Mihaela Grigorie im Interview

Deshalb lohnt sich das Energiesparen für Rechenzentren

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Die Energieeffizienz-Studie des Bundesamts für Energie (BFE) hat ergeben, dass Schweizer Rechenzentren bis zu 45 Prozent mehr Energie einsparen könnten. Was das brächte und welche Überraschungen die Studie bereithält, erklärt ­Mihaela Grigorie, Appliances and Call for Tenders Specialist beim BFE.

Mihaela Grigorie, Appliances and Call for Tenders Specialist, Bundesamt für Energie. (Source: zVg)
Mihaela Grigorie, Appliances and Call for Tenders Specialist, Bundesamt für Energie. (Source: zVg)

Warum braucht es in der heutigen Zeit eine solche Studie?

Mihaela Grigorie: Die letzte Studie stammt aus dem Jahr 2013. Seither ist die Digitalisierung weiter vorangeschritten – ob im privaten oder beruflichen Alltag. Auch wenn heute viel digital abgewickelt wird, müssen diese Daten physisch gespeichert werden – auf Servern und in Rechenzentren. Der Energieverbrauch dieser Infrastrukturen illustriert die digitale Transformation.

 

Welche Überraschungen hielten die Studienergebnisse ­bereit?

Die Studie zeigt ein moderates Wachstum des Stromverbrauchs seit 2013. Das entspricht unseren Erwartungen. Dies kann durch mehrere Faktoren erklärt werden. So ist die Zahl der Rechenzentren seit der letzten Studie gestiegen. Zudem enthält die aktuelle Statistik neu auch kleinere Unternehmen mit weniger als zehn Servern. Parallel dazu sind IT-Infrastruktur und Gebäudetechnik effizienter geworden. Das hat die Zunahme beim Energieverbrauch teilweise kompensiert. Allerdings hätten wir erwartet, dass 2019 alle Rechenzentren und Serverräume noch effizienter sein würden. Dies scheint nicht der Fall zu sein. Gemäss unseren Berechnungen könnte noch 46 Prozent der Energie eingespart werden oder fast eine Terawattstunde. Damit liegt das verbleibende Effizienzpotenzial also ähnlich hoch wie im Jahr 2013. Ein klares Signal an die Branche: Es gibt Potenzial für Verbesserungen.

 

Rechenzentren (RZs) haben 2019 etwa 2,1 Terawattstunden verbraucht. Das entspricht rund 3,6 Prozent des Schweizer Stromverbrauchs in diesem Jahr. Wie hoch ist denn der Verbrauch im Vergleich zu anderen Branchen?

2,1 Terawattstunden sind ein erheblicher Verbrauch. Zum Vergleich: Im Jahr 2019 haben die SBB 2,3 Terawattstunden für den Bahnbetrieb verwendet.

 

Weshalb haben RZ-Dienstleister in den vergangenen Jahren mehr Effizienzmassnahmen umgesetzt als firmeninterne RZs?

Die Frage wurde nicht eingehend untersucht. Aber es lässt sich sagen: Je effizienter das RZ eines Dienstleisters ist, desto wirtschaftlicher ist es auch. Das Stichwort lautet: tiefere Kosten. Eine hohe Effizienz ist also im Eigeninteresse der RZ-Dienstleister.

 

Welche wirtschaftlichen Vorteile bringt den einzelnen RZ-Betreibern, -Dienstleistern und Unternehmen das Ausschöpfen des Energiesparpotenzials sonst noch?

Durch die Umsetzung von Effizienzmassnahmen auf der Infrastruktur- oder IT-Seite können Unternehmen nicht nur Energiekosten, sondern auch Lizenz-, Immobilien- oder Investitionskosten senken.

 

Welchen Einfluss hat es auf den Energieverbrauch, wenn mehrere Firmen ihre benötigte Rechenleistung etwa bei einem externen RZ-Betreiber oder -Dienstleister konsolidieren, anstatt dass sie jeweils ihre eigenen firmeninternen RZs ­betreiben?

Wenn Unternehmen ihre Server auslagern oder Cloud-Dienste nutzen, ist eine Reduktion des Energieverbrauchs zu erwarten. Dienstleister können ihre RZs effizienter betreiben. Voraussetzung dafür ist natürlich, dass diese Unternehmen keine redundanten Infrastrukturen im Haus behalten.

 

Wie spart man bei einem RZ Energie ein?

Energie eingespart werden kann einerseits auf der Infrastrukturseite. Die Studie schätzt hier das Einsparpotenzial auf rund 20 Prozent des gesamten Stromverbrauchs der Rechenzentren. Einsparungen können erzielt werden durch das Anheben der Systemraumtemperaturen, die Nutzung von Free-Cooling, die Trennung der Kalt- und Warmgänge oder die Einhausung der Serverracks.

 

Und auf der IT-Seite?

Auch auf der IT-Seite kann Strom eingespart werden. Das Einsparpotenzial liegt hier gemäss Studie bei rund 26 Prozent des Gesamtstromverbrauchs der Rechenzentren. Erreichen lassen sich diese Einsparungen durch energieeffizientere Speicher, durch höhere Auslastungen, durch mehr Virtualisierung oder durch den Einsatz von effizienteren IT-Komponenten. Die passenden Massnahmen können Unternehmen mit dem Energie-Assessment und Massnahmenkatalog von Energie Schweiz (www.energieschweiz.ch/rechenzentren) ermitteln und umsetzen. Zudem gibt es dafür auch Fördermittel aus dem Programm PUEDA+ (www.puedaplus.ch) von ProKilowatt (www.prokw.ch).

 

Die Studie untersuchte das Jahr 2019 und sah einen schneller wachsenden Energieverbrauch von RZs in der Schweiz voraus. Inwiefern beschleunigt nun die Coronapandemie den Energiebedarf von RZs noch weiter?

Die Auswirkungen der Pandemie auf den Energieverbrauch werden in der Jahresstatistik nach Verwendungszweck 2020 des BFE zu sehen sein, die Ende dieses Jahres veröffentlicht wird. Unabhängig davon wurde bereits in einer separaten Studie untersucht, wie sich die Realisierung von neuen Rechenzentren in der Schweiz auf den Stromverbrauch auswirken. Diese Studie zeigt, dass in den nächsten Jahren mit einem deutlichen Zuwachs an IT-Leistung aus Rechenzentren gerechnet werden muss. Insbesondere im Grossraum Zürich und in der Genferseeregion. Der Stromverbrauch könnte von derzeit 2,1 Terawattstunden auf bis zu 4 Terawattstunden ansteigen.

 

Wie können Bund, Kantone, Gemeinden und Branchen der Zunahme des Daten- und Rechenbedarfs begegnen?

Es sind nicht nur die Datenmenge oder der Rechenbedarf, die reduziert werden müssen, sondern vielmehr die Menge der Energie, die für eine bestimmte digitale Transaktion verbraucht wird. Dies kann durch freiwillige oder vorgeschriebene Verbesserungen bei der Effizienz von Rechenzentren und Kommunikationsnetzwerken erreicht werden. Die Studie listet dazu einige Empfehlungen auf, wie zum Beispiel:

  • Bereitstellung von Informationen sowie Aus- und Weiterbildungsangebote für Planer und Planerinnen, Investoren und Investorinnen sowie Betreiber und Betreiberinnen von neuen und bestehenden Rechenzentren.

  • Unterstützung von freiwilligen Ansätzen wie beispielsweise das Effizienzlabel der Swiss Datacenter Efficiency Association SDEA (www.sdea.ch) oder durch das Förderprogramm für Energieeffizienz in Rechenzentren und Serverräumen PUEDA+ von ProKilowatt (www.puedaplus.ch).

  • Auch normative Grundlagen können in Zusammenarbeit mit der Branche erarbeitet und umgesetzt werden, beispielsweise mit dem Schweizerischen Ingenieur- und Architektenverein SIA und der SDEA.

  • Die Abwärme von Rechenzentren kann in thermischen Netzen genutzt werden. Das ist ein Beitrag zur Dekarbonisierung im Gebäudebereich.

  • Die Realisierung von PV Anlagen für den Eigenstromverbrauch

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DPF8_214346