Ermöglicht Langzeitüberwachung

Diese Weste hört, was die Lunge tut

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von René Jaun und lha

Eine Hightech-Weste soll die kontinuierliche Überwachung von Patientinnen und Patienten mit Lungenleiden erleichtern. Die Textilweste ist mit Akustiksensoren bestückt, die die Geräusche der Lunge erfassen. Wer die Weste trägt, soll sich weitgehend frei bewegen können.

In der Vorder- und Rückseite der Textilweste sind Akustiksensoren integriert, die den Thorax abhören. (Source: Frauenhofer IKTS)
In der Vorder- und Rückseite der Textilweste sind Akustiksensoren integriert, die den Thorax abhören. (Source: Frauenhofer IKTS)

Nicht nur Patientinnen und Patienten mit Atemwegserkrankungen sind sich Untersuchungen mit dem Stethoskop gewohnt. Mit dem Gerät hören medizinische Fachkräfte das Herz oder die Lunge eines Patienten ab (im Fachjargon auch Auskultation genannt). Doch wer an einer ständigen Lungenkrankheit leidet, benötigt eine fortlaufende Überwachung, für die ein normales Stethoskop nicht mehr reicht. Sie benötigen intensive Behandlung und ständige Kontrolle der Lungenfunktionen, erklärt das Fraunhofer-Institut in einer Mitteilung.

Akustische Sensoren hören ständig mit

Um diese Überwachung zu erleichtern, arbeiten Forschende des Fraunhofer-Instituts für Keramische Technologien und Systeme (IKTS) an der "Pneumo.Vest" - einer ganz besonderen Weste mit integrierten Akustiksensoren. Sie sind in der Vorder- und Rückseite der Textilweste rund um den Thorax eingearbeitet und sollen "jedes noch so leise Geräusch, das die Lunge produziert", registrieren, wie es in der Beschreibung heisst.

Die empfangenen Impulse können dann weiterverarbeitet, wahlweise verstärkt wiedergegeben oder auch optisch dargestellt werden. Da die Software die Position jedes einzelnen Sensors kennt, platziert sie desse Daten gleich an der entsprechenden Stelle. So entsteht ein detailreiches akustisches wie optisches Szenario der Belüftungssituation aller Lungenbereiche, erklärt das Fraunhofer-Institut weiter.

Die visuelle Darstellung zeigt die unterschiedlichen Bereiche der Lunge und ihre Belüftungssituation. Rot steht für schlechter belüftete Bereiche. (Source: Fraunhofer IKTS)

Zudem könne das System die empfangenen Werte dauerhaft speichern. Dies ermöglicht Untersuchungen zu jedem beliebigen Zeitpunkt ohne Beisein des Spitalpersonals. Dank der kontinuierlichen Überwachung lässt sich auch der zeitliche Verlauf darstellen, etwa über die vergangenen 24 Stunden. Und mithilfe eines KI-Algorithmus könnte die komplexe Geräuschkulisse im Thorax auch automatisch strukturiert und klassifiziert werden, zur Unterstützung der Pneumologin oder des Pneumologen.

Entlastung für Personal, angenehmer für Patienten

Die Hightech-Weste macht nicht das Stethoskop überflüssig und ersetzt auch nicht die Fähigkeiten erfahrener Pneumologen, betont Ralf Schallert, Projektleiter am Fraunhofer IKTS. "Der Mehrwert unserer Technik besteht darin, dass sie ähnlich wie ein Langzeit-EKG die kontinuierliche Überwachung der Lunge erlaubt, und zwar auch dann, wenn der Patient oder die Patientin nicht an Geräten auf der Intensivstation angeschlossen, sondern auf der Normalstation untergebracht ist."

Patientinnen und Patienten, die die Weste tragen, sollen ohne ständige Beobachtung durch das medizinische Personal genesen können. Sie können auf die Normalstation verlegt und vielleicht sogar nach Hause geschickt werden und sich weitgehend frei bewegen. Die Lunge wird trotzdem fortlaufend kontrolliert und eine plötzlich eintretende Verschlechterung sofort an das medizinische Personal gemeldet. Es profitieren also sowohl die Patientinnen und Patienten als auch das medizinische Fachperson, welches dank dem Produkt entlastet werde.

Laut dem Fraunhofer-Institut ist die Technologie zwar in erster Linie für Beatmungspatienten konzipiert, doch sie eignet sich genauso gut für Menschen in Pflegeeinrichtungen oder auch für den Einsatz im Schlaflabor. Eine weitere Anwendung ist das Training junger Ärztinnen und Ärzte für die Auskultation.

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