Swiss Telecommunication Summit 2022

Von grossen Herausforderungen und kleinen Fortschritten

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von René Jaun und jor

Am diesjährigen Swiss Telecommunication Summit hat sich alles um neue Kommunikationstrends gedreht. Die Referierenden lobten die Schweizer Telekommunikations-Infrastruktur, forderten mehr Initiative und stellten unsere neurologische Fitness für moderne Kommunikationsformen in Frage.

Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Gespräch mit Reto Brennwald. (Source: zVg)
Bundesrätin Simonetta Sommaruga im Gespräch mit Reto Brennwald. (Source: zVg)

Am 21. Juni ist in Bern der Swiss Telecommunication Summit über die Bühne gegangen. Der Asut, der Telekommunikations-Branchenverband, stellte den Anlass im Kursaal diesmal unter das Motto "Future of Communication – wie wir künftig kommunizieren". Man werde "Kopf, Hand und Herz der Kommunikation ansprechen", kündigte Asut-Vorstandsmitglied und Country Manager Switzerland & FL von Ericsson Martin Bürki zu Beginn der Veranstaltung an.

Das Kommunikationsnetz sicherer machen

In der Tat packten die Referierenden das Thema künftiger Kommunikationsformen aus ganz unterschiedlichen Richtungen an. Bundesrätin Simonetta Sommaruga, die das Departement für Umwelt, Verkehr Energie und Kommunikation (UVEK) leitet, sprach in ihrer Rede die Bemühungen des Bundes um eine flächendeckende, gut funktionierende Infrastruktur an. Dazu gehöre insbesondere das Telekommunikationsnetz, welches auch im Notfall funktionieren müsse. Mahnend erinnerte die Bundesrätin an die technische Panne bei der Flugsicherung Skyguide, aufgrund derer der Schweizer Luftraum für mehr als zwei Stunden gesperrt wurde.

Eine solche Störung "wollen wir nicht mehr erleben. Ebenso wenig wie die Pannen bei der Swisscom", sagte Somaruga. Zuletzt war es beim grössten Schweizer Telko Anfang Mai zu einem grossflächigen Internetausfall gekommen. "Sie sind ein Teil des Netzes, das die Schweiz zusammenhält", sagte die Bundesrätin und forderte: "Knüpfen wir alle gemeinsam an diesem Netz weiter, dann wird es noch stabiler!"

Eine Lanze brach die Kommunikationsministerin für einen raschen Ausbau des 5G-Netzes. "5G bringt uns mehr Leistung – aber auch Vorteile beim Schutz vor Strahlung." Allerdings sei auch das Unbehagen der Bevölkerung gegenüber dem neuen Funkstandard ernst zu nehmen. Im Anschluss an ihre Rede griff Moderator Reto Brennwald das Thema 5G-Ausbau noch einmal auf, indem er die Bundesrätin fragte, ob ihr Departement in der Sache nicht mehr Führung übernehmen sollte. Die entsprechenden Dossiers seien schlussendlich Sache der einzelnen Gemeinden, antwortete Somaruga und verwies auf weitere, ähnliche Konflikte: "Alle wollen Strom und zu jeder Zeit. Aber niemand will das Windrad, niemand will den Stausee. Es ist eine menschliche Dimension, die man begreifen und auch mögen muss." Man dürfe die Frage stellen, wo der Föderalismus Grenzen habe. Ihn aber gleich ganz umzukrempeln, sei keine gute Idee.

Die Frage nach mehr Führung war auch Thema in der Podiumsdiskussion der drei Schweizer Telkos Salt (Pascal Grieder), Sunrise (André Krause) und Swisscom (Christoph Aeschlimann), sowie der Präsidentin der Eidgenössischen Kommunikationskommission Comcom (Adrienne Corboud). Seit letztem Jahr habe man "ein bisschen Fortschritte" erzielt, sagte Salt-Chef Grieder. Dies reiche jedoch nicht, um beim 5G-Ausbau im internationalen Vergleich mitzuhalten. Könne die Politik hier nicht die Führung übernehmen, solle die Branche sie wenigstens kommunikativ unterstützen.

Die Telko-Elefantenrunde (v.l): André Krause (Sunrise), Christoph Aeschlimann (Swisscom), Moderator Reto Brennwald, Adrienne Fumagalli (Comcom) und Pascal Grieder (Salt). (Source: zVg)

Swisscom-CEO Aeschlimann wünschte sich mehr Initiative von Bund und Kantonen. Auf die Frage, ob auch Swisscom als grösster Telko kommunikativ aktiver werden sollte, fand er: "Ja, können wir schon." Allerdings bekomme sein Unternehmen immer zu hören, man sei nicht glaubwürdig, da man ja an 5G verdiene.

Begeistern für 5G, Metaversum und Gamification

Viel Begeisterung für 5G brachte Huawei-CTO Paul Michael Scanlan auf die Bühne. Kombiniert mit künstlicher Intelligenz (KI) könne die Technologie beispielsweise im Gesundheitssektor Kosten sparen sowie Fachkräfte unterstützen. Namentlich verwies er auf China, wo binnen eines Jahres in mehr als 1500 Spitälern eine solche Lösung ausgerollt wurde, um Röntgenaufnahmen von Coronapatienten zu analysieren. Im Gesundheitswesen gehe der Trend weg von der Behandlung von Krankheiten hin zur Prävention. Dies gelinge nur mit genügend Daten. Auch im Energiesektor liessen sich mit smarten, vernetzten Technologien ordentlich Kosten und Ressourcen sparen, sagte Scanlan.

In der anschliessenden Fragerunde ging es dann aber weniger um 5G als um den umstrittenen Ruf seines Unternehmens. So kritisieren etwa die USA Huawei wegen seiner Nähe zu China, und werfen dem Konzern Spionage und Datenschutzverletzungen vor. Auch die SP forderte kürzlich den Bundesrat auf, die Zusammenarbeit mit Huawei zu verbieten.

Man halte sich an die Gesetze aller Länder, in denen Huawei tätig sei, verteidigte Scanlan sein Unternehmen. Und China habe in puncto Datenschutz viel gelernt in den letzten Jahren. "Mir wurde nie vorgeschrieben, was ich in der Schweiz sagen soll", fügte der CTO an.

Oliver Jung, Director Mobile & Connectivity Partnerships Central and Eastern Europe von Meta, präsentierte einen Streifzug durch das Metaversum. Sein Sohn könne heute schon im Geschichtsunterricht durch das antike Rom spazieren. Allerdings räumte Jung auch ein, dass die komplette Verschmelzung der reellen Welt mit virtuellen Umgebungen noch Verbesserungspotenzial habe, wobei er auch die Netzanbieter in die Pflicht nahm. Es brauche eine stabile Up- und Downloadgeschwindigkeit und eine möglichst geringe Latenz. Am Schluss müssten Netze, Hardware und Applikationen zusammenpassen.

Wenig später plädierte Moritz Zumbühl, Gründer der Blindflug Studios, für mehr Gamification. Spielen, das "konsequenzfreie Üben", sei genetisch bedingt, erklärte er. Wichtig sei dabei, seine User zu kennen und zu verstehen, welche Motivationen sich für sie eignen. Als Beispiel verwies er unter anderem auf die Werbekampagne "Protect Paradise" der Biermarke Corona. Diese belohnte jene, die auf Stränden Plastikmüll einsammelten, mit kostenlosen Getränken. Auf die Art seien 500 Strände gesäubert worden.

Pessimismus in optimistischer Verpackung

Lutz Jäncke, Hirnforscher am Psychologischen Institut der Universität Zürich, hatte im Grunde eine äusserst beunruhigende Botschaft. Demnach ist das menschliche Gehirn nicht im Stande, mit den Herausforderungen der digitalen Welt fertig zu werden. Einerseits fehlen bei vielen neuen Kommunikationsmethoden die nonverbalen Signale, die das menschliche Gehirn zum Vertrauensaufbau nutzt. Ausserdem könne ein Mensch nur einen Bruchteil aller Informationen verarbeiten, die gerade im digitalen Raum auf ihn einprasseln. Die Folge: Das Gehirn schaltet in einen "Lazy-Brain-Modus" – der Mensch wird zum Sklaven der Reize.

Dennoch wirkte Jänckes Referat nicht pessimistisch, sondern überaus erheiternd. "Wir müssen lernen, mit dieser Welt umzugehen", kommentierte er seine Erkenntnisse und empfahl den Anwesenden "Selbstdisziplin: die Fähigkeit zu wählen, das Wesentliche zu wählen. Die Konzentrationsfähigkeit geht uns verloren, wenn wir nicht gegensteuern."

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