Digital Economic Forum 2018

Mensch und Maschine im Wettstreit um die digitale Zukunft

Uhr

Das Digital Economic Forum 2018 stand ganz im Zeichen der künstlichen Intelligenz. Experten aus Wirtschaft und Forschung zeigten dem Publikum ihre Sicht auf das Thema. Die Referenten waren sich über Möglichkeiten und Risiken der digitalen Disruption nicht immer einig.

Gastgeber Thomas Zwahlen organisierte das DEF zum ersten Mal. (Source: Netzmedien)
Gastgeber Thomas Zwahlen organisierte das DEF zum ersten Mal. (Source: Netzmedien)

Machine Learning, neuronale Netze und selbstlernende Algorithmen - der intelligente Computer stand im Zentrum der Aufmerksamkeit am vierten Digital Economic Forum (DEF), das gestern im Zürcher Hotel Park Hyatt über die Bühne ging. Rund 200 Besucher folgten der Einladung der Veranstalter, wie Gastgeber Thomas Zwahlen, der das DEF zum ersten Mal organisierte, zum Auftakt sagte. Begrüsst wurden sie von Regierungsrätin Carmen Walker Späh, die das Forum im Namen der Zürcher Behörden eröffnete.

Zürich sei ein idealer Ort, um über digitale Herausforderungen zu diskutieren, sagte Walker Späh. Die Stadt sei eine wichtige Grösse in der ICT-Branche und führend bei der Digitalisierung. Hier gebe es neben zwei Hochschulen und zahlreichen Unternehmen auch Platz für Innovationen wie den Blockchain-Hub "Trust Square".

Die Digitalisierung biete allerdings nicht nur Chancen, sie löse auch Anpassungsdruck und Unbehagen aus. Unternehmen müssten ihre Geschäftsmodelle überdenken. Arbeitnehmer stünden vor der Aufgabe, sich weiterzubilden. Die Politik sei gefordert, die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen.

Regierungsrätin Carmen Walker Späh: "Packen wir die Digitalisierung mit Zuversicht und Mut an." (Source: Netzmedien)

Doch all dies sei notwendig, um mit der Entwicklung Schritt zu halten, sagte Walker Späh. Sie forderte für die digitale Zukunft eine "Politik 4.0", die dem digitalen Wandel mit Offenheit gegenüberstehe, dabei aber auch die Risiken im Blick behalte. Mit Seitenhieben auf Gebühren für Self-Scanning-Kassen in Genf und dem Datenskandal bei Facebook gab die Regierungsrätin auch zwei Beispiele, wie man es aus ihrer Sicht nicht machen sollte.

Digitalisierung mit Augenmass

Als Moderator des Digital Economic Forum fungierte in diesem Jahr Stephan Klapproth. Mit kritischem Witz und Anekdoten aus der IT-Geschichte führte der ehemalige Sprecher von "10 vor 10" durch die Veranstaltung und verlor dabei auch ihr Motto nicht aus dem Blick: Die digitale Disruption verstehen und nutzen.

SRF-Urgestein Stephan Klapproth führte mit historischen Seitenblicken durch das DEF. (Source: Netzmedien)

Hinweise, wie sich dies umsetzen lässt, gab Stephan Sigrist, Leiter des Think Tank W.I.R.E. Die Digitalisierung schaffe viele neue wirtschaftliche Möglichkeiten, sie werfe aber auch Probleme auf, die von der Gesellschaft behandelt werden müssten. Dabei gehe es nicht um neue Technologien, sondern um die Anpassung an Strukturen. Denn der digitale Wandel sei 2018 nicht mehr eine Vision, sondern längst eine Normalität, mit der man sich auseinandersetzen müsse.

Unser Grundproblem mit der Digitalisierung besteht darin, dass wir bereits in einer Vorstellung über die Beschaffenheit der digitalen Zukunft festsitzen, wie Sigrist sagte. Überall werde wie ein Mantra wiederholt, dass alles digital disruptiert werde. Doch dieses mythische Verständnis greife zu kurz, auch weil Prognosen zur Technik der Zukunft meist sehr zu wünschen übrig liessen.

Stephan Sigrist forderte mehr Gehirn und weniger Technikmythen. (Source: Netzmedien)

Stattdessen forderte Sigrist einen "neuen Lösungsansatz im Umgang mit der digitalen Zukunft". Dieser umfasse einen gesamtheitlichen, nüchternen Blick. In dieser Perspektive werde etwa deutlich, dass die herrschende Angst vor der Automatisierung übertrieben sei, denn nicht alles werde digitalisiert. Auch könne digitale Technologie nicht per se alle Probleme lösen. Sie liefere vielmehr das Fundament, auf dem über die Anwendungen zum Vorteil von Gesellschaft und Wirtschaft nachgedacht werden könne. Zudem müssten die Schwächen und Grenzen, zum Beispiel von künstlicher Intelligenz (KI), kritisch betrachtet werden.

Gemäss Stephan Sigrist gibt es bei der Digitalisierung vier Herausforderungen. Die erste bestehe darin, eine datenbasierte Wirtschaft aufzubauen, die pragmatischen Regeln für den Datenschutz folge. Zweitens müsse die Entscheidungsfähigkeit des Menschen auch in Zeiten von Fake News erhalten bleiben. Drittens sei es wichtig, die Vielfalt von Gedanken zu stärken. Und viertens müssten dynamische Netzwerke geschaffen werden, in denen Kooperation Wachstum ermögliche. Zum Abschluss seines Referats plädierte Sigrist für eine "Aufklärung des 21. Jahrhunderts", in der Menschen und die Gesellschaft im Zentrum von Innovation stehen und es auch mal heisse: "Computer aus - Gehirn an".

Auf der Suche nach den IT-Stars von morgen

Lukas Sieber, der im Anschluss auf die Bühne trat, will als Mitbegründer der Plattform Mindfire der KI-Forschung neuen Schwung verleihen. Denn noch ist "nichts an KI intelligent", wie er sagte. Mindfire soll einst Talente aus der KI-Foschung zusammenbringen und so die Prinzipien ausmachen, die hinter der Intelligenz stecken. Es gehe darum, die Frage zu beantworten, was Intelligenz eigentlich sei.

Mindfire setzt dazu auf die Blockchain. Ein Technologie, mit der Sieber als Executive Director North America der Greater Zurich Area in den letzten Jahren oft in Kontakt kam. Sein Job, Firmen zum Umsiedeln in die Schweiz zu bewegen, sei im harten Standortwettbewerb normalerweise nicht einfach, sagte Sieber.

Lukas Sieber berichtete über seine Erfahrungen mit Blockchain-Start-ups. (Source: Netzmedien)

Bei Blockchain-Start-ups sehe das allerdings anders aus. Die Zahl entsprechender Anfragen sei stark angestiegen, das globale Medieninteresse am Crypto Valley quasi Gratiswerbung für den IT-Standort Schweiz. Dazu komme, dass die Schweiz ein Bild von sich vermittle, das sehr gut zu den Versprechen der Blockchain wie Dezentralisierung und Eigenverantwortung passe.

"Die Welt wurde high auf Blockchain und Crypto", sagte Sieber. Doch davon dürfe man sich nicht zu stark beeindrucken lassen: "Ich kann ihnen versichern, das meiste davon ist Schrott". Ausserdem sei die Technologie langsam, sperrig und bringe noch relativ wenig Nutzen." Die Kunst bestehe deshalb darin, aus dem Rauschen diejenigen Anwendungen der Blockchain zu finden, die wirklich einen Mehrwert generieren. Als Beispiele erwähnte er Life Sciences, Versicherungen und das eigene Projekt Mindfire. Allerdings stünden wir aktuell noch ganz am Anfang und seien vom produktiven Einsatz womöglich noch Jahrzehnte entfernt.

Machine Learning aus China und Zürich

Mit Andrew Garrihy war der Chief Marketing Officer Consumer Business Western Europe von Huawei Technologies Gast am Digital Economic Forum. Garrihy stellte den chinesischen Hersteller vor und zeigte, wo es aktuell mit und an KI arbeitet. Ziel von Huawei sei es, KI-Anwendungen zu entwickeln, die den Menschen einige der vielen tausend Entscheidungen abnehmen könnten, die sie jeden Tag treffen müssten.

Realisiert hat Huawei diesen Anspruch gemäss Garrihy in seinen Smartphones mit einem eigenen Neural-Processing-Chip. Mit dessen Hilfe könnten die Handys Objekte auf Bilder erkennen. Dies helfe nicht nur beim Fotografieren mit der Smartphone-Kamera, es versetze das Gerät auch in die Lage, als Gehirn eines selbstfahrenden Autos zu fungieren.

Andrew Garrihy zeigte, was Huawei in puncto KI im Angebot hat. (Source: Netzmedien)

Wie Huawei sich denn im hart umkämpften Smartphone-Markt behaupten könne, wollte Moderator Klapproth von Andrew Garrihy wissen. Die Story sei hier sicher wichtig, den Unterschied mache aber der Nutzen für den User, sagte Garrihy.

In die Welt der KI-Forschung ging es mit Joachim Buhmann, Professor und Vorsteher des Institute for Machine Learning an der ETH Zürich. Buhmann verdeutlichte den Zusammenhang zwischen Algorithmen, Big Data und neuronalen Netzen. Bei letzteren sei der Clou, dass sie sich mittels Daten selbst trainieren und verbessern könnten. Die Algorithmen, auf denen die Netze basieren, bringen die eigentliche Intelligenz in die IT.

Joachim Buhmann forscht an der ETH an neuronalen Netzen. (Source: Netzmedien)

Wie das konkret funktioniert, zeigte Buhmann anhand eines Beispiels aus der Medizin. Im Umgang mit Patienten werde eine riesige Menge unterschiedlichster Daten produziert. Die Herausforderung bestehe darin, aus diesen Daten das für die Behandlung relevante Wissen zu extrahieren. Bislang geschehe dies über die Ärzte; gewissermassen schlecht gewartete und wenig zuverlässige Datenbanken, wie Buhmann es nannte.

Mit sich selbst verbessernden Algorithmen werde der Computer künftig nützliches Wissen besser schaffen können, als es menschliche Mediziner heute können, war Buhmann überzeugt. Das gelte auch für andere Disziplinen, bei denen sich menschliche Denkvorgänge durch KI abbilden lassen. Auch die Wissenschaft selbst sei davor nicht gefeit, der selbst forschende Computer also nur noch eine Frage der Zeit.

Zwischen den Referaten bot sich Gelegenheit zu Austausch und Verpflegung. (Source: Netzmedien)

Den Fortschritten in der KI-Entwicklung stünden allerdings Fragezeichen gegenüber, sagte Buhmann. Das Datenschutzproblem bei der automatisierten Verarbeitung von medizinischen Daten sei ebenso noch ungelöst wie die Frage nach der Nachvollziehbarkeit und der rechtlichen Haftung. So sei etwa noch zu klären, wer für Fehler eines Algorithmus verantwortlich sei. Der Besitzer der Daten, der Programmierer oder der Verkäufer des Programms?

So bot das Digital Economic Forum 2018 verschiedene Sichtweisen auf das Thema künstliche Intelligenz. Gastgeber Thomas Zwahlen wollte mit dem Schwerpunkt auf Referate und Themen einen stärkeren roten Faden in die Veranstaltung bringen, wie er sagte. Es gehe ihm darum, mit einem Mix aus Information, Bildung und Unterhaltung, die Forschung, Bildung und Praxis zusammenzubringen.

Die Rückmeldungen seien "ausserordentlich positiv" gewesen, sagte Zwahlen nach der Veranstaltung. Die Schärfung auf Informatikthemen und die Digitalisierung würden wahrgenommen und geschätzt. Mit der Networkingmöglichkeit sei das DEF auch dem Anspruch gerecht geworden, den Menschen ins Zentrum zu stellen.

"Die Organisation als Ganzes und vor allem die Verpflichtung von hochkarätigen Referenten in der kurzen zur Verfügung stehenden Zeit seit der Übernahme des DEF war herausfordernd", so Zwahlen weiter. "Dank der Unterstützung meines Boards ist uns das aber in hoher Qualität gelungen."

Das nächste DEF findet laut Veranstalter am 9. Mai 2019 statt. Inhaltlich werde es wieder das Spektrum von Forschung über Entwicklung bis zur Praxis abdecken. Der Anlass werde laut Thomas Zwahlen in einer "modernen Infrastruktur mitten in der Stadt Zürich durchgeführt".

Webcode
DPF8_89893