Social-Media-Gerüchte

Ist es illegal, die SwissCovid-App zu nutzen? (Nein!)

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von Martin Steiger, Rechtsanwalt

Auf Social Media kursiert das Gerücht, Nutzer müssten die SwissCovid-App löschen. Ansonsten würden Strafen drohen. Rechtsanwalt Martin Steiger ist diesem Gerücht auf den Grund gegangen.

(Source: lechenie-narkomanii / Pixabay)
(Source: lechenie-narkomanii / Pixabay)

Auf Social Media kursiert das Gerücht, man müsse die SwissCovid-App löschen. Ansonsten werde man bestraft.

In einem Watson-Beitrag wird Gregor Lüthy, Leiter Kommunikation und Kampagnen beim Bundesamt für Gesundheit (BAG), wie folgt zitiert:

"Personen, die nicht zur eingeladenen Pilotgruppe gehören und die App trotzdem nutzen, bewegen sich ausserhalb der Verordnung vom 13. Mai. Sie sollten im Rahmen der Selbstverantwortung die App daher deinstallieren, um die Bestimmungen der Verordnung einzuhalten."

Hintergrund ist, dass die App nicht wie geplant am 11. Mai 2020 starten konnte. Das Parlament verlangte die Schaffung einer eigentlich bereits vorhandenen gesetzlichen Grundlage, was zu einer erheblichen Verzögerung führte.

Pilotversuch: Wer darf offiziell teilnehmen?

Immerhin kann ein Pilotversuch gemäss Art. 17a DSG stattfinden. Der Pilotversuch sollte aber auf Angehörige der Armee, Mitarbeiter von Hochschulen, Spitälern und Verwaltungen sowie auf "Mitglieder von Vereinigungen, die Beiträge an die Qualitätsverbesserung des Systems leisten wollen", beschränkt bleiben.

Der Pilotversuch wurde dann aber so aufgesetzt, dass die App für Android und iOS von beliebigen Nutzern installiert werden kann. Das BAG, häufig kritisiert für seine digitale Inkompetenz, ist daran gescheitert, den geschlossenen Pilotversuch gemäss seiner eigenen Verordnung aufzusetzen.

Auch die Nutzungsbedingungen der SwissCovid-App (PDF) sehen nicht vor, dass nur Personen, die zur eingeladenen Pilotgruppe gehören, die App nutzen dürfen. Die Nutzungsbedingungen behaupten lediglich, einen "Kreis der möglichen Benutzerinnen und Benutzer", ohne dass dieser Kreis aber tatsächlich eingeschränkt wäre.

Wer die App installiert hat, kann sie weiterhin nutzen. Es gibt keinen Grund, wieso die Nutzung rechtswidrig oder gar strafbar sein sollte. Da die App auch im Pilotversuch auf Anonymität ausgelegt ist, wissen die Behörden gar nicht, wer die App überhaupt nutzt.

Gleichzeitig ist widersprüchlich, dass vor einigen Tagen für das Proximity-Tracking-System ausdrücklich ein "breiter Sicherheitstest durch die Öffentlichkeit" gestartet wurde. Die App ist ein zentraler Bestandteil und sollte auch in der produktiven Version getestet werden können, damit der Sicherheitstest genügend Aussagekraft hat. Es genügt nicht, die App selbst kompilieren zu können.

Welche Vereinigungen sich am Pilotversuch beteiligen dürfen, ist unklar. Das BAG verweigerte unter anderem der Digitalen Gesellschaft und Opendata.ch die Teilnahme am Pilotversuch.

Lebensgefahr: Alarmierung nur für Pilotgruppe!

Leider hat die Inkompetenz beim BAG nicht allein eine digitale Komponente, sondern gefährdet auch Gesundheit und Leben:

Bei einer Ansteckung mit dem Coronavirus wird ein sogenannter Covidcode benötigt, um andere Nutzer der App warnen zu können. Einen solchen Covidcode erhalten vom Arzt ausschliesslich Personen, die zur eingeladenen Pilotgruppe gehören.

Nutzer der App, welche das Pech haben, sich mit dem Coronavirus anzustecken, aber nicht zur Pilotgruppe gehören, sollten ihren Arzt dennoch darauf hinweisen, dass sie die App verwenden. Es ist dann am jeweiligen Arzt zu entscheiden, wie wichtig ihm der Schutz der Gesundheit von – potenziell vielen! – Menschen ist.

Dazu kommt, dass die Äusserungen aus dem BAG den Erfolg der SwissCovid-App gefährden. Dabei arbeitet das BAG gerade an einer 1,1 Millionen Franken teuren Kampagne, um die App zu lancieren, wie persoenlich.com schreibt.

Nutzungsbedingungen: Darf das BAG die Haftung ausschliessen?

Apropos Nutzungsbedingungen: Das BAG versucht, mit den Nutzungsbedingungen jegliche Haftung und Verantwortung für die App auszuschliessen (Ziff. 5). Das BAG ist nicht einmal bereit, die Verantwortung für selbst ausgewählte Partner oder für selbst gesetzte Weblinks im Zusammenhang mit der App zu übernehmen. Ob das mit dem Verantwortlichkeitsgesetz (VG) in Einklang steht?

In urheberrechtlicher Hinsicht fällt auf, dass das BAG die App nicht als freie Open Source-Software (FOSS) veröffentlicht hat, sondern das "Copyright" beansprucht (Ziff. 8.1) sowie die Inhalte in der App auf den – gesetzlich sowieso immer zulässigen – Eigengebrauch beschränken möchte (Ziff. 8.2). Und besonders absurd:

"Für die Reproduktion jeglicher Elemente ist die schriftliche Zustimmung der Urheberrechtsträger im Voraus einzuholen."

Die Bestimmung ist absurd, weil digitale Inhalte nicht abgerufen und betrachtet werden können, ohne dass sie reproduziert werden. Würde man die Bestimmung ernst nehmen, dürfte die App nur genutzt werden, wenn das BAG und alle anderen "Urheberrechtsträger" ihre schriftliche Zustimmung erteilt haben.

Dieser Artikel erschien zuerst bei steigerlegal.ch.

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