Studie von KPMG und ZHAW

So kann die digitale Verwaltung Unternehmenskosten nachhaltig senken

Uhr

Eine digitale Verwaltung könnte die Kosten von Unternehmen senken und den Standort Schweiz attraktiver machen. Doch wie? KPMG und die ZHAW haben bei acht Schweizer Grossunternehmen nachgefragt.

(Source: SP-PIC / Fotolia.com)
(Source: SP-PIC / Fotolia.com)

Wie kann eine digitale Verwaltung die Kosten von Schweizer Unternehmen nachhaltig senken? Dieser Frage sind KPMG und das Institut für Verwaltungsmanagement (IVM) der ZHAW nachgegangen.

Dazu haben die Studienautoren Interviews mit acht Schweizer Grossunternehmen geführt: Migros, SBB, Novartis, Zurich Insurance Group, Nestlé, Swisscom, Swiss Life und IBM Schweiz. Die Unternehmen beantworteten Fragen zu unterschiedlichen staatlichen Regulierungsbereichen. Die Autoren fassten die Ergebnisse der Experteninterviews in fünf Punkten oder "Stimmen" zusammen. Darauf und auf Praxisbeispielen basierend formulierten die Autoren Handlungsempfehlungen für die digitale Verwaltung.

Stimme 1: Ohne E-ID und E-Signaturen geht es nicht

"Die Etablierung einer E-ID, verbunden mit einer elektronischen Signatur (E-Signatur), ist die Grundvoraussetzung für den durchgängig digitalen Geschäftsverkehr der Schweizer Unternehmen mit der Verwaltung", lautet die erste Stimme. Der grosse Nutzen einer E-ID sei in nahezu allen Interviews hervorgehoben worden. Die digitale Identifikationsmöglichkeit erlaube eine medienbruchfreie elektronische Bearbeitung. Ein Beispiel für einen solchen Medienbruch ist laut Studie das Ausdrucken eines Dokuments, das Unterschreiben und das erneute Einscannen. Mit einer E-ID würden Geschäftsabwicklungs- und Dokumentarverwaltungs-Prozesse deutlich effizienter und der Anteil an den Fixkosten wäre erheblich tiefer. In diesem Zusammenhang hätten die Befragten und die Interviewer besonders die Möglichkeiten der E-Signatur diskutiert.

Stimme 2: Digitale und analoge Kommunikation sollen einander ergänzen

"Digitale und analoge Kommunikation sind nicht als Gegensätze aufzufassen. Eine technologieneutrale Regulierung mit einem Multikanal-Ansatz nutzt die Vorteile beider Kommunikationswelten", lautet die zweite Stimme. Wichtig sei, dass die Regulierung keine Medienbrüche erfordere. In der Praxis soll flexibel entschieden werden können, welche Form der Kommunikation am effizientesten ist.

Stimme 3: Digitalisierung mit Rücksicht auf Unternehmensbedürfnisse

"Im Zuge der Digitalisierung gilt es bei der Neugestaltung von Verwaltungsprozessen die Unternehmensbedürfnisse zu integrieren und diese bei der Konzeption einer digitalen Verwaltung in den jeweiligen Regulierungsbereichen zu berücksichtigen. Damit wird die Grundlage für eine effiziente, effektive und partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen den Unternehmen und der digitalen Verwaltung geschaffen", lautet die dritte Stimme. Im Zuge der Digitalisierung bestehe die Gefahr, dass zwischen den Unternehmen und den Verwaltungen zeitintensive Bruchstellen entstehen. Die Befragten nannten folgende Beispiele für solche Bruchstellen:

  • Wichtige E-Mails kommen nicht an, weshalb die gleiche Information auch per Post versendet wird.

  • Nicht miteinander synchronisierte Plattformen und IT-Tools wurden für einzelne Anforderungsbereiche gesondert konzipiert und müssen nun zeitintensiv parallel bedient werden.

  • Regulierungsvorschriften in Spezialbereichen verkomplizieren die Interaktionen zwischen den Unternehmen und der Verwaltung.

  • Die unterschiedlichen Gesetzgebungen in den Kantonen führen in den Unternehmen bei identischen Behördenvorgängen zu mehr Komplexität, da Formulare und Prozesse schweizweit nicht standardisiert sind.

Stimme 4: offene und standardisierte technische Schnittstellen

"Business-to-Administration: Die Etablierung von offenen und standardisierten technischen Schnittstellen zwischen Unternehmen und Verwaltungen stärkt die Standortattraktivität der Schweiz. Denn eine zeitnahe, orts- und zeitunabhängige Interaktion erhöht die Servicequalität der Unternehmen und reduziert den damit verbundenen Aufwand", lautet die vierte Stimme. Die Behörden hätten bereits viele Anstrengungen unternommen, um Schnittstellen zu etablieren und zu verbessern. Doch orientiere sich die Konzeption von digitalen Schnittstellen meist nicht an einem schweizweit einheitlich standardisierten Prozess. Wegen den Unterschieden innerhalb des Bundes und auch zwischen den Kantonen liesse sich selten miteinander synchronisieren. Deshalb müssen diese Schnittstellen sehr zeit- und arbeitsintensiv betreut werden.

Stimme 5: Nicht einfach analoge Prozesse digitalisieren, sondern neu gestalten

"Eine 'Scheindigitalisierung' bestehender analoger Prozesse generiert keinen Mehrwert. Digitale Prozesse sind organisationsübergreifend neu zu gestalten und technisch zu unterstützen", lautet die fünfte Stimme. Die Herausforderung liege weniger an der Digitalisierung an sich. Die von den Unternehmen genannten Hemmnisse sind in den Dimensionen "regulatorisch", "prozessual" und "technisch" zu bearbeiten:

  • Regulatorische Ebene: Eine zumindest formelle Harmonisierung von kantonalen und nationalen Regulierungsvorschriften würde die Komplexität und damit die bei den Unternehmen anfallenden Kosten erheblich senken.

  • Prozessebene: Eine Standardisierung der Bearbeitungsprozesse würde einen bedeutenden Beitrag zur Komplexitätsreduktion bei den Unternehmen leisten.

  • Technische Ebene: Die technische Synchronisierung verschiedener Webapplikationen würde die Interaktionsgeschwindigkeit erhöhen.

Handlungsempfehlungen für die digitale Verwaltung

Basierend auf den Ergebnissen der Interviews und anhand von Praxisbeispielen machen die Studienautoren folgende Handlungsempfehlungen für die digitale Verwaltung:

  • Flächendeckende Etablierung einer E-ID und E-Signatur

  • Technologieneutrale Regulierung mit einem Multikanal-Ansatz

  • Integration der generischen Unternehmensprozesse in die Verwaltungsvorgänge gemäss den spezifischen regulatorischen Charakteristika und Anforderungen

  • Überprüfung der aktuellen Prozesse zwischen Unternehmen und Verwaltung bezüglich der Anforderung an eine effiziente und effektive digitale Verwaltung

  • Digitale Kommunikationsangebote stärken und ausbauen

  • Servicequalität durch eine zeitnahe, orts- sowie tageszeitunabhängige Interaktion sichern und weiterentwickeln

  • Bestehende und zukünftige Prozesse im Zuge der digitalen Transformation organisationsübergreifend neu konzipieren und verbindliche Standards, insbesondere betreffend Schnittstellen, setzen

  • Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortungen entlang der digitalen Prozesskette neu gestalten

Informationen zur Studie

Gemäss Studienautoren zeigte das Seco in verschiedenen Studien die regulatorischen Hindernisse des digitalen Wandels auf. Eine Studie thematisierte auch den Stand von und die Ansprüche an E-Government-Dienstleistungen. Wie die digitale Verwaltung die Kosten Schweizer Unternehmen nachhaltig senkt und damit auch die Standortattraktivität der Schweiz erhöhe, sei dabei unbeantwortet geblieben. Die Umfrage von KPMG und dem IVM soll diese Lücke schliessen. Die gewählten acht Schweizer Grossunternehmen nahmen im zweiten und dritten Quartal 2019 an der Umfrage teil. Die Interviewaussagen seien als Einzelmeinungen zu verstehen und bilden nicht die Schweizer Wirtschaft ab. Es handelt sich bei der Umfrage weder um eine Vollerhebung noch um eine repräsentative Stichprobe von Schweizer Grossunternehmen. Ausserdem seien diese "Stimmen" inhaltlich nicht mit den Behörden abgeglichen worden.

Die Umfrage liefere den Mehrwert, dass die befragten Unternehmen Hinweise auf das Optimierungspotenzial einer digitalen Verwaltung gaben. Ausserdem identifizierten sie allfällige Best-Practice-Beispiele aus Sicht der Schweizer Wirtschaft.

Bei den gewählten acht Unternehmen wurde der Fokus der Umfrage je auf einen anderen Regulierungsbereich gelegt:

  • Migros (Retailbranche): Lebensmittelhygiene

  • Zurich Insurance (Finanz- und Versicherungsbranche): Rechnungslegung/Versicherungsaufsicht

  • Swiss Life (Finanz- und Versicherungsbranche): Mehrwertsteuer

  • Novartis (Pharmabranche): Bauvorhaben

  • Nestlé (Handel und Logistik): Ein- und Ausfuhr von Waren

  • Swisscom (Telekommunikation und IT-Branche): Öffentliche Beschaffung

  • IBM Schweiz (Telekommunikation und IT-Branche): Ausländische Mitarbeitende

  • SBB (Mobilitätsbranche): Berufsbildung/Lernende

Auf Basis der Interviews identifizierten die Studienautoren konkrete Verbesserungspotenziale, die sich auf nicht-digitale Verwaltungsdienstleistungen zurückführen lassen. "Digitale Verwaltung" definierten sie folgendermassen:

"Zum einen stehen die Nutzerin und der Nutzer im Mittelpunkt der Ausgestaltung einer Dienstleistung. Darüber hinaus werden Geschäftsprozesse, einschliesslich der Anbindung der Unternehmen an die Verwaltung, digital modernisiert und realisiert. Der Zugang zu den staatlichen Dienstleistungen wird auf der Basis neuer Technologien vereinfacht. Die Partizipation von Nutzergruppen wird ebenso technisch erleichtert wie die Nutzung von öffentlich zugänglichen Daten."

Webcode
DPF8_197336