RIM in Zahlen

RIM: Gefangen in der Vrille

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von Matthias Niklowitz

Die Aktie von Research in Motion befindet sich im Sturzflug. Jetzt steht das Management vor einer praktisch unlösbaren Aufgabe.

Die Vrille zählt in der Fliegerei zu den gefürchteten Momenten: Zuerst reisst einseitig die Strömung ab, dann bewegt sich das Flugzeug in einer Spirale um die vertikale Achse steil Richtung Boden. In einer solche Spirale ist die Aktie von Research in Motion (RIM): Seit Februar 2011 ist der Kurs von 70 auf 10 kanadische Dollar abgestürzt.

Die erneute Umsatz- und Gewinnwarnung von Ende April hat den "ewigen RIM-Optimisten endlich eine Dosis Realitätssinn gebracht", lästern die Analysten des Brokers Northern Securities. RIM liess bei dieser Gelegenheit verlauten, dass man sich "in der Mitte" einer grossen Transition in Richtung Blackberry-10 befindet, aber "die weiterhin hoch kompetitive Umgebung beeinflusst unser Geschäft weiterhin in Richtung niedrigerer Volumen und Preisdynamik auf dem Markt".

RIM verliert nicht nur Kunden auf dem nordamerikanischen Markt, auch die Wachstumsdynamik auf den anderen Kontinenten ist zum Stillstand gekommen. Relativ gesehen verliert RIM laufend Marktanteile. Und nachdem in den letzten Monaten bereits das Top-Management ausgewechselt worden war, laufen jetzt auch die wichtigen Entwickler in Scharen davon. Die Lage ist laut Analysten sehr ernst – allenthalben gab es wieder Verkaufsempfehlungen, trotz des bereits darniederliegenden Aktienkurses. RIM hat zudem die beiden Grossbanken JP Morgan und RBC beauftragt, strategische Auswege zu finden. Dazu zählen mögliche Lizenzierungen an andere Smartphone-Hersteller, die Auslagerung von Teilen der Wertschöpfung und Alternativen zum jetzigen Geschäftsmodell.

Viel Zeit bleibt nicht – und ob das für den Herbst angekündigte neue Modell jemals in nennenswerten Stückzahlen die Werke verlassen wird, ist ungewiss. Die Analysten von Northern Securities erwarten eine weitere Verschlechterung des Geschäftsgangs. Und diese Verschlechterung drückt nicht nur den Aktienpreis, sondern auch den Kaufpreis für einen möglichen Bieter – obwohl die Analysten von Raymond James darauf hinwiesen, dass davon im RIM-Statement nicht die Rede war. Mit noch 6 Milliarden kanadischen Dollar Marktkapitalisierung ist RIM dennoch ein "schwerer Brocken". Etliche potenzielle Käufer kommen hier für eine Spekulation auf eine Filetierung nicht infrage: Apple stösst bereits selbst ins Enterprise-Geschäft vor, Microsoft baut auf seine Partnerschaft mit Nokia, Google hat sich mit Motorola bereits eine Hardwareplattform mit vielen Patenten) zugelegt, Cisco konzentriert sich auf sein Kerngeschäft und Samsung ist zwar immer an einem zweiten guten OS interessiert, dürfte aber eher Microsoft einlizenzieren. Nokia steckt selbst bis zum Hals in Problemen, HTC hat nie Interesse für eine eigene OS-Plattform gezeigt und Sony schlägt sich mit der Integration der Sony-Ericsson-Teile herum und gilt als Kandidat für das Microsoft-OS.

Damit ist die einstige IT-Ikone laut den Analysten der TD-Bank allenfalls in Teilen und mit Rabatt verkaufbar – das Management steht praktisch vor einer unlösbaren Aufgabe. Denn die Rezepte, um aus einer "richtigen" Vrille wieder herauszukommen (Motor drosseln, Querruder auf neutral, Seitenruder entgegen der Drehrichtung, Höhenruder nach vorne drücken und sanft abfangen, wenn die Strömung wieder anliegt) funktionieren hier nicht.

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