AWK Fokus-Seminar

So entgeht Prowerk dem Tod durch Digitalisierung

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AWK hat die Besucher seines Fokus-Seminars auf eine Reise durch die digitale Transformation mitgenommen. Anhand des fiktiven Baumarkts Prowerk spielte das IT-Beratungsunternehmen die Stationen hin zum digitalen Geschäftsmodell durch. Technologie ist dabei nicht alles.

Andreas Gumann zeigte Wege zum digitalen Geschäftsmodell. (Source: Netzmedien)
Andreas Gumann zeigte Wege zum digitalen Geschäftsmodell. (Source: Netzmedien)

Mit dem eigenen Unternehmen die digitale Transformation schaffen. Mittels digitaler Technik ein neues Geschäftsmodell aufbauen. Das sind hochgesteckte Ziele, doch wie lassen sie sich in der Praxis für ein Schweizer Unternehmen umsetzen? Die IT-Beratungsfirma AWK versuchte an ihrem Fokus-Seminar in Zürich darauf eine Antwort zu geben.

Die Referenten von AWK nahmen die laut Veranstalter 135 Besucher mit auf eine Reise hin zum digitalen Geschäftsmodell. Sie wählten dafür ein Beispiel, das zwar fiktiv war, durch seine anschauliche Beschreibung und vielen Anknüpfungspunkte aber realitätsnah wirkte. Es ging um "Prowerk", eine Schweizer Baumarkt-Kette mit 10 grossen Filialen in der Deutschschweiz und einem klaren Problem.

Christian Mauz: "Man muss eine Landebahn bauen, auf der das digitale Projekt landen kann. Das ist harte Arbeit." (Source: Netzmedien)

Prowerk muss seine Kunden kennen

Prowerk ist als mittelgrosses Unternehmen zwar erfolgreich, aber nicht sorgenfrei, wie Andreas Gumann, Bereichsleiter Handel & Logistik bei AWK, ausführte. Die Umsätze in den Baumärkten stagnieren, die Zahl der Kunden geht langsam zurück. Längerfristig sieht es für das Unternehmen düster aus. IT ist zwar im Einsatz, aber sie findet in erster Linie hinter den Kulissen statt. Die technologischen Möglichkeiten werden nicht dazu genutzt, um sich von der Konkurrenz zu differenzieren.

Der Fall Prowerk sei ein typisches Beispiel für die "Retail-Apocalypse", sagte Gumann. Kunden verändern ihr Einkaufsverhalten und wenden sich digitalen Kanälen zu – der Einzelhandel hat das Nachsehen. Die Kunden selbst, nicht die Technologie, seien deshalb der erste Punkt, an dem eine Firma wie Prowerk ansetzen müsse. Zunächst gehe es darum, herauszufinden, wer eigentlich die wichtigsten Kunden seien.

Für Prowerk sieht die Kundenbasis folgendermassen aus: Neu-Hausbesitzer mit Geld, aber wenig Zeit; Mieter mit Bedürfnis nach Auswahl und niedrigen Preisen; und Handwerker, die mit den Produkten von Prowerk ihr Geschäft betreiben. Indem es die Customer Journey dieser Kundengruppen untersuche, könne ein Unternehmen herausfinden, an welchen Touchpoints es mit seinen Kunden in Kontakt komme und wo es diese möglicherweise an andere Anbieter verliere.

Amazon & Co. hätten die Erwartungen der Kunden stark verändert, sagte Gumann. Die Wünsche seien heute vielfältiger und vor allem kanalübergreifend. Zwei Drittel wollten weitere Dienstleistungen des Händlers, etwa einen Liefer- oder Montageservice. Mehr als die Hälfte wolle digitale Unterstützung am Point of Sale. Je rund 45 Prozent wünschten sich sogenannte ROPO-Dienste (Research Online Purchase Offline) und "Enabling Services". Mit Letzterem sind Zusatzdienste wie Geräteverleih, Kurse oder Kinderbetreuung gemeint.

Von der Ideenfindung zur Skalierung ging es mit Boris Ricken. (Source: Netzmedien)

Von der Idee zum Minimum Viable Product

Wie lässt sich dieser Wandel auf der Kundenseite in einem Transformationsprojekt umsetzen? In einem ersten Schritt müssten Customer Journey, Technologien und Geschäftsmodellmuster in einem internen Ideenfindungsprozess genau begutachtet werden, sagte Boris Ricken, Bereichsleiter Business-Consulting bei AWK.

Es könne bei der digitalen Transformation nicht darum gehen, den Wettbewerb zu kopieren, sagte Ricken. Wie Amazon sein zu wollen, generiere keinen Wettbewerbsvorteil. Vielmehr müssten Technologien als "Enabler" dort eingesetzt werden, wo sie den Aufbau eines neuen Geschäftsmodells unterstützen.

Für Prowerk kämen mehrere Ansätze in Betracht. Zum Beispiel Apps für ein besseres Kundenerlebnis, Partnerplattformen für die Schaffung eines Ökosystems, Internet-der-Dinge-Sensoren für die Messung von Gerätedaten oder künstliche Intelligenz zur Optimierung der Prozesse in den Filialen.

Aus dem Angebot von Technologien habe sich Prowerk schliesslich für drei Wege entschieden, sagte Ricken. Eine "Do-it-yourself"-Plattform richte sich an Kunden, die Werkzeuge lieber mieten als kaufen, alles online buchen und nur für die effektive Nutzung zahlen möchten. Das biete Prowerk die Möglichkeit, neue Verkaufspunkte zu erschliessen.

Auf einer "Do-it-for-me"-Plattform liessen sich die Hausbesitzer und die Handwerker zusammenbringen. Die Bedürfnisse der beiden Kunden könnten so verknüpft werden. Damit sei Prowerk auch in die Projektausführung involviert und könne zudem ein Ökosystem aufbauen.

Mit einem "Virtual Reality Holodeck" könne das Unternehmen schliesslich schon bei der Planung mit Kunden in Kontakt kommen. Das Angebot werde durch ein interaktives Erlebnis mit dem Produkt für den Kunden attraktiver und Prowerk könne sich als Lösungsanbieter positionieren.

Die Referenten: Christian Mauz, Andreas Gumann und Boris Ricken (v. l.). (Source: Netzmedien)

Digitales Geschäftsmodell fordert die Unternehmenskultur heraus

Im Grundsatz gehe es bei allen drei Ansätzen darum, das Geschäftsmodell vom Kauf nach vorne (Planung) und hinten (Ausführung) zu erweitern, sagte Ricken. Soweit die Vision – die Umsetzung könne in Form eines "Lean Business Case" geschehen. Dieser unterscheide sich von traditionellen Business Cases durch eine Laufzeit von 3 bis 6 Monaten und einer stärkeren Fokussierung auf das Feedback von Kunden. So lasse sich eine Priorisierung digitaler Geschäftsmodelle vornehmen.

Mit dieser Methode lasse sich relativ schnell ein produktiv einsetzbares Produkt, ein "Minimum Viable Product" (MVP), entwickeln und in ein Marktsegment einführen. So könne Prowerk etwa die "Do-it-yourself"-Plattform rasch auf die Beine und den Kunden zur Verfügung stellen. Auf Basis ihres Feedbacks könne das Unternehmen dann lernen, das Angebot verbessern und ausbauen.

Am Ende der Reise von Prowerk, die vom Firmen-Brainstorm über die Entwicklung eines MVP und den Lernprozess führe, stehe schliesslich ein "Digital Operating Model", sagte Ricken. Ein Modell für das digitale Geschäftsmodell, das Organisation, Ökosystem, Technologie und Menschen berücksichtigt. Im Zentrum stehe dabei stets der Kunde mit seiner Customer Journey.

Digitales Überleben

Die digitale Transformation eines Unternehmens wie Prowerk sei kein leichtes Unterfangen, sagte Christian Mauz, Partner bei AWK, zum Abschluss der Veranstaltung. Sie erfordere eine neue Firmenkultur, in der es nicht ohne schrittweises Vorgehen, Offenheit für Experimente, Lernen aus Fehlern und die Einbindung von Feedback gehe. Wenn man ernsthaft ein Ökosystem um das eigene Geschäftsmodell aufbauen wolle, brauche es ausserdem die Bereitschaft, mit verschiedenen Partnern zusammenzuarbeiten.

Auf die Frage aus dem Publikum, ob denn ein KMU diese Reise zum digitalen Geschäftsmodell überhaupt stemmen könne, hatte Mauz eine klare Antwort: "Wenn Sie gar nichts machen, sind Sie tot." Auf der anderen Seite seien digitale Technologien aber auch eine Chance mit relativ niedrigen Einstiegshürden und viel Potenzial zur Skalierung.

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