Nachgefragt bei Tom Heinz

Was Abraxas im Chatbot-Geschäft vorhat

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von Joël Orizet und rja

Mit der Übernahme des Start-ups Byerley ist Abraxas vor rund zwei Jahren ins Geschäft mit Chatbots eingestiegen. Tom Heinz, Leiter Bots bei Abraxas, spricht darüber, wie sich das Business mit Chatbots für Verwaltungen seit dem Aufkommen von ChatGPT verändert und wie sich die OpenAI-KI vom Abraxas-Bot unterscheidet.

Tom Heinz, Leiter Bots, Abraxas. (Source: zVg)
Tom Heinz, Leiter Bots, Abraxas. (Source: zVg)

Mit ChatGPT hat OpenAI eine neue Generation von Chatbots auf die Welt losgelassen. Hat die alte Garde der digitalen Assistenten nun ausgedient? 

Tom Heinz: ChatGPT ist ein sehr interessantes Instrument, welches in vielen Bereichen eingesetzt werden kann. In den nächsten Jahren werden sicherlich einige spannende Anwendungen basierend auf ChatGPT oder ähnlichen Bots erscheinen, die die Arbeit mit technischen Arbeitsmitteln effizienter gestalten werden. Denkbar ist vieles: Beispielsweise könnte Microsoft die Fähigkeiten von ChatGPT in Outlook integrieren und automatisch Antworten auf E-Mails generieren. Oder ChatGPT könnte in Newsletter-Tools integriert werden und anhand von wenigen Stichworten ganze Ausgaben selbst schreiben. Aber andere spezialisierte Bots wie unseren wird es weiterhin geben.

Abraxas bietet seit zwei Jahren Chatbots für Verwaltungen an. Wie hat sich das Geschäft entwickelt?

Gut! Wir konnten in der kurzen Zeit diverse neue Kunden im Bereich der Gemeinden und kantonalen Verwaltungsdomänen gewinnen. Mit der Anbindung von Fachapplikationen konnten wir wesentliche Fortschritte erzielen und die Funktionen erweitern. Damit haben wir letztlich den Nutzen unseres Chatbots für Verwaltung und Bevölkerung massgeblich gesteigert. Beispielsweise lässt sich im Kanton St. Gallen die Fristverlängerung der Steuererklärung komplett im Chatbot abwickeln.

ChatGPT kennt sich offenbar auch ganz gut mit Schweizer Verwaltungen aus. Der Chatbot kann beispielsweise alle Voraussetzungen für eine Niederlassungsbewilligung im Kanton Zürich aufzählen. Was bietet der Chatbot von Abraxas für einen Mehrwert?

ChatGPT indiziert alle öffentlich erhältlichen Informationen, interpretiert diese und will Zusammenhänge daraus erschliessen. Der Chatbot von Abraxas hat funktionell einen anderen Anspruch. Wir wollen nicht nur wie klassische FAQ-Chatbots einen neuen Kanal für bestehende Informationen ermöglichen, sondern ein Werkzeug anbieten, welches komplette Behördendienstleistungen und vor allem Transaktionen durchführen kann. Dazu gehört nicht nur die Beschaffung von Informationen, sondern auch das Anstossen und Abwickeln von Prozessen und die individuelle Rückmeldung für Einwohnerinnen und Einwohner.

Wollen Sie den Abraxas-Chatbot angesichts des Hypes um ChatGPT neu im Markt positionieren? Und wenn ja: wie? 

Wir bieten Werkzeuge an, welche behördenspezifische Dienstleistungen ermöglichen und unterstützen. Unser Anspruch dabei ist es nicht, wie ChatGPT eine Antwort auf jede Frage zu haben. Unser Ziel ist es, verwaltungsspezifische Anfragen ganzheitlich und korrekt zu beantworten. Damit schaffen wir konkreten Mehrwert für Einwohnerinnen und Einwohner und die Verwaltung. Unser Chatbot bietet dabei Rechtssicherheit: Basis für die von uns unterstützten Prozesse sind die Gesetze und Verordnungen, welche für die Verwaltung Gültigkeit haben.

Was unterscheidet ChatGPT vom Abraxas-Chatbot?

ChatGPT kann sehr gut bestehende Informationen sammeln. Wir aber bieten nicht nur Informationen aus irgendwelchen Quellen an, sondern können komplexe Verwaltungsdienstleistungen als digitalen Prozess durchführen. Der Verwaltungsbot ist viel mehr als ein konsumierbares FAQ, nämlich eine interaktive Abwicklung von Verwaltungsdienstleistungen. Zusätzlich haben wir den Vorteil, auf die Backend-Daten zugreifen zu können, sofern es sich um ein Abraxas-Backend handelt. Das heisst, wir können, nach einem persönlichen Login, auch Daten aus dem geschützten Bereich anzeigen. So können wir zum Beispiel die Höhe der Restschuld bei den Steuern persönlich anzeigen, was sehr viele Telefonanrufe an das Steueramt ersetzt. Ich habe kürzlich gelesen, dass bei Banken ein Drittel der Anfragen die Höhe des Kontostandes betrifft. Solche Prozesse können wir abwickeln, ChatGPT kann das nicht. 

Welchen Vorteil hat der Chatbot von Abraxas gegenüber einem FAQ, also einer Zusammenstellung von häufig gestellten Fragen? 

Ein FAQ bietet eine Sammlung von Informationen an. Im Gegensatz dazu ist unser Ziel, Verwaltungsdienstleistungen als digitalen, durchgängigen Prozess durchzuführen. So können wir zum Beispiel Bestellungen inklusive Dokumentenlieferungen abwickeln, bei Bedarf auch mit Zahlungsvorgang im Chatbot. Bei gewissen Prozessen muss sich eine Benutzerin auch mit einer digitalen Identität ausweisen, wie sie das auch in der physischen Welt am Behördenschalter tun muss. Für die Abwicklung der Prozesse werden Schnittstellen der Behörden-Fachsysteme angebunden. Das sind Dienstleistungen, die ein FAQ-Bot nicht abwickeln kann – wir schon.

Wie entwickeln sich die Nutzungszahlen?

Aufgrund der zusätzlichen Integrationen und den daraus resultierenden zusätzlichen Services verzeichnen wir bei den Nutzungszahlen einen Anstieg. Wir wollen dem Thema User-Adoption nun noch mehr Beachtung schenken, um für die Einwohnerinnen und Einwohner den grösstmöglichen Mehrwert zu schaffen.

Wie geht es mit dem Chatbot von Abraxas weiter?

Wir haben eine Roadmap für weitere Funktionen. Zentrale Punkte werden in nächster Zeit sicher der Ausbau der Integrationen in Fachapplikationen und die Steigerung der User-Adoption sein. Wir integrieren immer mehr Prozesse der interaktiven Einwohner-Kommunikation. Zudem wollen wir weiter wachsen und zusätzliche Gemeinden und kantonale Ämter als Kunden gewinnen. Sie erkennen mehr und mehr, was unser "digitaler Verwaltungsassistent" ihnen an Arbeit abnimmt.
 

Im vergangenen November gründete Abraxas übrigens eine neue Geschäftseinheit für Public-Cloud-Services. Unter der Leitung von Dieter Gasser, der von Itnetx zu Abraxas wechselte, soll die neue Geschäftseinheit Städte und Gemeinden unterstützen, ihre IT-Infrastruktur für die Cloud bereitzumachen. Lesen Sie hier mehr dazu

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