Digital Pulse Check

Digitalisierung bei Schweizer Banken: Strategie Top, Umsetzung Flop

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von Kevin Fischer und lha

Schweizer und europäische Banken haben im Bereich der Digitalisierung zugelegt. Gegenüber Neobanken machten sie Boden gut. Doch noch hapert es bei der Umsetzung der Strategien.

(Source: Robert Kneschke / Fotolia.com)
(Source: Robert Kneschke / Fotolia.com)

Schweizer Banken sind in der digitalen Strategieentwicklung im europäischen Vergleich die Spitzenreiter. Das ist eine der Erkenntnisse, die das Swiss Finance Institut (SFI) in einer Studie zum Digitalisierungsstatus Schweizer und europäischer Banken gewonnen hat. Die Ergebnisse fasst das Institut im PDF-Dokument "Digital Pulse Check - Schweiz" zusammen.

Schweizer Banken verbessern sich in fast allen Kategorien

Das SFI führte die Studie bereits zum zweiten Mal durch. Im Vergleich zum ersten Mal verbesserten sich die Schweizer Banken in den Dimensionen "Digitalisierungsstrategie", "Geschäftsmodell" und "Management und Organisation".

Auf der reinen Strategie-Ebene waren die Schweizer Banken gemäss Studienautoren sehr gut aufgestellt, auch im europaweiten Vergleich. Analog zu den Banken im Ausland war der digitale Reifegrad der Schweizer Banken in den anderen drei Dimensionen - den "Umsetzungsdimensionen" - deutlich geringer. Bei "Management und Organisation" liegt der tiefste Wert, wobei hier auch die grösste Entwicklung zu verzeichnen ist, im Vergleich zur letzten Studie.

In der Dimension "Prozesse, Daten und IT" gab es keine Veränderung. Das bedeutet gemäss Studienautoren nicht, dass die Banken nicht an diesem Gestaltungselement arbeiten würden. Die Weiterentwicklungen seien aber noch nicht ausreichend spürbar im Einsatz. Ausserdem gewichte das Bewertungsmodell eine Prozessautomatisierung und -digitalisierung in End-to-End-Sicht vergleichsweise hoch. Viele Banken entscheiden sich gemäss Studie derzeit noch gegen eine umfassende End-to-End-Prozessoptimierung, um Komplexität, Investitionsbedarf und Realisierungsdauer zu reduzieren.

Der digitale Reifegrad gemäss dem Digital Performance Indicator. (Source: SFI)

Fazit Teil 1: Digitalstrategie ist fortgeschritten, an der Umsetzung hapert's

Alle befragten Banken konnten ihre digitale Reife ausbauen seit der letzten Studie vor zwei Jahren. In der digitalen Strategieentwicklung sind die Schweizer Banken im europäischen Vergleich Spitzenreiter.

Zumindest auf den Blaupausen sei die Digitalisierung aller Banken weit fortgeschritten. Allerdings kann die Umsetzung nicht mit den Digitalstrategien Schritt halten, wie es in der Studie heisst. Hier sei noch ein Flaschenhals auszumachen. Trotzdem haben die etablierten Finanzinstitute in den Digitalisierungsfragen viel Boden gut gemacht gegenüber den Neobanken.

"Bei den Bankmitarbeitenden hat das Schreckgespenst der Digitalisierung sein Angstpotenzial verloren oder zumindest in seiner Intensität eingebüsst", schreiben die Autoren weiter. Umso wichtiger seien nun digitale Vordenker. Diese müssen aber nicht zwingend aus der Bankenbranche kommen, wie viele Beispiele in der Schweiz zeigen. Quereinsteiger würden willkommene Impulse zum "Neudenken bisheriger Lösungen und zum Aufbrechen bestehender Strukturen" bringen. Die Herausforderung besteht gemäss Studie darin, Digitalisierungsexperten und Digitalisierungsexpertinnen dort anzusiedeln, wo sie die grösste Wirkung generieren können: "in cross-funktionalen Führungspositionen, wo sie sicherstellen, dass Digitalisierungsprojekte eng koordiniert und damit effizient ausgerollt werden."

Fazit Teil 2: Die Vorteile von Agilität werden zunehmend anerkannt

Weiter erkennen immer mehr Schweizer Banken den Vorteil von Agilität - von der Einführung agiler Projektmethoden bis hin zur Etablierung von Netzwerkorganisationen. Im Bereich der Agilität liegen Schweizer Banken gegenüber den europäischen Kollegen auch vorne.

"Dennoch sind immer noch Berührungsängste und die Sorge, vermeintlich bewährte Strukturen einzureissen, erkennbar", schreiben die Studienautoren. "Hier muss ein Umdenken einsetzen, denn Digitalisierung ist nicht die Summe verschiedener IT-Projekte. Die Entwicklung tragfähiger und mehrwertstiftender digitaler Prozesse und Angebote kann nur durch die Interaktion unterschiedlicher Teams aus allen relevanten Bereichen einer Bank erfolgen."

Lange Entscheidungsprozesse, entsprechende Entscheidungsdauer, starre Strukturen, eine von Angst geprägte Fehlerkultur und hierarchisches Denken führen zu schwacher Kundenorientierung und schlechter Time-to-Market, wie es weiter heisst. Mit einem klaren Kundenfokus verspreche Agilität Besserung durch verändertes Denken und Handeln bei den Mitarbeitenden. "Im Ergebnis führt dieses Verhalten zu besseren Produkten und im vorliegenden Kontext auch zu einer Digitalisierung, die schnellere und nachhaltigerer Ergebnisse liefert. Sie macht überdies Unternehmen für digitale Talente, die weniger auf Hierarchien und mehr auf Eigenverantwortung setzen, als Arbeitgeber attraktiv".

Über die Studie

Das SFI hat die Studie, die dem Digital Pulse Check zugrundeliegt, zusammen mit der Strategie- und Managementberatung Zeb durchgeführt. Das angewendete DPI-Modell erfasst, inwieweit Banken ihre digitale Transformation entlang folgender Dimensionen vorangetrieben haben:

  • Strategie

  • Geschäftsmodell

  • Prozesse, Daten und IT

  • Management und Organisation

Die Vier Dimensionen der digitalen Transformation. (Source: SFI)

Jede Dimension umfasst spezifische Kriterien und Erfolgsfaktoren. Mittels Onlinebefragung gaben Banken für jedes Kriterium ihren aktuellen Entwicklungsstand an. Das Studienteam operationalisierte die einzelnen Reifegradstufen mit konkreten Ausgestaltungsbeispielen.

Insgesamt wurden 159 Führungskräfte europäischer Banken befragt, wobei 31 Prozent aus der Schweiz und Liechtenstein stammen, wie die Studienautoren schreiben. 36 Prozent der Befragten sind für eine Kantonalbank tätig. 26 Prozent gehören sonstigen Regionalbanken an. 16 Prozent der Befragten vertraten grosse Banken, 18 Prozent Privatbanken.

Wenn Banken einfaches "Smartphone-Banking" anbieten möchten, bietet sich möglicherweise neu die Dienstleistung "Google Plex" an. Was genau der Dienst für Schweizer Banken bedeutet, erklärt Andreas Dietrich, Leiter Institut Finanzdienstleistungen an der HSLU, in diesem Artikel.

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