Kritische Abhängigkeiten

Marktmacht von IT-Lieferanten gibt Bundesrat zu denken

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Nationalrat Thomas Weibel hat vom Bundesrat verlangt, Auskunft über die Abhängigkeit des Bundes von ICT-Anbietern im Beschaffungswesen zu geben. Nun liegt der Bericht vor. Die Regierung spart nicht mit Kritik, nennt Namen und nimmt sich auch selbst an der Nase.

(Source: Tombaky / Fotolia.com)
(Source: Tombaky / Fotolia.com)

Wie abhängig ist der Bund von ICT-Anbietern und welche Risiken birgt dies? Das wollte der grünliberale Nationalrat Thomas Weibel (ZH) mit einem Postulat wissen. Jetzt liegt die Antwort des Bundesrats vor - und er konstatiert Handlungsbedarf. Folgende Fragen beantwortete die Regierung:

 

Wie hoch sind die Abhängigkeiten von einzelnen IT-Anbietern?

Es gebe keine Daten zur Frage, wie hoch die Mehr- oder Minderkosten bei den IT-Beschaffungen aufgrund einer Abhängigkeit von Anbietern sind, schreibt der Bundesrat. Ein Preisvergleich der Lieferanten mit einer Monopolstellung im IT-Markt sei wegen des fehlenden Wettbewerbs nicht möglich. Der Bund gebe pro Jahr rund 10 Prozent seines Beschaffungsbudgets für IT- und Telekommunikationsmittel aus, 540 Millionen Franken.

Zu den umsatzstärksten IT-Lieferanten des Bundes gehörten die Firmen Acceleris, Atos, Business IT, Elca, Global IT, Hewlett-Packard, Microsoft, Oracle, Ruag, SAP, Softwareone, SPIE ICS und Swisscom. Mit der Umsatzstärke sei aber nicht zwingend eine Abhängigkeit verbunden.

 

Welche Ursachen liegen den Abhängigkeiten zu Grunde?

Die Bundesverwaltung sei wie die Privatwirtschaft in einzelnen Bereichen von marktmächtigen IT-Lieferantinnen und ihren Produkten abhängig. Anbieterseitige Abhängigkeiten entstünden, indem ein Anbieter durch sein Geschäftsmodell oder vorgegebene Standards eine marktmächtige Stellung inne habe. "Dies kann zur Folge haben, dass die Anbieterin grosse Gewinnmargen realisiert, die Leistungsqualität verringert, die Liefertermine vorgibt oder den Wechsel auf andere Produkte erschwert", heisst es im Bericht.

Nachfrageseitige Abhängigkeiten entstünden, indem die Bundesverwaltung zu spezifische Lösungsanforderungen stelle oder bereits getätigte Investitionen schützen wolle. Dabei gehe es etwa um vorgegebene Standards oder die fehlende modulare Gestaltbarkeit bestehender Systeme.

Im Vergleich mit der Privatwirtschaft sei in der Bundesverwaltung ausserdem die Flexibilität, bei ungenügender Leistung den Hersteller zu wechseln, aufgrund des öffentlichen Beschaffungswesens reduziert. Eine neue Ausschreibung mit Einsprachemöglichkeit für alle potenziellen Anbieter sei notwendig.

 

Welche Auswirkungen und Risiken sind damit verbunden?

Wie risikobehaftet IT-Beschaffungen sind, kann laut Bericht nicht gesagt werden, da für die Beurteilung ausser den Produktkosten auch andere Faktoren zu berücksichtigen sind, beispielsweise Wechselkosten zu einer anderen Anbieterin oder zu einem anderen Produkt.

Die Abhängigkeit sei je nach Marktverhältnis und betroffener Leistung mehr oder weniger stark ausgeprägt. Der Effekt könne auch positiv sein, wenn eine standardisierte Lösung bereits praxiserprobt und über die gesamte Lebensdauer betrachtet bedeutend günstiger sei als die Entwicklung einer individuellen Lösung.

Wer Beschaffung sagt, muss auch Simap sagen. Der Neustart der Beschaffungsplattform ging vor kurzem gründlich schief. Mehr dazu erfahren Sie hier.

 

Was ist die Problematik von Produktausschreibungen?

Zu detailliert spezifizierte Ausschreibungen oder einschränkende Vorgaben und Standards des Bundes limitierten den Anbieterkreis.

 

Was ist die Problematik von "In-Brand"-Wettbewerben?

Der Wettbewerb unter Vertriebspartnern (Intrabrand) verhindere einen breiten und wirkungsvollen Wettbewerb unter allen Herstellern und ihren Produkten (Interbrand). Wettbewerbe, eingeschränkt auf Vertriebspartner eines Herstellers (Intrabrand), würden daher nur durchgeführt, wenn die Leistungen zwingend von diesem Hersteller bezogen werden müssen.

 

Wie können Lieferantenabhängigkeiten systematisch reduziert werden?

Die Lieferantenabhängigkeiten könnten nur mit einer bundesweiten Risikominderungsstrategie gesteuert und damit reduziert werden, schreibt der Bundesrat. Über geschickte Beschaffungsentscheide könne ein Beitrag zur Reduktion und Vermeidung von Abhängigkeiten geleistet werden. Dies umfasse:

  • Marktanalysen

  • Prüfung; geprüft werde, ob eine Ausschreibung nötig ist oder der Bedarf bundesintern abgedeckt werden kann

  • Die Bevorzugung von Open-Source-Software

  • Ersetzung von einschränkenden Produktausschreibungen durch funktionale Ausschreibungen

  • Beschaffung bei mehreren Lieferanten, um Risiken, Versorgungslücken und Kapazitätsengpässe zu minimieren

  • Agieren von Herstellern als Generalunternehmer mit Dienstleistungspartnern als Subunternehmer

  • Eine Reihe von Voraussetzungen und Massnahmen

  • Risikokontrolle und Monitoring

Der Bericht schätzt die Abhängigkeiten der Bundesverwaltung von IT-Lieferanten vor allem in den IT-Warengruppen "Software" und "Dienstleistungen" als kritisch ein. Bei Anbietern mit ausgeprägter Marktmacht und eingeschränktem Wettbewerb bestünden in der Bundesverwaltung wie auch in der Privatwirtschaft grosse Abhängigkeiten. Die Folgen: eine begrenzte Auswahl an Lieferanten, höhere Kosten sowie diverse Risiken bei einem Lieferantenwechsel.

Der Bericht kann als PDF hier heruntergeladen werden.

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