Interview mit Russel Acton, General Manager EMEA bei Pivotal

"Mit PaaS können sich Nutzer wieder auf die Wertschöpfung konzentrieren"

Uhr | Updated
von George Sarpong

Für Russel Acton, General Manager EMEA bei Pivotal, ist klar: PaaS-Angebote wie Pivotal One werden die Software-Entwicklung verändern und CIOs helfen, Kosten zu sparen. Für Entwickler bedeutet dies, dass sie ihre Arbeitsweise ändern müssen.

Russel Acton, General Manager EMEA bei Pivotal (Quelle: Pivotal)
Russel Acton, General Manager EMEA bei Pivotal (Quelle: Pivotal)

Mit Pivotal One ist Pivotal Ende des vergangen Jahres angetreten, um den Markt für Platform-as-a-Service-Angebote (PaaS) voranzubringen. Worin bestehen aus Ihrer Sicht die Vorteile für Anwender?

Pivotal One bietet eine Plattform, die es Nutzern ermöglicht, sich darauf zu konzentrieren, was für sie am wichtigsten ist: Mittels Applikationen und Software Wertschöpfung zu erzeugen. Das gelingt uns, indem wir die Komplexität beseitigen, die dies zuvor behindert hat, und das zum bestmöglichen Preis, den es derzeit am Markt gibt. Wir denken dabei genauso an die Anforderungen heutiger wie künftiger Applikationen. Wir entfernen mit Pivotal auch den Lock-in, den Anwender in der Vergangenheit durch gewisse Applikationen in Kauf nehmen mussten. Wenn wir ausserdem den PaaS-Markt weiter vorwärts bringen können, dann haben wir einen guten Job gemacht.

Derzeit sieht es aber danach aus, als seien Infrastructure-as-a-Service-Lösungen (IaaS) erfolgreicher als PaaS. Welche Entwicklung sehen Sie in diesen Gebieten?

Betrachtet man IaaS als einen Makrotrend, stellt man fest, dass die Entwicklung in Richtung Rechenleistung On Demand geht. IaaS führt sozusagen zu einer von Software und Anwendungen kontrollierten Art, wie wir IT einsetzen. Das alles hilft PaaS, einem deutlich jüngeren Markt, der noch am Anfang seiner Entwicklung steht. Deshalb ist der Markt für IaaS auch grösser, da er schon länger besteht. Aber er wird letztlich auch weniger wertvoll sein. Ich meine dies nicht unbedingt in Umsätzen oder Dollar, sondern in Werten für die Anwender, also für die CEOs oder die Aktionäre. Mit IaaS stossen wir ausserdem zunehmend an eine gläserne Decke. In IT-Systemen von grossen Organisationen stecken Milliardeninvestitionen. Einige Systeme sind bereits über 20 Jahre alt, etwa Mainframes. Diese Systeme wurden eingeführt, als an IaaS noch gar nicht zu denken war. Sie werden unterhalten, um bestimmte Workloads am Laufen zu halten. Keiner will aber seine Anwendungen in einem System eingeschlossen haben. Die beste Möglichkeit, um das zu verhindern ist, die Anwendungsebene von der darunterliegenden Infrastruktur zu abstrahieren. Hier greift PaaS ein und bietet dem Anwender einen "Layer of Simplicity", wie ich es nenne. Diese Schicht verhindert, dass sich Entwickler auch noch mit den Hintergrundprozessen beschäftigen müssen. Im Moment kümmern wir uns darum, was für eine Datenbank im Hintergrund läuft. Doch in Zukunft werden wir Anwendungen entwickeln, die gespeichert, durchsuchbar und persistent sein werden. Aber es wird uns nicht mehr interessieren, welche Datenbank im Hintergrund läuft. Im Alltag rufe ich auch nicht meinen Stromanbieter an und frage, ob er Generatoren von Siemens oder General Electric einsetzt. Ich will einfach den Strom beziehen, den ich bezahle.

Was bedeutet das für die Software-Entwicklung?

Früher mussten sich Programmierer überlegen, wie sie ihre Software so schreiben, dass sie die Festplatte möglichst effizient nutzt. Diese Probleme sind mit der zunehmenden Vereinfachung der Technik und der Abstraktion auf verschiedenen Ebenen praktisch verschwunden. Das verspricht der Ansatz von PaaS: Der Entwickler kann sich rein auf die Leistungsfähigkeit der Anwendung konzentrieren statt auf die Leistungsfähigkeit der Software in einem vordefinierten technischen Umfeld. Denn von dieser erwartet er, dass sie einfach funktioniert. Sicherzustellen, dass seine Anwendung funktioniert, und zwar zuverlässig, schnell, skalierbar und global, ist die Domäne von PaaS. Die komplexen Anforderungen an die Software-Entwicklung werden also in mehrere Teile zerschnitten und an die verschiedenen Experten verteilt. Die Speicherthematik im Rahmen der Software-Entwicklung etwa wird an den Storage-Experten übertragen. Der eigentliche Anwendungsentwickler muss sich nicht mehr darum kümmern.

Welche neuen Services werden bei PaaS eine wichtige Rolle spielen?

Das ist ein Thema, das ich besonders spannend finde. Einige Probleme, die wir heute adressieren, bestanden zwar seit Jahren, konnten bisher aber nicht behoben werden. Heute können wir Lösungen anbieten, die bezahlbar sind und auf standardisierter Technik basieren. Unser Kunde Swisscom IT Services (heute im Geschäftsbereich Enterprise Customers integriert; Red.) ist hier ein gutes Beispiel für eine etablierte Organisation, die mit der Geschwindigkeit und dem Budgetrahmen eines Start-ups agiert, um ihren Kunden neue Applikationen anzubieten. Vor fünf Jahren konnten die Swisscom-Spezialisten noch nicht so arbeiten. Jetzt können sie das mit den vorhandenen Mitarbeitern und ohne höhere Kosten. Solche Unternehmen entwickeln die neue Generation von Value Added Services. Dazu gehören Anwendungen wie Big-Data-Analysen oder die Echtzeit-Auswertung. Solche Anwendungsgebiete nutzen die Fortschritte bei der  Rechenleistung.

Pivotal setzt auf Cloud Foundry auf. Wie sieht es mit der Konkurrenz aus, wie etwa Heroku oder Amazon Web Services (AWS)?

Ich sehe AWS nicht unbedingt als Mitbewerber an.

Aber AWS bietet seinen Kunden vermehrt PaaS-Features an.

Ja das stimmt, aber deren Achillessehne ist die fehlende Offenheit. Es geht dabei weniger darum, was AWS nicht hat. Es geht vielmehr darum, was Cloud Foundry an Mehrwert bietet. Wir haben Cloud Foundry als Open Source veröffentlicht. Ausserdem bieten wir einen breiten Support für Cloud Foundry. Unsere Entwickler arbeiten auch mit Heroku, auch um selber zu sehen, was deren Plattform der Wahl ist. Man kann einen Markt nicht zu etwas zwingen, aber man kann ihn beobachten und auf die Wünsche und die Nachfrage reagieren. Pivotal Labs ist die Cutting-Edge-Entwicklerumgebung als PaaS. Wir streben an, dass Kunden Pivotal von sich aus einsetzen wollen. Hierfür binden wir Kunden wie etwa Swisscom IT Services mit ein. Wir nennen diesen Ansatz Co-Innovation. Dieser unterscheidet sich wesentlich vom Vorgehen anderer Anbieter. Als Ergebnis entsteht daraus eine breite Nutzergemeinde, die eine kritische Masse bildet. Dadurch entwickelt sich Cloud Foundry zu einem De-Facto-Standard.

Momentan wird viel von Hybrid Cloud gesprochen: Wie ist Ihre Meinung zur Entwicklung von Hybrid Cloud und zur Interoperabilität zwischen verschiedenen Cloud-Angeboten?

Da sind einige Angebote noch nicht so weit, wie sie sein sollten. Ein reifes, offenes PaaS-Angebot würde hierbei helfen. Auch wenn sich unsere Lösung auf verschiedensten Plattformen betreiben lässt. Sie können eine Anwendung entwickeln und selber entscheiden, auf welcher Plattform die Applikation laufen soll, abhängig von Kriterien wie Wirtschaftlichkeit, Bequemlichkeit etc. Ausserdem kann der Entwickler die Applikation auch zu einem späteren Zeitpunkt von einer Cloud zur nächsten verschieben. Hierbei hilft der Openstack-Standard. Der Markt hierfür wächst derzeit rasant. Wir unterstützen diesen Standard genauso wie Vmware, das 86 Prozent des Virtualisierungsmarkts beherrscht. Wir sind eine offene Plattform. Als solche unterstützen wir Amazon und Vmware.

Bleiben wir bei Vmware. Was halten Sie vom Vcloud Hybrid Service?

Das ist Vmwares Angebot. Hierzu kann ich mich nicht äussern, da ich nicht zu Vmware gehöre. Für uns ist Vmware einfach ein weiterer Anbieter. Es ist aber grundsätzlich zu begrüssen, wenn mehrere hochqualitative Provider vergleichbare Services am Markt anbieten. Wir sehen aber das hybride Cloud-Modell als eine Übergangslösung an.

Weshalb?

Weil es eine Weile dauern wird, bis all die Rechensysteme, die teilweise seit 40 Jahren bestehen, gewissermassen "entgiftet" sind. Diese Systeme können wir nicht einfach abschalten. Ein Vorteil von uns ist, dass wir die Legacy-Applikationen nicht vergessen und einfach etwas Neueres, Schnelleres und Besseres anbieten, sondern dass wir die alten Systeme integrieren können – das ist alleine schon wegen der Daten nötig, die in den alten Umgebungen abgelegt sind. Wir begrüssen den hybriden Cloud-Ansatz hierfür ausdrücklich. Ich weiss jetzt nicht, ob Amazon ein Web Service anbietet, der auch komplett On-Premise läuft. Aber falls doch, dann wäre AWS auf unserer Höhe.

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