Digitalisierung auf allen Staatsebenen

Startschuss für die Digitale Verwaltung Schweiz

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von Joël Orizet und ebe

Die neue Organisation Digitale Verwaltung Schweiz soll im Januar 2022 starten, um die digitale Transformation über alle Staatsebenen hinweg koordiniert voranzubringen. Über die Ziele des Projekts informierten Finanzminister Ueli Maurer und der neue "Mr. E-Gov" Peppino Giarritta.

Die neue Organisation Digitale Verwaltung Schweiz entsteht aus dem Zusammenschluss von E-Government Schweiz und der SIK. (Source: Screenshot Grundlagenbericht DVS)
Die neue Organisation Digitale Verwaltung Schweiz entsteht aus dem Zusammenschluss von E-Government Schweiz und der SIK. (Source: Screenshot Grundlagenbericht DVS)

Der elektronische Identitätsausweis hätte das Fundament bilden sollen, um die Schweiz in puncto E-Government aus dem Hintertreffen zu manövrieren. Nachdem nun aber das Stimmvolk die Vorlage erstaunlich deutlich bachab schickte, soll es zumindest vorerst auch ohne E-ID vorwärts gehen. Die Pläne des Bundes, die Digitalisierungsprojekte in den Schweizer Verwaltungen zu bündeln, sind jedenfalls intakt: Im Januar 2022 soll die neu geschaffene Organisation Digitale Verwaltung Schweiz (DVS) ihren Betrieb aufnehmen. Sie soll Transformationsvorhaben über alle Staatsebenen hinweg koordinieren, steuern sowie schneller und wirksamer voranbringen.

Das Finanzdepartement schickte nun einen Entwurf einer Rahmenvereinbarung (PDF) in die Konsultation. Das Dokument ist so etwas wie ein Business Plan, den der Bund, die Kantone und Gemeinden nun diskutieren sollen. Ziel ist es, vor der Sommerpause koordinierte Beschlüsse zum weiteren Vorgehen zu fassen. Ende 2021 sollen der Bundesrat sowie die Kantonsregierungen eine neue Rahmenvereinbarung ratifizieren.

Im Entwurf steht unter anderem, wie die Grundfinanzierung der Organisation aussehen soll. Sie beträgt 6 Millionen Franken pro Jahr, gleichmässig aufgeteilt zwischen Bund und Kantonen.

E-Government Schweiz und SIK sollen zusammenwachsen

Die DVS soll aus der Zusammenführung von zwei bestehenden Organisationen hervorgehen: E-Government Schweiz und die Schweizerische Informatikkonferenz (SIK). Das heisst: Kommt der Entwurf so durch, werden E-Government Schweiz und die SIK ab Anfang 2022 de facto nicht mehr existieren, wie die Geschäftsstelle E-Government Schweiz auf Anfrage bestätigt. Die beiden Organisationen sollen sozusagen fusionieren – mit dem Ziel, vorhandene Ressourcen zu bündeln und so mehr Wirkung zu erzielen. So steht es auch im Grundlagenbericht (PDF) zum Aufbau der DVS. Die Aufgaben der beiden Organe soll das DVS übernehmen – darunter auch das Monitoring, mit dem E-Government Schweiz die E-Gov-Aktivitäten in der Schweiz im internationalen Vergleich beobachtet.

Den Organisationszweck der neu geschaffenen Organisation erläuterte Finanzminister Ueli Maurer an einer Medienkonferenz. Es gehe darum, "ein digitales Netzwerk zwischen allen Staatsebenen zu schaffen". Und das übergeordnete Ziel: "Wir müssen die digitalen Prozesse in den Verwaltungen so gestalten, dass sie durchgehend medienbruchfrei sind." Und vor allem: effizienter als heute. "Die Coronakrise hat gezeigt, dass wir in digitalen Fragen schwerfällig unterwegs sind und teilweise noch mit Fax arbeiten", sagte Maurer. Im internationalen Vergleich befinde sich die Schweiz "bestenfalls im Mittelfeld". Das soll sich ändern. "Ich bin zuversichtlich, dass wir das schaffen – schliesslich haben wir gute Leute."

Feuertaufe für Mr. E-Gov

Damit übergab Maurer das Wort an den designierten "Mr. E-Gov": Peppino Giarritta. Seit Anfang März ist er der von Bund und Kantonen "Beauftragte für die Digitale Verwaltung Schweiz". Er soll die treibende Kraft hinter dem Projekt sein und eine "wichtige Scharnierfunktion zwischen der Fachwelt und der Politik" einnehmen, sagte Anton Lauber, Mitglied des Leitenden Ausschusses der Konferenz der Kantonsregierungen. "Die Erwartungen an ihn sind hoch", sagte Lauber.

Auf die Frage, welche Rolle die DVS bei der Ausgestaltung einer künftigen E-ID spielen wird, musste Giarritta die Erwartungen jedoch dämpfen. "Es ist zu früh, um konkrete Lösungen zu skizzieren. Was wir allerdings jetzt schon fördern, ist die Vernetzung zwischen Städten und Kantonen, die bereits Erfahrungen mit eigenen E-ID-Lösungen gemacht haben."

Peppino Giarritta ist seit Anfang März der Beauftragte von Bund und Kantonen für die Digitale Verwaltung Schweiz. (Source: zVg)

Eine sichere elektronische Identifikation von Personen stehe weit oben auf der Prioritätenliste der DVS. Man verstehe die E-ID weiterhin als Grundlage für die Entwicklung weiterer Basisdienste. "Da besteht grosser Handlungsbedarf", sagte Giarritta. Bundesrat Ueli Maurer pflichtete ihm bei. "Die Ablehnung des E-ID-Gesetzes bedeutet nicht eine Ablehnung von digitalen Prozessen." Es gehe vielmehr darum, wie die Lösung ausgestaltet werde. Und vor allem: "Wie viel Vertrauen man in eine bestimmte Lösung hat."

Eine Plattform, die Verbindlichkeiten schaffen soll

Auch deswegen wolle Giarritta möglichst alle relevanten Akteure mit einbeziehen, insbesondere aus der Politik, Wirtschaft und Zivilgesellschaft. Dies, um beispielsweise Standards und Regelungen für die koordinierte Datennutzung der Behörden und Ämter zu formulieren. Aber auch, um "die institutionellen Grundlagen für den Einsatz von Cloud-Diensten in der Verwaltung zu schaffen". Als weitere Ambitionen nannte Giarritta, einen digitalen Kanal zwischen Bevölkerung und Verwaltung zu sowie automatisierte Prozesse für die Wirtschaft aufzubauen.

Die 5 Ambitionen der Digitalen Verwaltung Schweiz. (Source: Screenshot Grundlagenbericht DVS)

Das alles funktioniere nur mit einem gewissen Kulturwandel, sagte Giarritta. Vernetzung, Kommunikation und Transparenz seien dabei wichtige Grundlagen. Und: "eine offene Fehlerkultur, die dabei hilft, Fehler frühzeitig zu erkennen."

Anton Lauber von der Konferenz der Kantonsregierungen beschrieb die DVS als "Plattform zum Zweck der Kooperation". Allerdings: "Wir schaffen auch politische Verbindlichkeiten." Zum Beispiel wenn es darum geht, Ressourcen zusammenzuführen, Standards oder Rechtsgrundlagen zu schaffen. Die DVS sei die "institutionelle Antwort" auf die Herausforderungen des digitalen Wandels – mit dem Ziel, dass die Schweiz wettbewerbsfähig bleibe, wobei Lauber betonte: "Wir müssen das kreative Potenzial, das im Föderalismus steckt, weiterhin nutzen, um Innovationen voranzutreiben."

Anton Lauber, Regierungsrat (BL) und Mitglied des Leitenden Ausschusses der Konferenz der Kantonsregierungen. (Source: cvp.ch)

Mit der DVS soll nicht nur eine, sondern die Anlaufstelle für Digitalisierungsfragen entstehen, an die sich Gemeinden, Städte und Kantone wenden können, wie Cédric Roy an der letztjährigen Plenartagung Städte- und Gemeindeinformatik sagte. Roy ist Leiter der Geschäftsstelle E-Government Schweiz – allerdings nur noch bis Ende April. Roy wechselt vom Bund zum Kanton Wallis, wo er ab Mai als Delegierter für die digitale Verwaltung fungiert. Auf Roy werde voraussichtlich bis Ende Jahr ein interimistischer Leiter folgen, der allerdings noch nicht bekannt sei.

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