber trotzdem eine neue DNA ins Unternehmen. Wir haben uns zum Beispiel "One Myfactory" gross auf die Fahne geschrieben. Mit der Strategie verfolgen wir das Ziel, den DACH-Raum in den kommenden Monaten näher zusammenzubringen. Das hat natürlich Auswirkungen auf unsere Teams in der Schweiz und in Deutschland, wobei die unterschiedlichen Vertriebsmodelle wie gesagt weitergeführt und ausgebaut werden.

Myfactory wird als Marke bestehen bleiben, so wie die anderen Brands von Forterro.

Was meinen Sie mit "den DACH-Raum näher zusammenbringen"?

In der Vergangenheit gab es in einigen Bereichen fast eine Ländertrennung. Durch die sukzessive Zusammenführung des Know-hows und des Wissens von Myfactory wollen wir die Arbeit im Unternehmen effizienter gestalten. Das betrifft den Support, die Unternehmensprozesse, die Projektleitung, und noch viel wichtiger: die Entwicklung. Hier schaffen wir Nähe, indem die Erfahrung aus unserem Direktgeschäft in die Produktentwicklung genauso miteinfliesst wie die Kundenbedürfnisse. Damit verbessern wir nicht nur den Kundenservice, sondern schaffen auch die Basis für die weitere Skalierung unseres Geschäfts.

Ist eine Umfirmierung von Myfactory zu Forterro geplant?

Als Marke wird Myfactory bestehen bleiben, so wie es auch bei den anderen Brands von Forterro der Fall ist, zum Beispiel Abas oder Proconcept. Denn jedes der Forterro-Produkte hat seine eigenen Stärken und bedient einen klar definierten Zielmarkt. Myfactory ist eine der umfassendsten, vollständig integrierten Cloud-ERP-Lösungen für kleine und mittlere Unternehmen und hat eine starke Position auf dem europäischen Markt. Ich freue mich, dass wir in Forterro einen Partner gefunden haben, der nicht nur über die Infrastruktur und das Kapital verfügt, um uns schnelles Wachstum zu ermöglichen, sondern der eine Strategie verfolgt, die unsere Marke, unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, unsere Produkte und die Investitionen unserer bestehenden Kunden wertschätzt.

Wie wirkt sich die Übernahme auf die Produkte von Myfactory aus?

Bei den Produkten wollen wir sicher Synergien nutzen, das ist ganz klar. Basisentwicklungen, die wir bisher gar nicht hätten machen können, sind als Teil der Forterro-Gruppe mittelfristig möglich. Denn unter Umständen können wir nun neue Technologien für alle Produkte gemeinsam nutzen. Damit ist die bei ERP-Systemen so wichtige Weiterentwicklung gesichert. Stand heute optimieren 11’000 mittelständische Industrieunternehmen in Europa ihre Geschäftsprozesse mit Lösungen von Forterro. Die damit einhergehende Expertise sorgt für Kontinuität bei den Kunden. Dies gilt auch für Kunden von Myfactory. Wenn sie wachsen, finden sie eine passende Lösung für ihre Bedürfnisse innerhalb der Forterro-Familie. Wenn sie auf andere internationale Märkte expandieren, können sie auf Beratung, Fachwissen und lokale Unterstützung von einem der 40 weltweiten Forterro-Standorte zugreifen. Das war vor der Übernahme durch Forterro in der Form nicht möglich.

Wie wollen Sie Myfactory prägen?

Landesspezifische Module wie Swiss Solution oder die spezielle Lohnbuchhaltung der Schweiz will ich strategisch weiterentwickeln - gerade da wir jetzt Teil eines länderübergreifenden Konstrukts sind. Wir wollen nicht, dass Myfactory als monolithischer ERP-Anbieter wahrgenommen wird, auch wenn wir als generalistischer Anbieter alles aus einem Guss anbieten können. Produkte, die unser Angebot ergänzen, müssen wir integrieren können. Unser Partnerangebot und -netzwerk wollen wir in dieser Hinsicht weiter verbessern, auch wenn wir bereits viele Möglichkeiten bieten.

Myfactory bietet ein cloudbasiertes ERP an. Hosten Sie dieses selbst?

Wir haben in jedem Land einen lokalen Rechenzentrumspartner. In der Schweiz nutzen wir die Hosting-Dienst­leistungen eines lokalen Anbieters. Die Applikation überwachen wir aber natürlich selbst.

Jörg Holzmann in den Büroräumlichkeiten von Myfactory in Hunzenschwil. (Source: Netzmedien)

Wie sieht Ihre Strategie für den Schweizer Markt aus?

Wir verzeichnen eine wachsende Anfrage unserer Kunden nach weiteren, ergänzenden Lösungen. Dieser Nachfrage begegnen wir mit neuen Angeboten aus dem Forterro-Netzwerk, die wir auf den Schweizer Markt bringen werden. Da sind wir bereits in der Vorbereitung. Aber wir sind auch offen für weitere Lösungspartner. Im Mittelpunkt stehen die Wünsche unserer Kunden.

Können Sie dazu schon mehr verraten?

Namen möchte ich noch keine nennen. Unser Augenmerk richten wir aber definitiv auf DMS-Lösungen. Hier gibt es verschiedene gute Lösungen, die noch einen Schritt weiter gehen als unsere Dokumentenablage. In diesem Bereich werden wir in Kürze Lösungen auf den Markt bringen. Das ist auch ein Beispiel dafür, wie wir uns für Partner öffnen möchten.

Wie wird sich das Geschäft mit Business-Software in der Schweiz kurz-, mittel-, und langfristig entwickeln?

Business-Software-Anbieter werden sich noch mehr öffnen und strategische Partnerschaften eingehen müssen. Selbst Generalisten wie wir, die in jedem Bereich etwas anbieten, müssen anerkennen, dass es Lösungen gibt, die viel tiefer gehen. DMS habe ich als Beispiel ja bereits erwähnt. Es muss einfacher werden, zusätzliche Lösungen in den Funktionsumfang aufzunehmen. Diese Stossrichtung verfolgen wir ganz klar.

Im September 2023 tritt das revidierte Datenschutzgesetz in Kraft, was ändert sich damit für Sie?

Das Schöne ist ja, dass das Datenschutzgesetz (DSG) weniger streng ist als die Datenschutz Grundverordnung der EU (EU-DSGVO), mit der wir in Deutschland bereits mehrere Jahre Erfahrung haben. In der Schweiz bleibt es also weiterhin einfacher als in Deutschland. Daher bieten wir funktional bereits alles, was das DSG verlangt, und können uns auf die Einführung freuen.

Wir investieren viel in Cybersecurity.

Gibt es für Cloud-ERP-Anbieter etwas Besonderes zu beachten?

Als Cloud-Anbieter muss man nicht nur den Datenschutz, sondern auch die Cybersicherheit beachten. Das beste Datenschutzgesetz bringt nichts, wenn einem wegen fehlender Cybersecurity die Daten abhandenkommen. Es ist beispielsweise extrem wichtig, klar zu regeln, wer überhaupt Zugriff auf welche Daten hat.

Wie ist dieser Zugriff bei Ihnen geregelt?

Auf unsere Kundendaten können nur berechtigte Entwickler zugreifen. Ausnahmen bilden der Support, wenn es einen entsprechenden Fall gibt, und während der Implementierungszeit der Projektleiter. Sämtliche Zugriffe werden protokolliert, um diese gegebenenfalls später nachvollziehen zu können.

Wie stellen Sie die Cybersecurity bei Ihren Produkten sicher?

In diesen Bereich investieren wir viel. Zum Beispiel führen wir jedes Jahr einen Penetrationstest unserer Server durch. Dazu kommt die Sicherheit der Rechenzentren. Ein Cyberdefense-Service überwacht die Software und sucht laufend nach Anomalien in den Datenströmen. Die Benutzer und Benutzerinnen sind aber immer noch mit das grösste Risiko. Da müssen Organisationen ihre Mitarbeitenden entsprechend schulen.

Welchen Stellenwert hat Security bei der Entwicklung?

Bei Schweizer Projekten ist das kein Thema, da Kundenprojekte im Myfactory-Framework aufgesetzt werden. Dieses Framework garantiert die Sicherheit bereits. Bei Weiterentwicklungen des Frameworks oder des Myfactory-Kerns sieht das anders aus, da hat die Cybersecurity höchste Priorität.

Persönlich: Jörg Holzmann ist seit dem Jahr 2000 im ERP-Markt tätig. Entsprechend breit ist sein Erfahrungsschatz rund um das Thema. Er übernahm 2015 die Verantwortung für den Vertrieb bei Myfactory Schweiz. Seit Mitte 2022 ist er Country Manager des Unternehmens. Know-how in Prozessindustrie, Produktion, Qualitätssicherung und Produktentwicklung rundet sein Profil ab. In seiner Freizeit ist er gerne sportlich aktiv und geniesst die Zeit mit seiner Familie.

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