Editorial

Wenn Daten das neue Öl wären …

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Coen Kaat, stv. Chefredaktor (Source: Netzmedien)
Coen Kaat, stv. Chefredaktor (Source: Netzmedien)

Daten sind das neue Öl? Schwachsinn! Wie oft haben wir diesen Vergleich schon gehört? Kaum eine IT-Konferenz geht vorbei, an der nicht mindestens eine Person auf der Bühne diesen Satz ausspricht und dabei beschwörend ins Publikum blickt. Der vielgenannte Vergleich wird oft dem britischen Mathematiker Clive Humby zugeschrieben. Dieser schrieb 2006: "Daten sind wie Rohöl. Dieses ist wertvoll. Unraffiniert kann es aber nicht wirklich genutzt werden. Es muss in Benzin, Kunststoff oder Chemikalien gewandelt werden, bevor es zu einer wertvollen Einheit wird, die profitable Aktivitäten fördert. Genauso müssen auch Daten aufgeschlüsselt und analysiert werden, wenn sie einen Wert haben sollen."

Seitdem entwickelte sich das Zitat zum geflügelten Wort. Spätestens seit "The Economist" 2017 einen Bericht mit dem ­Titel "The world’s most valuable resource is no longer oil, but data" publizierte, ist der Satz in aller Munde – mit teilweise leicht abgeänderter Bedeutung. Aus "Daten sind wertvoll, wenn man etwas damit macht" wird oft "Daten sind wertvoll".

Das ubiquitäre Mantra ruft genauso viele Kritiker wie Nachahmer auf den Plan. "Wired", "Forbes" und einige der anderen gros­sen Publikationen veröffentlichten Artikel, die erklären, wa­rum Daten das neue Öl seien oder eben nicht. Zwar zweifelt wohl niemand daran, dass man in dieser digitalisierten Welt aus Daten sehr viel Wert schöpfen kann. Der Vergleich hinkt dennoch. Im Gegensatz zu Daten ist Öl eine beschränkte Ressource. Daten lassen sich jedoch vervielfachen und es gibt auch keine Beschränkung, wie viele Daten man sammelt – oftmals gewinnen sie sogar noch an Wert, je mehr man sammelt. Einer der grössten Unterschiede ist aber, dass Öl ein Verbrauchsgut ist. Erst wenn man es verarbeitet, kann man es nutzen. In diesem Produktionsprozess wird das Öl jedoch verbraucht. Daten nicht. In der Regel lässt sich derselbe Datensatz immer wieder und für verschiedene Anwendungen nutzen – manchmal sogar parallel.

In den Aspekten, die Daten so interessant und wertvoll machen – Beständigkeit, Vielseitigkeit und Wiederverwendbarkeit –, verhalten sie sich gerade nicht wie Öl. Daher gibt es am Ende des Tages auch nur etwas, das genauso ist wie Daten – und das sind Daten. Aber was werden wir künftig an IT-Konferenzen sagen, wenn wir auf den Vergleich von Daten und Öl verzichten? Mit peinlichem Schweigen werden wir die Leere wohl kaum füllen. Denn es gibt noch eine ganze Reihe von Evergreens, bei denen es sich lohnt, mal etwas mehr nachzudenken. So seien Daten etwa auch das neue Gold, sagt etwa Mark Cuban. Vielleicht kann man die Vergleiche aber auch ganz weglassen und einfach nur über Daten und deren Nutzen reden.

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