Nachgefragt bei AWS und Kunden

Die Highlights der re:Invent 2023 für Schweizer Unternehmen

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von Coen Kaat und tme

AWS hat an der re:Invent-Konferenz in diesem Jahr eine Fülle an neuen Angeboten rund um Cloud und KI vorgestellt. Welche Neuheiten für Schweizer Firmen am spannendsten sein dürften, sagen Chris Keller, General Manager Austria & Switzerland bei AWS, sowie die Schweizer AWS-Kunden Anybotics und Kudelski.

Chris Keller, General Manager Austria & Switzerland bei AWS, verriet an der re:Invent, welche Entwicklungen für Schweizer Unternehmen besonders interessant sein dürften. (Source: Netzmedien)
Chris Keller, General Manager Austria & Switzerland bei AWS, verriet an der re:Invent, welche Entwicklungen für Schweizer Unternehmen besonders interessant sein dürften. (Source: Netzmedien)

Ende November und Anfang Dezember hat AWS an der re:Invent-Konferenz in Las Vegas eine grosse Anzahl neuer Angebote angekündigt. So enthüllte CEO Adam Selipsky etwa den KI-Chatbot Amazon Q sowie einen Supercomputer mit beachtlichen 65 Exaflops, wie Sie hier nachlesen können. Ruba Borno, Vice President Worldwide Channels & Alliances, kündigte in ihrer Keynote derweil eine Preissenkung, neue Spezialisierungen für Partner und APIs für Verkäufer an - lesen Sie hier mehr dazu.

Mehr Leistung und tiefere Kosten mit neuen Chips

Im Gespräch mit der Redaktion verriet Chris Keller, General Manager Austria & Switzerland bei AWS, welche Ankündigungen für den Schweizer Markt besonders interessant sind. "Diese Liste ist sehr ausführlich", scherzte der Schweiz-Chef von AWS, für den es nach eigenen Angaben "ganz viele Highlights" gab an der diesjährigen re:Invent.

Zu diesen Highlights gehörte die Ankündigung von Graviton 4 und Trainium 2 - die jüngsten Prozessor-Generationen des Hyperscalers. Der ARM-Chip Graviton 4 soll je nach Use Case bis zu 30 Prozent mehr Rechenleistung bieten im Vergleich zur vorherigen Prozessorgeneration. Hierfür erhöhte der Hersteller die Anzahl Prozessorkerne um 50 Prozent und die Speicherbandbreite um 75 Prozent. Der KI-Trainings-Beschleuniger Trainium 2 sei derweil um ein vierfaches schneller als sein Vorgänger und ermögliche das Trainieren von Foundation Models (FMs) und Large Language Models (LLMs) in einem Bruchteil der Zeit. Gemäss Keller könnten Kunden mit den neuen Prozessoren zudem Strom und so auch Kosten sparen. "Also bessere Qualität zu tieferen Kosten", brachte er es auf den Punkt. 

Noch mehr Auswahl für KI-interessierte Kunden

Apropos KI: Das im April angekündigte und seit Ende September allgemein verfügbare Amazon Bedrock zählte ebenfalls zu Kellers Highlights. Bedrock ist ein Managed Service, der über eine einzige API eine Auswahl von FMs von verschiedenen KI-Unternehmen wie AI21 Labs, Anthropic, Cohere, Stability AI und Amazon Web Services selbst bietet. Zudem beinhaltet es eine Reihe von Features für die Entwicklung von generativen KI-Anwendungen.

Im Rahmen der re:Invent kündigte AWS an, dass nun auch Claude 2.1 von Anthropic und Llama 2 70B von Meta über Bedrock verfügbar sind. Von AWS selbst stehen über Bedrock neu auch die Titan-Text-Modelle Express und Lite, Titan Multimodal Embeddings sowie das Titan-Image-Generator-Modell zur Verfügung. 

"So bieten wir den Kunden eine grössere Auswahl", sagte Keller. Die Idee ist, dass die Kunden selbst entscheiden können, welches Modell am besten zu ihren Use Cases passt. Um den Kunden bei der Wahl des für sie richtigen Modells zu helfen, kündigte AWS in Las Vegas ein neues Tool an, um die verschiedenen FMs zu bewerten und zu vergleichen. Model Evaluation on Amazon Bedrock ist aktuell als Preview verfügbar. 

Damit Kunden ihre KI-Applikationen sicher entwickeln können, präsentierte AWS zudem Guardrails für Bedrock. Diese Funktion ist ebenfalls als Preview verfügbar. Damit könnten Unternehmen Schutzmassnahmen implementieren, um relevante und sichere Benutzererfahrungen zu liefern, die mit ihren Unternehmensrichtlinien und -prinzipien übereinstimmen, wie AWS erklärt. 

Das Thema generative KI hat auch AWS-Kunde Anybotics im Auge. Das ETH-Spin-off bietet autonome, vierbeinige Roboter namens Anymal für industrielle Anwendungen an. "Foundation Models für generative KI sind auf unserer 2024 Roadmap", sagte Robert MacKenzie, CTO Solutions bei Anybotics, im Gespräch in Las Vegas. Aktuell könne er aber noch nicht tiefer ins Detail gehen. 

Robert MacKenzie, CTO Solutions bei Anybotics. (Source: Netzmedien)

Das Thema KI ist dem Unternehmen jedoch nicht fremd: bei der Mobilität setzt Anybotics auf Reinforcement Learning. "Anymal hat wie ein Kind von Grund auf in Simulationen zu laufen gelernt", sagte MacKenzie. Zudem basieren das computerunterstützte Sehen für autonome Inspektion und die integrierte Navigation von Anymal auf KI. 

Anybotics setzt bereits viele Dienste von AWS ein. In naher Zukunft will das Unternehmen auch Greengras für IoT-Applikationen einsetzen, sowie Kinesis für Videostreaming und Cognito für Identity and Access Management testen. Teilweise nutzt das Unternehmen bereits eigene Lösungen in diesen Bereichen. Mit der Integration der AWS-Dienste will Anybotics Kunden, die bereits AWS-Services nutzen, vereinfachte, tiefere und bessere Integrationen  ermöglichen, wie MacKenzie erklärte.

Anymal kann dank KI sehen und navigieren. (Source: Netzmedien) 

Potenzial für KI-Chatbot in der Schweiz

Natürlich durfte auch der KI-Chatbot Amazon Q nicht fehlen bei Kellers Auflistung der re:Invent-Highlights. Die Antwort von AWS auf ChatGPT und Co. soll sich vor allem für den Business-Alltag eignen. Keller hebt besonders den hohen praktischen Nutzen für Schweizer Kunden hervor, da Q sich mit zahlreichen bestehenden Systemen wie Salesforce, Slack, Confluent, ServiceNow oder auch eigenen Datenbanken verknüpfen lässt. So bietet Amazon Q Kunden eine umfangreiche Integration in ihre bestehende Systemlandschaft ohne Entwicklungsaufwand betreiben zu müssen.

Der Schweiz-Chef erwartet, dass der Chatbot auch hierzulande auf ein grosses Interesse stossen wird. "Schweizer Unternehmen beschäftigen sich bereits intensiv mit dem Thema KI", sagte er in Las Vegas. Dabei stellen sie sich die Fragen, welche Businessprozesse man mit KI unterstützen kann und bei welchen man am besten beginnt. Entsprechend habe Keller in den vergangenen Monaten bereits viele Briefings mit Verwaltungsräten und CEOs geführt. 

"Nun geht es darum, dass die Partner schnell ihre Use Cases mit KI abbilden können und dass sie die Möglichkeiten von KI in allen Bereichen nutzen können", sagte er. Mit Q könnten die Kunden sich darauf konzentrieren, was sie eigentlich mit KI erreichen wollen, sagte Keller, ohne dass sie alles bis ins kleinste Detail selbst regeln müssten. "Amazon Q ist zwar zu einem hohen Mass vorgefertigt, aber zugleich auch spezifisch auf die einzelnen Unternehmen zugeschnitten, da der Chatbot mit den eigenen Unternehmensdaten arbeitet", erklärte Keller. 

Ein potenzieller Kunde für AWS im Bereich generativer KI oder Chatbots dürfte die Kudelski Gruppe sein - im Bereich Cloud etwa arbeiten die Unternehmen bereits zusammen. Group CIO Christophe Nicolas war ebenfalls an der re:Invent in Las Vegas. Wie er im Gespräch erklärte, könnten Chatbots etwa bei der Kommunikation zwischen den TV-Produkten der Gruppe und den Endnutzern zum Einsatz kommen - beispielsweise, wenn diese Filmempfehlungen wünschen oder Fragen bezüglich ihrer Rechnungen haben.

Christophe Nicolas, Group CIO von Kudelski, an der re:Invent. (Source: Netzmedien)

"Chatbots haben in der IT zwar nicht den besten Ruf, denn die ersten Gehversuche waren furchtbar", sagte Nicolas. Die neuen Tools von AWS wurden aber dafür entwickelt, um die Mitarbeitenden von Unternehmen zu unterstützen und "das ist der richtige Weg", meinte er. 

Die Kudelski Gruppe hat auch ein Standbein im Bereich Security. Hier nutzt das Unternehmen generative KI, um die eher knapp formulierten Informationen und Incident Reports aus dem Security Operations Center in leichter lesbare Reports und Meldungen zu transformieren. So soll die Technologie die Analysten unterstützen. 

"Wenn die Schweiz an der Spitze der Innovation stehen möchte, muss sie diese KI-Transformation begrüssen", sagte Nicolas. Dies könne jedoch nicht geschehen, wenn nicht schnell eine entsprechende Gesetzgebung etabliert werde. "Im Bereich der Kryptowährungen waren wir sehr schnell. Es gibt also keinen Grund, warum wir im Bereich der KI nicht ebenso schnell sein können", sagte Nicolas.
 

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