Distributed Acoustic Sensing

Wie Internet-Glasfasern Schockwellen messen

Uhr
von Dylan Windhaber und yzu

Ein Forschungsteam der WSL und der ETH Zürich hat eine neue Methode für die Messung von Erd-Erschütterungen getestet. Mit der Nutzung von bestehenden Internet-Glasfaserkabeln ist die Methode namens Distributed Acoustic Sensing in der Schweiz vielversprechend.

Grafik von den Radar-Messungen und den Messungen an unterirdischen Glasfaserkabeln. (Source: zVg)
Grafik von den Radar-Messungen und den Messungen an unterirdischen Glasfaserkabeln. (Source: zVg)

Forschende der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft (WSL) haben in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich erfolgreich eine neue Messmethode für die Überwachung von Erdbeben, Lawinen oder Felsbewegungen getestet. Das Forschungsteam verfolgte mit der neuen Methode das Ereignis des Brienzer Felssturzes im Juni 2023, bei dem mehr als eine Million Kubikmeter Fels ins Tal stürzten. Sie wiesen die Schockwellen an unterirdischen Internet-Glasfaserkabeln nach, wie die WSL in einem Blogbeitrag schreibt. Die Methode "Distributed Acoustic Sensing" (DAS) könne bereits kleine Verformungen in den Glasfaserkabeln in Echtzeit messen. Sogar der Ursprung dieser Verformungen in den Fasern soll auf einige Meter genau bestimmt werden können. Aufgrund der oft kilometerlangen Glasfaserkabel und ihrer weiten Verbreitung in der Schweiz sei die Methode für die Überwachung von Naturgefahren aus der Distanz äusserst interessant.

Nutzung bestehender Infrastruktur zur Messung

Für die Messungsmethode werde eine Dark Fiber, eine ungenutzte Faser in einem Telekom-Kabel, an einem Interrogator, angeschlossen. Dieses Gerät sende Laserimpulse durch die Dark Fiber. Verformt sich die Faser nur minimal, kommen die Impulse laut WSL verändert zurück. Entlang der Flüelapass-Strasse konnte das WSL-ETH-Team damit bereits erfolgreich Lawinen registrieren. 

Die Felsbewegungen in Brienz letztes Jahr hätten eine einzigartige Möglichkeit geboten, die neue Methode an Felsstürzen zu messen. Mit Radargeräten und Seismometern habe das Forschungsteam den Berg vor und während des Felssturzes überwacht. "Die Messungen haben unsere Erwartungen übertroffen" und "Wir konnten Hunderte von kleinen Felsabbrüchen vor dem grossen Ereignis messen, und den grossen Sturz sowieso" sagt Fabian Walter, Seismologe an der WSL.

Herausforderungen der Messmethode

Eine Schwierigkeit der Glasfaser-Messung sei das Herausfiltern der gesuchten Signale aus anderen Erschütterungen durch Züge, Verkehr und Flüsse. Mit einem Algorithmus, welchen die WSL-Studentin Jiahui Kang mithilfe von KI entwickelte, sollen aber bereits 95 Prozent der Felsbewegungen automatisch und korrekt erkannt werden. Als Vergleich dienten die Radarmessungen von Geopraevent, mit welchen das Brienzer Felssturzgebiet überwacht wird. Das Steinschlagrader der Geoprevent erkenne abstürzende Felsbrocken in Echtzeit und werde zur automatischen Sperrung gefährdeter Transportwege eingesetzt.

Der Seismologe Walter sieht laut WSL-Bericht mehrere Hürden der breiten Nutzung dieser Glasfasermethode. Zum einen seien die Rechenmodelle, die die gewünschten Signale aus den Störgeräuschen herausfiltern, noch im Forschungsstadium. Zum anderen sollen die Messungen eine sehr hohe Datenmenge von mehreren Terabyte pro Tag anhäufen. Die Auswertung der Daten in Echtzeit müsse zuerst sichergestellt werden. Ein weiteres Hindernis besteht laut Walter in den hohen Anschaffungskosten der Interrogatoren von über 100’000 Franken, tendenziell sollen diese aber eher sinken. Der WSL-Seismologe rechnet mit der Überwindung dieser Hürden in den kommenden Jahren. Auch das Kommunikationsnetz aus Glasfasern wachse weltweit weiter an, wodurch die Methode künftig vermehrt zur Überwachung gewisser Naturgefahren eingesetzt werden könne. 

 

46 Prozent der Schweizer Haushalte sind an ein Glasfasernetz angeschlossen. Mehr darüber lesen Sie hier.

Webcode
yVDkH7HV