So finden sich Käufer und Verkäufer in der IT-Branche
Xerox/HP, Sunrise/UPC, Google/Fitbit - Mergers & Acquisitions sind in der IT-Branche an der Tagesordnung. Doch wie kommen die Deals eigentlich zustande - oder auch nicht? Antworten gab es am Focus on Future - von einem Berater, einem Käufer und einem Integrator.
"IDL übernimmt Pit Informationssysteme", "Bechtle kauft Schweizer IT-Dienstleister" oder "Broadcom verkauft seine Security-Service-Sparte an Accenture". Fast täglich berichten die IT-Fachmedien über Besitzerwechsel in der Branche - oder anorganisches Wachstum, wie es in der Business-Sprache heisst. Was hinter den Kulissen abläuft, wie die Deals zustande kommen und bei welchem Konditionen sich Käufer und Verkäufer treffen, bleibt dabei meist unbekannt.
Ändern konnte das der Focus on Future, der gestern zum 15. Mal in der Badener Villa Boveri stattfand. Gastgeber Urs Prantl hatte drei Referenten eingeladen, die aus persönlicher und professioneller Erfahrung über Mergers & Acquisitions (M&A) in der Schweizer IT berichteten.
Der Berater
Einen Überblick zum Thema gab als erstes Oliver Wegner. Der M&A-Berater führte das Publikum durch die verschiedenen Schritte des Prozesses; von der Idee eines Verkaufs bis zur Integration in ein neues Unternehmen. Verschiedene Schlüsselfragen stünden dabei im Zentrum, auf die Käufer und Verkäufer eine klare Antwort finden müssten. Etwa:
Was ist das Unternehmen wert?
Warum wird das Unternehmen verkauft?
Was passiert mit dem Unternehmen nach dem Verkauf?
Zu welchen Bedingungen wird verkauft?
Welche Rolle spielt der Verkäufer nach dem Verkauf?
Wer kauft? Wer verkauft? Welche Erwartungen haben beide Seiten?
Die Frage des angemessenen Verkaufspreises sei natürlich zentral, sagte Wegner. Hierbei spielten verschiedene Faktoren wie die Unternehmenszahlen, die Kundenbasis, die Unternehmensstruktur oder die Mitarbeiter eine Rolle.
Oliver Wegner: "Ein Unternehmen ist immer soviel wert, wie der andere zu zahlen bereit ist." (Source: Netzmedien)
Doch gehe es bei Übernahmen keineswegs nur um das Preisschild. Die emotionale Bindung des Verkäufers zu seinem Unternehmen sei ebenso wichtig wie das Vertrauen und der "Fit" zwischen den potenziellen Partnern. Der Verkäufer wolle in der Regel einen Käufer finden, der zu seinem Unternehmen passe, der diesem eine Zukunftsperspektive bieten könne.
M&A sei ein Spiel, dessen Regeln man kennen müsse, sagte Wegner. In diesem Spiel habe der Käufer grundsätzlich mehr Chancen als der Verkäufer. Gleichzeitig befinde sich die IT-Branche seit längerem in einem Verkäufermarkt, bei dem sich der Verkäufer in einer verhandlungstaktisch günstigeren Position als der Käufer befindet - wenn er denn ein gutes Produkt anzubieten hat.
Der Käufer
Mit Simon Boss trat am Focus on Future einer auf, der weiss, wie man kauft. Der IT-Unternehmer und CEO von Boss Info tätigte in den vergangenen 14 Jahren nicht weniger als 14 Übernahmen. Nicht alle davon erfüllten die Erwartungen. Es habe Tops und Flops gegeben, sagte er. Mit der Zeit sei die Erfahrung gewachsen, Misserfolge hätten ihm geholfen, die Wachstumsstrategie zu schärfen und sich auf die richtigen Märkte zu fokussieren.
Auch Boss gab Tipps zum Gelingen einer Übernahme und erzählte dazu von seinen Erlebnissen als Käufer. Er zeigte verschiedene Typen von Übernahmekandidaten, beleuchtete Gründe für Kauf und Verkauf, stellte die Sicht beider Seiten vor und benannte schliesslich die Faktoren für einen erfolgreichen Deal. Wichtig seien:
viel Geduld, denn der Kaufprozess könne sich jahrelang hinziehen
die Betreuung von Mitarbeitern und Kunden auf beiden Seiten
ein "gutes Gefühl" für alle Beteiligten
die Bereitschaft, eine Chance zu nutzen
Diskretion und Verschwiegenheit
das Eisen zu schmieden, so lange es heiss ist
und Respekt vor dem Verkäufer und seinem Unternehmen
Der Integrator
Der dritte Referent des Abends war Urs Röthlisberger, Geschäftsleiter bei Axians IT&T. Er berichtete über die Herausforderungen bei der sogenannten "Post Merger Integration" (PMI) von Ruf Informatik nach dem Kauf durch das französische Unternehmen Vinci.
Die PMI beginne bereits bei der Verkaufsidee, so Röthlisberger. Sie brauche eine klare, doch flexible Strategie, regelmässige Erfolgskontrollen, eine gute Story, persönliches Engagement und wie der ganze M&A-Prozess genügend Zeit. Transparenz sei dabei zentral. Oft höre man, durch den Verkauf werde sich nichts ändern. Doch das stimme nicht. "Wenn man keine Veränderung will, muss man auch nicht kaufen oder verkaufen", sagte Röthlisberger.
Hat selber ein Unternehmen verkauft und integiert jetzt ein anderes: Urs Röthlisberger. (Source: Netzmedien)
Mit diesen drei Perspektiven auf das Thema M&A eröffnete Urs Prantl eine Diskussion. Die Besucher nutzten sie, um Aspekte zu vertiefen, etwa den Ablauf des Bewertungsprozesses, den Umgang mit Scheinkäufern oder die Frage des "Loslassens". Es waren wohl einige potenzielle Verkäufer im Publikum. Es bleibt offen, wie viele Deals beim anschliessenden Apéro eingefädelt wurden.